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Das Beste der 80er (wirklich)—präsentiert von Dystopian's Alex.Do

Die Achtziger sind die Geheimwaffe des jungen DJs und Produzenten, wenn er mal wieder im IfZ oder dem Berghain auflegt.
Franz Grünewald

Die 80er … ein mysteriöses Jahrzehnt. Pop schien in der Synthie-Konserve festzustecken, im Rock trug man sehr, seeehr lange Haare, das Ozonloch wuchs mit jeder verkauften CD und Platte. Klar, es gab Depeche Mode, den Durchbruch von House und die Entdeckung des Techno, später auch Italo Disco & Co, aber trotzdem wurde die Dekade für unsere Generation derart totgenudelt, dass uns ein kleiner Schauer über den Rücken läuft, wenn jemand „Acht-zi-ger" sagt. Brrr. Nicht so jedenfalls Alex.Do. Der junge Berliner Produzent und DJ aus dem Hause Dystopian (Rødhåd, Recondite) wird beim Pop-Kultur Festival Ende August, Anfang September neben Fatima Al Qadiri, Matthew Herbert, Brandt Brauer Frick (live), rRoxymore, Roosevelt, John Roberts u.w. auftreten. Und zwar mit einem DJ-Set, das sich nur den Songs und Tracks eines einzelnen Jahres der 80er bedienen wird. Uns hat Alex.Do nicht nur erklärt, woher seine musikalische Faszination für die Vergangenheit kommt, sondern hat uns auch seine Top 6 der 80er aufgelistet.

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THUMP: Alex, du bist 26. Die 80er hast du so ziemlich verpasst. Wann hast du dich das erste Mal mit ihnen auseinander gesetzt?
Alex.Do: Das habe ich das erste Mal relativ unbewusst, als ich mit dem Musikgeschmack meiner Eltern konfrontiert wurde. Der reichte von den Beatles und Stones über Jimmy Somerville, Fine Young Cannibals und Grace Jones bis hin zu John Lee Hooker und Marvin Gaye und vielem, vielem mehr.

Inwiefern hat dich diese Musik als Produzent beeinflusst?
Definitiv sehr. Ganz gut hören kann man das auf meinem letzten Release. Speziell im Track „Mercurio", der einen industrialesquen Touch hat und mit der Arpeggiatormeldoie ein typisches Element dieser Zeit mitbringt, wie ich finde.

Was die Musik aus den 80ern angeht, so bewegen sich viele der Releases zwischen sehr unterschiedlichen Stilen; oder zumindest Tempi. Es gibt Tracks auf einer Geschwindigkeit von 180 BPM, was quasi an Drum and Bass von der Beatstruktur erinnert, und dann gibt es wieder Tracks, die auf 100 oder weniger BPM aufgenommen wurden, was dann wieder „downbeatig" anmutet. Heutzutage bewegt sich im Clubkontext, meinem Empfinden nach, der Großteil der Musik zwischen 120 und 135 bpm. Was natürlich auch Sinn macht, denn das ist eine gute Tempo-Range, um dazu zu tanzen.

Damit wären wir beim Auflegen, also: die 80er und du, als DJ.
Mich fasziniert diese große Aufbruchsstimmung sehr, die sich in der Musik vernehmen lässt—es gab einfach eine gigantische und maßgebliche Veränderung mit der Einführung der elektronischen Klangerzeuger. Dadurch, dass ich so viel verschiedene Musik höre und mich davon—bewusst oder auch unbewusst—beeinflussen lasse, möchte ich mich eigentlich nicht nur im normal, cluborientierten Spektrum bewegen. Natürlich finde ich es großartig, gute Clubtracks zu produzieren. Aber dadurch, dass ich damit jedes Wochenende konfrontiert bin, brauche auch davon auch mal eine Auszeit und muss andere Wege einschlagen, um mich nicht irgendwann zu langweilen oder eine Art Overkill hervorzurufen.

