Erwachsen sein ist toll. Niemand verbietet uns, nach 22 Uhr noch draußen zu sein, wir können uns am Kiosk mehr Süßigkeiten kaufen, als wir Hunger haben, und die ganze Nacht PlayStation zocken – wenn wir wollen.
Anzeige
Allerdings ist Jung sein auch toll. Nie mehr bekommt man so viel mit von den Trends, die sich in der Welt auftun. Nie mehr ist der Gruppenzwang so groß, dass wir zu allem dazugehören wollen – und nie mehr wollen wir uns so brutal von allem anderen abgrenzen.Jung sein ist trendy sein, hätten unsere Eltern in den 80ern gesagt, vielleicht auch deren Eltern in den 60ern. Wir jedenfalls nicht. Und doch ist es wahr. Deshalb haben wir geschaut, welche Trends unsere Jugend in den 2000ern geprägt haben. Wir, das müssen wir hier dazu sagen, das ist peinlicherweise vor allem der weiße, männliche und westdeutsche Teil der VICE-Redaktion.Ein ABC in die Vergangenheit.
Auch bei VICE: Die Fake-Rapper aus Schottland, die die Welt erobert haben
Um klarzumachen, was Aggro Berlin in Deutschland verändert hat, braucht man eigentlich nur diese vier Textzeilen:
Auch bei VICE: Die Fake-Rapper aus Schottland, die die Welt erobert haben
Aggro Berlin
Das ist der Refrain von "Cruisen" von den Massiven Tönen, das 2002 über Monate in den Top 10 der deutschen Charts rumhing. Die anderen Rap-Giganten jener Zeit hießen Freundeskreis oder Fanta Vier, und deren Texte waren tendenziell noch harmloser. 2004 schlug Sido in diese harmonische Landschaft mit "Mein Block" ein wie eine Splitterbombe aus Sex, Gewalt und Drogen, zerfetzte den deutschen "Abituristen-Rap", ebnete den Weg für Hafti und Capi und wie sie alle heißen – und versaute die Jugend für immer. Wir sind ihm bis heute dafür dankbar. – Matern BoeselagerWir sind die Coolsten, wenn wir cruisen
Wenn wir durch die City düsen
Wir sind die Coolsten, wenn die süßen
Ladys uns mit Küsschen grüßen
Anzeige
'Big Brother'
CDs brennen
Downloads
Anzeige
Emo
'Family Guy'
Gruscheln
Anzeige
Handys/Nokia3210
ISDN
Anzeige
'Jackass'
Komasaufen
Linkin Park
Anzeige
MySpace
Netzwerkparties
Osiris D3
Paris Hilton
Anzeige
One Night in Paris war kein "Sextape", sondern niederträchtiger Revenge Porn. Aus It-Girls wurden Influencerinnen. Und Paris Hilton vertrieb den letzten Rest "Reiche-Hotelerbinnen-Exzesss-Flair", als sie mit Baritonstimme in ihrer YouTube-Doku erklärte, dass alles nur ein Act war. – Thembi WolfQuallen sind eigentlich kein Phänomen der 2000er, aber uns ist eben keins mit Q eingefallen. Deshalb geht es jetzt kurz um Quallen. Zwei interessante Tipps, um mit Quallen fertigzuwerden:
Quallen
- Offenbar ist man an den Hand- und Fußinnenflächen immun gegen Quallengift. Deshalb kann man, wenn man eine gefährliche Qualle neben sich im Wasser entdeckt, die Qualle (wenn sie klein genug ist) mit beiden Händen aus dem Wasser schöpfen und wegwerfen, ohne gestochen zu werden. Diese Methode haben wir nicht ausprobiert.
- Man hört oft, dass man den Schmerz eines Quallenstichs mildern kann, indem man draufpinkelt. Das ist Unsinn. Aber: Niemand kann euch davon abhalten, so zu tun, als würdet ihr das glauben, um eure frisch von einer Feuerqualle gestochenen Freunde dann noch durch kollektives Anpinkeln zu erniedrigen. Ihnen wird es nicht helfen, eher im Gegenteil, aber immerhin habt ihr etwas zu lachen!
