Anfang des Jahres hat die dänische Fotografin Marie Hyld an einem Workshop zum Thema "Feminine Reinigung" teilgenommen. Dabei versuchten sie und die anderen Frauen, die Barriere zwischen ihren "femininen und maskulinen Energien" einzureißen. Dafür tanzten, schrien und schwitzten sie alle um die Wette. Sie umkreisten ein imaginäres Lagerfeuer, warfen ihre symbolischen Masken des Alltags in die Flammen und sahen dabei zu, wie ihre festgefahrene Selbstwahrnehmung zu Asche wurde.
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"In allen Menschen – ganz egal welches Geschlecht – fließt sowohl maskuline als auch feminine Energie. Darauf basierend arbeiteten wir als Gruppe zusammen, um die Grenze zwischen diesen Energien flexibler zu machen", erklärt Hyld. "Da in dem Workshop nur Frauen waren, hieß das vor allem: die maskuline Seite in uns entdecken."
Durch den Workshop fühlte sich Hyld wie befreit von den ungeschriebenen Gesetzen, wie sie sich als Frau zu verhalten habe. Und sie kam auf die Idee für ihre aktuelle Fotoserie Tortuous. "Mir wurde plötzlich klar, dass ich die ganze Zeit nur das getan habe, was andere Menschen meiner Meinung nach von mir erwarteten", erzählt die Fotografin. Sie entschied sich dazu, diese Einsicht mithilfe ihrer Kamera noch weiter zu erforschen.Genauso wie bei ihrer letzten Bildreihe Lifeconstruction suchte und fand Hyld die Models für ihr neuestes Projekt bei Tinder. Dieses Mal ging sie zu den jungen Frauen und Männern nach Hause und fotografierte sie zuerst ganz normal und authentisch. Danach folgten aber Porträts, in denen die Models plötzlich feminin beziehungsweise maskulin wirken. "Ich musste zuerst eine Art Karikatur erschaffen, in der ich mich maskuliner und femininer Stereotypen bediene, um diese dann zu zerstören", erklärt die Fotografin. Uns haben die Models erzählt, was sie über die Bilder denken und wie das Shooting ablief.
Lærke
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Josh
Karoline
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Morten
Maja
Ich hatte richtig Spaß, auch wenn es mir teilweise schwer fiel, böse zu gucken. Als das Shooting vorbei war, verabschiedete sich Marie schnell und ich blieb wie benommen zurück.
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Ich setzte mich auf meine Couch und freute mich darüber, dass wir heutzutage die Freiheit haben, mit unserem Aussehen zu spielen. Wir müssen nicht mehr in eine bestimmte Schublade passen. Und auch wenn es noch viele Gründe gibt, wütend zu sein, und noch viele Kämpfe geführt werden müssen, ist es trotzdem unglaublich toll, dass so viele Menschen für ihr wahres Selbst einstehen."
Frederik
Naomi
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Im Gegensatz dazu fühlte ich mich als mein männliches Alter Ego richtig gefestigt – sowohl in meinem Kopf als auch in meinem Körper. Es machte mir richtig Spaß, mich zu zeigen. Körperlich und mental stark, attraktiv, interessant. So kam ich mir vor. Und zwar nicht, weil ich diese Eigenschaften mit Männlichkeit verbinde, sondern weil ich mir diese Eigenschaften wirklich zuschreibe. Obwohl ich eine 'feminine' Frau bin."
Michael
Schon interessant, dass ich mich nackt zusammen mit einer fremden Person in meiner Badewanne selbstsicherer fühlte als im Alltag. Dieses befreite Gefühl sagt doch viel darüber aus, wie einschnürend die traditionellen Gender-Schubladen sind – vor allem für Menschen, die sich selbst weder als Mann noch als Frau sehen.Leider ist die Welt ein gefährlicher Ort für Trans-Menschen und genderqueere Personen. Daran wird sich auch nichts ändern, bis allen klar wird, dass wir uns nicht so präsentieren müssen, wie man es aufgrund unseres biologischen Geschlechts von uns erwartet. Man kann die menschliche Identität nicht kategorisieren. Das müssen die Leute endlich einsehen. Nur dann können wir die queere Community besser unterstützen. Eigentlich ist das das Mindeste, was wir tun können, um diesen Menschen dafür zu danken, dass sie mutig genug sind, um die gesellschaftlichen Normen in Frage zu stellen."
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