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Was meine DJ Sets angeht, so bekomme ich sicher nicht so oft die Möglichkeit, Musik dieser Art zu spielen. Aber wenn ich ein langes Set, beispielsweise das Ende einer Clubnacht spiele, was dann gerne auch mal zehn Stunden gehen kann, dann finde ich es schon sehr, sehr wichtig, nicht die ganze Zeit lang einfach nur straight durchzuspielen, sondern das Set mit Spannungsbögen zu versehen und dann zwischen durch vielleicht auch mal kurz aus dem normalen Technogefilde zu verschwinden, vielleicht auch mal ein paar Tracks von Nitzer Ebb oder Front 242 zu spielen.

Dystopian steht für ein Fundament aus Dub, Techno und House. Du selbst hast aber auch HipHop oder Die Ärzte gehört. Wie breit gefächert ist dein musikalischer Geschmack?
Also HipHop höre ich heute auch noch immer sehr gerne. Aber irgendwann fand ich viele der Texte, ehrlich gesagt, ziemlich dämlich und beschränkt. Zum einen drehten sie sich inhaltlich immer um die selben Themen, zum anderen waren diese dann oftmals auch ziemlich menschenverachtend. Ab diesem Punkt habe ich irgendwie mehr und mehr auf die Beats geachtet. Eine wirkliche Offenbarung war dann für mich TripHop. Die Musik von Acts wie Portishead oder Massive Attack weiß ich bis heute sehr zu schätzen. Ich werde zum Beispiel nie vergessen, wie ich vor ein paar Jahren mal Portishead in der Zitadelle Spandau live erlebt habe; das war wirklich ein großartiger Moment. Dann habe ich auch irgendwann Bonobo, dessen Alben ich sicherlich mittlerweile alle „mitsingen" kann, und viele andere Ninja Tunes Artists entdeckt.

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Ich finde aber auch klassischen Pop sehr gut. Rüfüs aus Australien oder Jungle. Machmal denke ich beim Hören von deren Debüt, dass es, wenn es so eine Bezeichnung überhaupt gibt, perfekte Musik ist, da dieses Album unglaublich ausgewogen und auch wieder großartig produziert ist. Ich habe zum Beispiel auch eine große Sammlung an Italo Disco Platten zu Hause und verehre ja Bobbie Orlando, der für mich gefühlt die Hälfte aller Italo Disco Hits produziert hat. Außerdem habe ich mittlerweile sehr viele Prog Rock und Funk Platten aus Italien, welche so Mitte der 70er erschienen, und versuche mittels Discogs ein bisschen in diesen Musikkosmos einzutauchen. Wie groß der ist! Da gab es zum Beispiel letztens einen Repress von Jay Richford und Gary Stevans absolutem Meisterwerk Feelings—ein Album, welches ich schon als eine Art heiligen Gral der italienischen Funkmusik bezeichnen würde.

Wie sieht dein Plattenschrank dann aus?
Meine Plattensammlung habe ich nicht wirklich sortiert, lediglich in zwei Sektionen unterteilt. In der einen finden sich die ganzen EPs—zum Großteil Techno und House—und in der anderen die LPs. Ich habe jetzt einfach mal zehn Stück, die nebeneinander standen herausgezogen. Als erstes kommt da Steve Reich mit seinem genialem Music For 18 Musicians. Dann Andy Stotts Meisterwerk Luxury Problems—als dieses Album erschien, hat es mich wirklich sehr bewegt. Daneben steht dann ein Album der kalifornischen Goth Rock Band Chelsea Wolfe mit dem Titel Apokalypsis—meiner Meinung nach deren stärkstes Album. Dann kommt das zeitlose Ege Bamyasi von Can, gefolgt von einem eher skurrilen Release des Interpreten Owen Maercks mit dem Titel Teenage Sex Therapist, welches ursprünglich 1978 erschien und das ich am ehesten noch als eine Art Proto-Indie-Rock bezeichnen würde. Daneben steht dann The Who's Klassiker Who Are You. Nun kommt eine Soul & Jazz Platte des Afrikanischen Musikers Dick Khoza: Chapita. Weiter: die brillante türkischen New Wave-Formation She Past Away und ihr Debüt Belirdi Gece. Dann kommt ein eher experimentelles Pop-Album der Formation Low Roar; die LP hat den gleichen Titel. Und zum Schluss ein Album, das ich auch wirklich sehr sehr oft gehört habe, von der Formation The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble: From The Stairwell.

