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10 Loop-Klassiker, die lange vor House und Techno entstanden

Du bist so schön wie eine Umlaufbahn, in deiner Wiederkehr, drum lieb ich dich so sehr.
flickr.com/valkyrieh116

„Du bist so schön wie eine Umlaufbahn, in deiner Wiederkehr, drum lieb ich dich so sehr", sang der Kölner Kompakt-Künstler Justus Köhncke 2013 in seiner Hommage an den Loop. Denn was kann es Schöneres geben, als sich stundenlang in Ekstase hypnotisieren zu lassen? Techno und House sind bekanntlich loopbasierte Genres, die davon leben, dass sich Klänge rhythmisch wiederholen. Die Geschichte des Loops reicht aber zurück bis zur Musique concrète. In seinem lesenswerten Buch „Schleifen. Zur Geschichte und Ästhetik des Loops" schlägt Tilman Baumgärtel den Bogen von den Anfängen loopbasierter Musik bei Pierre Schaeffer und Karlheinz Stockhausen über die amerikanische Minimal Music bis hin zu den Beatles.

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Wir haben uns davon zu einer Playlist von zehn Klassikern loopbasierter Prä-Technomusik inspirieren lassen. Nicht alle, aber einige davon tauchen auch im Buch auf.

Eric Satie – Vexations (1893)

„Vexations" hat über hundert Jahre auf dem Buckel und gilt als Paradebeispiel repetitiver Musik. Man kann das Stück heute noch im Technoclub auflegen und die Leute würden komplett ausrasten. Naja, nicht ausrasten, aber zumindest tanzen. Gut, vielleicht auch nicht tanzen. Aber sie würden zumindest interessiert gucken. „Vexations" besteht aus der achthundertmaligen Wiederholung einer Pianofigur und ist damit Techno par excellence, zumindest theoretisch.

Pierre Schaeffer - Études de bruits (1948)

Wie später Steve Reich hegte auch Pierre Schaeffer ein Faible für Züge, die in diesem Musikstück eine zentrale Rolle einnehmen. Der französische Komponist gilt als Begründer der Musique concrète und war einer der Ersten, der mit Field Recordings und Samples arbeitete. Bloß nannte man das damals noch nicht so. Schaeffer mixte Geräusche, Instrumente und Stimmen zusammen und komponierte fast ausschließlich mit vorgefundenem Klangmaterial. Tanzen ließ sich dazu nur bedingt, stilprägend war es allemal.

Karlheinz Stockhausen – Gesang der Jünglinge (1955)

„Gesang der Jünglinge" zählt zu den bekanntesten Kompositionen Karlheinz Stockhausens und war eines der ersten Werke aus dem Kölner Studio für elektronische Musik des WDR. Stockhausen arbeitete mit Tonbändern, die er derart beschleunigte, dass die Impulse zu Tönen wurden. Damit gilt er auch als Inspirationsquell für Leute wie Robert Moog, der Jahre später die ersten Synthesizer erfand. Stockhausen wird von zahlreichen Elektronikmusikern verehrt, was jedoch auf wenig Gegenliebe stieß. Mit Techno konnte er schlichtweg nichts anfangen, auch komplexeren Stücken von Aphex Twin habe der Rheinländer nichts abgewinnen können, heißt es in Baumgärtels Buch. „Musik als Droge zu benutzen ist dumm", soll er einst über die elektronische Tanzmusik gesagt haben. Selber dumm, als er den 11. September „als größtes Kunstwerk aller Zeiten" bezeichnet hat.

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John Coltrane – My favourite things (1961)

Eines der schönsten Beispiele aus der Jazzgeschichte stammt von John Coltrane, der zeigt, wie Loops erst durch minimale Variationen so richtig interessant werden. Das Stück ist eines der meistinterpretierten Jazzstücke überhaupt und hat mit seinem repetitiven Groove auch bei vielen House- und Technoproduzenten Spuren hinterlassen.