Anzeige
Wenn euch das jetzt irgendwie zu asozial ist, können wir nur sagen: Ein Glück, dass ihr es aus den 2000ern rausgeschafft habt! Jetzt kommt's noch schlimmer: – Matern BoeselagerLange bevor das Elend der Welt uns wirklich treffen konnte, suchten wir den Kick im individuellen Leid. Und mit Leid meinen wir eigentlich das absolute Grauen. Rotten.com bot den Horrorschock darüber, was Menschen sich gegenseitig, sich selbst oder Tieren anzutun imstande waren. Ganze Nachmittage verbrachten wir mit unseren Freunden vor dem Bildschirm, weil es immer jemanden gab, der den anderen etwas noch Grausameres zeigen wollte. Wenn ihr euch also fragt, wo eure seltsamen Fetische herkommen, überlegt doch mal, was euch in der frühen Pubertät so geprägt hat. – Robert HofmannWir kannten die SPD als die Partei, auf die unsere Eltern entweder schimpften oder die unsere Eltern wählten, weil ihre Eltern das schon getan hatten. "Besser für die kleinen Leute", sagten sie, oder "sozial" oder "wenigstens weniger korrupt". Und dann kam Schröder und die SPD verschwand mit jeder Wahl ein bisschen mehr. Vielleicht weil sie mit dem biertrinkenden Proll als Kanzler plötzlich weder mehr für die kleinen Leute tat, noch irgendwie sozial wirkte und, zumindest aus der Rückschau, auch nicht weniger korrupt. Mit Schröder begann der Abstieg der SPD und wer weiß, vielleicht werden wir die letzte Generation sein, die sie einmal ernst nehmen konnte. – Robert HofmannJa, Deutschlands erfolgreichste Late Night Show ist schlecht gealtert. Gerade die von Stefan Raab immer wieder reproduzierten schwulenfeindlichen Klischees und Witzchen würde man heute zu Recht ablehnen. Aber zur Wahrheit zählt auch: Damals fanden wir das alle gut. Wir, das heißt vor allem in der Anfangszeit mehrere Millionen Zuschauer pro Abend und mehrmals die Woche. Die Sendung war ein Gradmesser für den deutschen Durchschnittshumor und damit etwas, das es heute nicht mehr gibt. – Tim GeyerMit Tony Hawk’s Pro Skater kam der Skateboard-Hype. Und mit dem kam ein Haufen weiß glänzender Popos auf öffentlichen Plätzen, die ungelenk von ihren rollenden Brettern purzelten. Aber wie auch sonst? Unsere Hosen saßen so tief, dass Unterwäsche plötzlich omnipräsent war. Wer früher noch schamlos Schlüpfer getragen hatte, brauchte nun den BOSS-Schriftzug. Auch wenn man am Ende doch nur wieder den Popo präsentierte. – Robert HofmannAuf den Ausweisen unserer Väter stand kein Alter. Welcher Kassierer kann schon einen 15-Jährigen, der mit rotem Kopf Schmuddelpornos ausleiht, von seinem Vater unterscheiden? Am besten waren DVDs, die konnten wir dann nämlich brennen (→ CDs Brennen). – Robert HofmannEs ist an dieser Stelle völlig egal, worum es bei dem Online-Rollenspiel World of Warcraft eigentlich geht. Man musste es in den Nullerjahren gar nicht selbst gezockt haben, um davon berührt worden zu sein. Es war quasi unmöglich, ihm auszuweichen. Wegen seines riesigen Suchtpotentials spielte man entweder selbst WoW, kannte jemanden, der WoW spielte, oder wurde von jemandem versetzt, der heimlich WoW spielte, aber per MySpaceIM schrieb, man sei "voll in einem Dan-Brown-Roman versackt", was aus heutiger Sicht auch nicht weniger peinlich ist. – Tim GeyerPlötzlich war nichts mehr übrig. Der Teenie-Star, für den sich heimlich auch unsere Väter begeisterten, wurde dirrty. Christina Aguilera verlor ihre letzte Unschuld, wurde Xtina und ließ selbst Britney Spears wie eine Messdienerin aussehen. Die blonden Haare wurden dunkel, die Klamotten lack- und ledriger und der Sound auch mehr R’n’B mit expliziten Ansagen. Für uns änderte sich eine Welt, nur unsere Väter mochten beide Versionen. – Robert HofmannDas Besondere an Yoyos – man kann sie auch Jojo nennen, aber weil wir nunmal etwas für den Buchstaben Y gebraucht haben, sagen wir Yoyo – also das Besondere daran ist, dass man als erwachsener Mensch sehr gut damit umgehen können muss, um sich nicht vollkommen zum Eimer zu machen. Anfang der Nullerjahre war das anders. Plötzlich spielten sehr viele Menschen mit Yoyos. Manche hatten einen Freilauf, andere eine Federung, die man aus irgendeinem Grund Gehirn nannte. Diese Bauteile sollten es einfacher machen, mit dem Yoyo elegante Tricks zu vollführen. Wenn jemand gut darin war, wurde er als Nerd geächtet. Wer es jedoch nie über die absoluten Einsteigermoves hinausschaffte, konnte gut mit den coolen Leuten mitschwimmen. So war das Anfang der Nullerjahre. Können wurde verachtet, untere Mittelmäßigkeit gefeiert – man denke nur an die Musik, die damals rauskam. – Tim GeyerPlötzlich waren unsere Lehrer aufgeregter als wir. Plötzlich waren wir nicht mehr die kleinen faulen Kinder, sondern diejenigen, deren Lernerfolg gemessen werden konnte – und damit die Kompetenz der Lehrer. Versagten wir, bekamen auch sie ein schlechtes Zeugnis. So wohlwollend und engagiert hatten wir den aufgescheuchten Haufen noch nie erlebt. – Robert HofmannFolge VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.