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Oha. Allerhand. Über die „legendären" 80er in Berlin war in den letzten Jahren viel zu lesen. Wie würdest du gerne die jetzige Szene und Zeit, deren Teil du bist, einmal erinnert sehen?
Als eine tolerante und weltoffene Szene.

Depeche Mode finden sich nicht in deiner 80er-Highlight-Liste, dabei haben sie allerdings elektronische Massenmusik vorweggenommen, schon in damals weltweit Stadien mit dunklen Synthiesounds gefüllt und gelten bis heute als kredibil. Wie siehst du die Band?
Ich finde Depeche Mode wirklich großartig. Was mich sehr fasziniert hat, ist, wie sehr man doch die unterschiedlichen Lebensabschnitte der Band aus deren LPs heraushört. A Broken Frame—eines meiner Lieblingsalben von DM—ist super poppig und dann 15 Jahre und einen Heroinenzug später kommt Ultra, ein Album, das ich unglaublich dark und drückend finde. Das ist eine entscheidende und große Fähigkeit eines Musikers; die aktuelle Gefühlslage und Verfassung mit in den eigenen Werken einzubinden.

**

Guerre Froide - Demain Berlin

[Stechak; 1981]

Eine super seltene Platte und ein wahres Meisterwerk. Der Sänger Yves Royer singt auf Französisch, Englisch und Deutsch davon, dass er seine große Liebe in Berchtesgaden getroffen hatte, und dass dies so passieren musste. Außerdem ist er von Kopf bis Fuß „auf Liebe eingestellt" und nach anfänglichen Schwierigkeiten mit seiner feschen Lola, die erstmal kalt wie ein Eisberg war, ist beiden klar, dass sie sich in den Ruinen Berlins wieder treffen werden.

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Der Track wird von einem simplen elektronischem Drumming und einen ebenfalls sehr simplen Synthloop begleitet und gipfelt in dem Höhepunkt, bei dem das Tempo angezogen wird und der Gitarrist sich austobt, ein Moment, der für mich vom Punk durchzogen ist und mir jedes mal eine Gänsehaut beschert.

Moloko+ - Falling Apart

[Self released; 1986]

Es fiel mir schwer, ein Lied aus jenem Album auszuwählen, welches mir ohnehin am besten gefällt. Also habe ich auf meinem iPod geguckt, welcher der Tracks die höchste Wiedergabezahl hatte—und das war dieser. Jedoch finde ich wirklich das ganze Album unglaublich brilliant. Thematisch bewegt es sich zwischen New Wave & Post Punk und klingt für mich dann irgendwie doch ganz eigen. Die Gitarrenriffs sind eingängig und einfach toll und wie mit den Synthesizer gearbeitet wird, gefällt mir sehr gut. Ich fand immer, dass das Drumming sehr abwechslungsreich war und kein einfacher vier viertel Drummachine Loop ist. Und gerade bei „Falling Apart" finde ich, dass die Synthesizer eine wundervolle Symbiose mit den Gitarren und dem Gesang bilden.

Eleven Pond - Moving Nowhere

[Game Hen Records; 1986]

Ich kann nicht genau sagen, wie oft ich dieses Album gehört habe, aber die Platte hat mittlerweile auf jeden Fall schon einiges erlebt. Ein wirklich großartiges Album, das mich schon durch viele, viele Momente meines Lebens begleitet hat. Und ich liebe den Gesang von Jeff Gallea. Bei „Moving Nowhere" beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue der Breakdown in der Mitte des Tracks und wie die Musiker es dann wieder aufbauen und entladen. Es werden behutsam neue Elemente hinzugefügt, dann setzt der Refrain wieder ein. Ein moment, den ich nach wie vor unglaublich mag.

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Pink Turns Blue - After All

[Fun Factory!; 1987]

Eine unglaublich Band aus Deutschland, von der ich die ersten beiden Alben sicher mitsingen kann. „After All" ist eines meiner Lieblingslieder vom ersten Album und transportiert für mich ein super starkes Gefühl. Ich verehre die Gitarrenriffs.

Sad Lovers & Giants - Things We Never Did

[Last Movement; 1981]

Ein absoluter Klassiker und ein Song, der unter die Haut geht. Jedes mal bin ich beeindruckt von der Dramaturgie und finde, dass hier sehr viel Platz für die eigene Vorstellungskraft gelassen wird und dass selbst das exotische Saxophon perfekt eingearbeitet ist—ein Song den ich wohl immer wieder hören kann.