Raymond Scott – The Music Box (1962)

Raymond Scott gilt als einer der unwahrscheinlichsten Typen, den die Musikwelt je hervorgebracht hat und wird heute noch von HipHop- und Elektronikmusikern gesampelt. Er war maßgeblicher Impulsgeber und Entwickler der ersten Synthesizer und Sequenzer, hat dadaistische Werbejingles komponiert und mit Leuten wie Jim Henson (dem Erfinder der Muppets) gearbeitet. Seine Werbekompostionen klingen jedoch nicht selten wie die totale Verarsche des zu bewerbenden Produkts, wenn nicht gar des gesamten kapitalistischen Betriebs. Viele seiner Jingles wurden mit selbstgebauten Instrumenten komponiert und können als Prototechno aufgefasst werden. Wie dieser Synthesizer-Irrsinn vom Album „Soothing sounds for baby".

Holger Czukay – Boat Woman Song (1968)

Holger Czukay war vor seiner Zeit als Bassist bei Can Student bei Stockhausen und hat schon früh gelernt, mit Tonbandschleifen zu experimentieren. Der „Boat Woman Song" findet sich auf Czukays erstem Soloalbum „Canaxis", auf dem Samples und Musikeinflüsse aus aller Welt verwurstet werden. Kurze Zeit später schrieb er auch mit Can Musikgeschichte. Die Band arbeitete mit Montagetechniken und funktionierte allerlei technisches Gerät zu Synthesizern um. Can waren international sehr erfolgreich und beeinflussten auch Bands wie Radiohead oder Sonic Youth. Einst soll sogar John Lydon von den Sex Pistols im Studio angerufen haben, weil er Can-Sänger werden wollte. Durfte er aber nicht.

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Terry Riley – You are no good (1968)

Terry Riley ist nicht nur Begründer der Minimal Music, sondern hat schon Disco-Edits gemacht, lange bevor es Disco und Edits überhaupt gab. Damit darf Riley als Vorreiter von Leuten wie Todd Terje oder sogar Larry Levan gelten, die Jahre später anfingen, die euphorisierenden Passagen von bestimmten Discotracks zu loopen. „You are no good" basiert auf dem gleichnamigen Soulstück von Harvey Averne und ist als Auftragsarbeit für eine Discothek in Philadelphia entstanden. Riley verdichtet und verschiebt das Original, bis es kaum noch zu erkennen ist. Später erfand der Amerikaner mit dem LSD-getränkten „A rainbow in curved air" dann Techno und brachte auch die Hippies zum Raven.

Steve Reich – Music for 18 Musicians (1978)

Steve Reich ist nicht nur Pionier in Sachen Tonbandmusik, er hat auch mit echten handgemachten Musikern zusammengearbeitet. In seinem berühmtesten Werk „Music for 18 musicians" waren es geschlagene 18, die ihre Hörerschaft mit Gesang, Marimba und diversen Instrumenten auf einen gut einstündigen Trip schickten.

Samuel Beckett – Quad (1981)

Ob Samuel Beckett passionierter Raver war, ist nicht überliefert. Bekannt wurde der Literaturnobelpreisträger vor allem durch sein absurdes Theaterstück „Warten auf Godot". Dabei wird oft vergessen, dass der Ire mit seinem TV-Kunstprojekt „Quad" die Clubkultur, wie wir sie heute kennen, gewissermaßen vorweggenommen hat. Vier Verpeilte mit Kapuzen tanzen im Viereck und choreografieren sich durchs Quadrat. Was die eingeworfen haben wissen wir leider nicht. Wir hätten es auch gern.

Laurie Anderson – O Superman (1982)

Das fast ausschließlich auf Vocalsnippets basierende Stück „O Superman" von Laurie Anderson schaffte es seinerzeit bis auf Platz 2 der UK-Charts und ist einer der bizarrsten Hits aller Zeiten. Man kann das Stück auch heute noch im Club spielen und die Leute würden komplett…naja, siehe oben.

Mehr Information? Lies das Buch „Schleifen. Zur Geschichte und Ästhetik des Loops" von Tilman Baumgärtel.