Die 80er ... ein mysteriöses Jahrzehnt. Pop schien in der Synthie-Konserve festzustecken, im Rock trug man sehr, seeehr lange Haare, das Ozonloch wuchs mit jeder verkauften CD und Platte. Klar, es gab Depeche Mode, den Durchbruch von House und die Entdeckung des Techno, später auch Italo Disco & Co, aber trotzdem wurde die Dekade für unsere Generation derart totgenudelt, dass uns ein kleiner Schauer über den Rücken läuft, wenn jemand „Acht-zi-ger" sagt. Brrr. Nicht so jedenfalls Alex.Do. Der junge Berliner Produzent und DJ aus dem Hause Dystopian (Rødhåd, Recondite) wird beim Pop-Kultur Festival Ende August, Anfang September neben Fatima Al Qadiri, Matthew Herbert, Brandt Brauer Frick (live), rRoxymore, Roosevelt, John Roberts u.w. auftreten. Und zwar mit einem DJ-Set, das sich nur den Songs und Tracks eines einzelnen Jahres der 80er bedienen wird. Uns hat Alex.Do nicht nur erklärt, woher seine musikalische Faszination für die Vergangenheit kommt, sondern hat uns auch seine Top 6 der 80er aufgelistet.

THUMP: Alex, du bist 26. Die 80er hast du so ziemlich verpasst. Wann hast du dich das erste Mal mit ihnen auseinander gesetzt?
Alex.Do: Das habe ich das erste Mal relativ unbewusst, als ich mit dem Musikgeschmack meiner Eltern konfrontiert wurde. Der reichte von den Beatles und Stones über Jimmy Somerville, Fine Young Cannibals und Grace Jones bis hin zu John Lee Hooker und Marvin Gaye und vielem, vielem mehr.

Inwiefern hat dich diese Musik als Produzent beeinflusst?
Definitiv sehr. Ganz gut hören kann man das auf meinem letzten Release. Speziell im Track „Mercurio", der einen industrialesquen Touch hat und mit der Arpeggiatormeldoie ein typisches Element dieser Zeit mitbringt, wie ich finde.

Was die Musik aus den 80ern angeht, so bewegen sich viele der Releases zwischen sehr unterschiedlichen Stilen; oder zumindest Tempi. Es gibt Tracks auf einer Geschwindigkeit von 180 BPM, was quasi an Drum and Bass von der Beatstruktur erinnert, und dann gibt es wieder Tracks, die auf 100 oder weniger BPM aufgenommen wurden, was dann wieder „downbeatig" anmutet. Heutzutage bewegt sich im Clubkontext, meinem Empfinden nach, der Großteil der Musik zwischen 120 und 135 bpm. Was natürlich auch Sinn macht, denn das ist eine gute Tempo-Range, um dazu zu tanzen.

Damit wären wir beim Auflegen, also: die 80er und du, als DJ.
Mich fasziniert diese große Aufbruchsstimmung sehr, die sich in der Musik vernehmen lässt—es gab einfach eine gigantische und maßgebliche Veränderung mit der Einführung der elektronischen Klangerzeuger. Dadurch, dass ich so viel verschiedene Musik höre und mich davon—bewusst oder auch unbewusst—beeinflussen lasse, möchte ich mich eigentlich nicht nur im normal, cluborientierten Spektrum bewegen. Natürlich finde ich es großartig, gute Clubtracks zu produzieren. Aber dadurch, dass ich damit jedes Wochenende konfrontiert bin, brauche auch davon auch mal eine Auszeit und muss andere Wege einschlagen, um mich nicht irgendwann zu langweilen oder eine Art Overkill hervorzurufen.

Was meine DJ Sets angeht, so bekomme ich sicher nicht so oft die Möglichkeit, Musik dieser Art zu spielen. Aber wenn ich ein langes Set, beispielsweise das Ende einer Clubnacht spiele, was dann gerne auch mal zehn Stunden gehen kann, dann finde ich es schon sehr, sehr wichtig, nicht die ganze Zeit lang einfach nur straight durchzuspielen, sondern das Set mit Spannungsbögen zu versehen und dann zwischen durch vielleicht auch mal kurz aus dem normalen Technogefilde zu verschwinden, vielleicht auch mal ein paar Tracks von Nitzer Ebb oder Front 242 zu spielen.

Dystopian steht für ein Fundament aus Dub, Techno und House. Du selbst hast aber auch HipHop oder Die Ärzte gehört. Wie breit gefächert ist dein musikalischer Geschmack?
Also HipHop höre ich heute auch noch immer sehr gerne. Aber irgendwann fand ich viele der Texte, ehrlich gesagt, ziemlich dämlich und beschränkt. Zum einen drehten sie sich inhaltlich immer um die selben Themen, zum anderen waren diese dann oftmals auch ziemlich menschenverachtend. Ab diesem Punkt habe ich irgendwie mehr und mehr auf die Beats geachtet. Eine wirkliche Offenbarung war dann für mich TripHop. Die Musik von Acts wie Portishead oder Massive Attack weiß ich bis heute sehr zu schätzen. Ich werde zum Beispiel nie vergessen, wie ich vor ein paar Jahren mal Portishead in der Zitadelle Spandau live erlebt habe; das war wirklich ein großartiger Moment. Dann habe ich auch irgendwann Bonobo, dessen Alben ich sicherlich mittlerweile alle „mitsingen" kann, und viele andere Ninja Tunes Artists entdeckt.

Ich finde aber auch klassischen Pop sehr gut. Rüfüs aus Australien oder Jungle. Machmal denke ich beim Hören von deren Debüt, dass es, wenn es so eine Bezeichnung überhaupt gibt, perfekte Musik ist, da dieses Album unglaublich ausgewogen und auch wieder großartig produziert ist. Ich habe zum Beispiel auch eine große Sammlung an Italo Disco Platten zu Hause und verehre ja Bobbie Orlando, der für mich gefühlt die Hälfte aller Italo Disco Hits produziert hat. Außerdem habe ich mittlerweile sehr viele Prog Rock und Funk Platten aus Italien, welche so Mitte der 70er erschienen, und versuche mittels Discogs ein bisschen in diesen Musikkosmos einzutauchen. Wie groß der ist! Da gab es zum Beispiel letztens einen Repress von Jay Richford und Gary Stevans absolutem Meisterwerk Feelings—ein Album, welches ich schon als eine Art heiligen Gral der italienischen Funkmusik bezeichnen würde.

Wie sieht dein Plattenschrank dann aus?
Meine Plattensammlung habe ich nicht wirklich sortiert, lediglich in zwei Sektionen unterteilt. In der einen finden sich die ganzen EPs—zum Großteil Techno und House—und in der anderen die LPs. Ich habe jetzt einfach mal zehn Stück, die nebeneinander standen herausgezogen. Als erstes kommt da Steve Reich mit seinem genialem Music For 18 Musicians. Dann Andy Stotts Meisterwerk Luxury Problems—als dieses Album erschien, hat es mich wirklich sehr bewegt. Daneben steht dann ein Album der kalifornischen Goth Rock Band Chelsea Wolfe mit dem Titel Apokalypsis—meiner Meinung nach deren stärkstes Album. Dann kommt das zeitlose Ege Bamyasi von Can, gefolgt von einem eher skurrilen Release des Interpreten Owen Maercks mit dem Titel Teenage Sex Therapist, welches ursprünglich 1978 erschien und das ich am ehesten noch als eine Art Proto-Indie-Rock bezeichnen würde. Daneben steht dann The Who's Klassiker Who Are You. Nun kommt eine Soul & Jazz Platte des Afrikanischen Musikers Dick Khoza: Chapita. Weiter: die brillante türkischen New Wave-Formation She Past Away und ihr Debüt Belirdi Gece. Dann kommt ein eher experimentelles Pop-Album der Formation Low Roar; die LP hat den gleichen Titel. Und zum Schluss ein Album, das ich auch wirklich sehr sehr oft gehört habe, von der Formation The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble: From The Stairwell.

Oha. Allerhand. Über die „legendären" 80er in Berlin war in den letzten Jahren viel zu lesen. Wie würdest du gerne die jetzige Szene und Zeit, deren Teil du bist, einmal erinnert sehen?
Als eine tolerante und weltoffene Szene.

Depeche Mode finden sich nicht in deiner 80er-Highlight-Liste, dabei haben sie allerdings elektronische Massenmusik vorweggenommen, schon in damals weltweit Stadien mit dunklen Synthiesounds gefüllt und gelten bis heute als kredibil. Wie siehst du die Band?
Ich finde Depeche Mode wirklich großartig. Was mich sehr fasziniert hat, ist, wie sehr man doch die unterschiedlichen Lebensabschnitte der Band aus deren LPs heraushört. A Broken Frame—eines meiner Lieblingsalben von DM—ist super poppig und dann 15 Jahre und einen Heroinenzug später kommt Ultra, ein Album, das ich unglaublich dark und drückend finde. Das ist eine entscheidende und große Fähigkeit eines Musikers; die aktuelle Gefühlslage und Verfassung mit in den eigenen Werken einzubinden.

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Guerre Froide - Demain Berlin

[Stechak; 1981]

Eine super seltene Platte und ein wahres Meisterwerk. Der Sänger Yves Royer singt auf Französisch, Englisch und Deutsch davon, dass er seine große Liebe in Berchtesgaden getroffen hatte, und dass dies so passieren musste. Außerdem ist er von Kopf bis Fuß „auf Liebe eingestellt" und nach anfänglichen Schwierigkeiten mit seiner feschen Lola, die erstmal kalt wie ein Eisberg war, ist beiden klar, dass sie sich in den Ruinen Berlins wieder treffen werden.

Der Track wird von einem simplen elektronischem Drumming und einen ebenfalls sehr simplen Synthloop begleitet und gipfelt in dem Höhepunkt, bei dem das Tempo angezogen wird und der Gitarrist sich austobt, ein Moment, der für mich vom Punk durchzogen ist und mir jedes mal eine Gänsehaut beschert.

Moloko+ - Falling Apart

[Self released; 1986]

Es fiel mir schwer, ein Lied aus jenem Album auszuwählen, welches mir ohnehin am besten gefällt. Also habe ich auf meinem iPod geguckt, welcher der Tracks die höchste Wiedergabezahl hatte—und das war dieser. Jedoch finde ich wirklich das ganze Album unglaublich brilliant. Thematisch bewegt es sich zwischen New Wave & Post Punk und klingt für mich dann irgendwie doch ganz eigen. Die Gitarrenriffs sind eingängig und einfach toll und wie mit den Synthesizer gearbeitet wird, gefällt mir sehr gut. Ich fand immer, dass das Drumming sehr abwechslungsreich war und kein einfacher vier viertel Drummachine Loop ist. Und gerade bei „Falling Apart" finde ich, dass die Synthesizer eine wundervolle Symbiose mit den Gitarren und dem Gesang bilden.

Eleven Pond - Moving Nowhere

[Game Hen Records; 1986]

Ich kann nicht genau sagen, wie oft ich dieses Album gehört habe, aber die Platte hat mittlerweile auf jeden Fall schon einiges erlebt. Ein wirklich großartiges Album, das mich schon durch viele, viele Momente meines Lebens begleitet hat. Und ich liebe den Gesang von Jeff Gallea. Bei „Moving Nowhere" beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue der Breakdown in der Mitte des Tracks und wie die Musiker es dann wieder aufbauen und entladen. Es werden behutsam neue Elemente hinzugefügt, dann setzt der Refrain wieder ein. Ein moment, den ich nach wie vor unglaublich mag.

Pink Turns Blue - After All

[Fun Factory!; 1987]

Eine unglaublich Band aus Deutschland, von der ich die ersten beiden Alben sicher mitsingen kann. „After All" ist eines meiner Lieblingslieder vom ersten Album und transportiert für mich ein super starkes Gefühl. Ich verehre die Gitarrenriffs.

Sad Lovers & Giants - Things We Never Did

[Last Movement; 1981]

Ein absoluter Klassiker und ein Song, der unter die Haut geht. Jedes mal bin ich beeindruckt von der Dramaturgie und finde, dass hier sehr viel Platz für die eigene Vorstellungskraft gelassen wird und dass selbst das exotische Saxophon perfekt eingearbeitet ist—ein Song den ich wohl immer wieder hören kann.

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