Die 33 (bislang) besten Tracks des Jahres
Avery Scott

FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Die 33 (bislang) besten Tracks des Jahres

Liebe und Hass, Partyhymnen und Knochenbrecher—die Redaktion zieht eine erste Bilanz.

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

Anzeige

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Anzeige

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Anzeige

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

Anzeige

DJ Haram - „Birds of Paradise"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Anzeige

Justin Cudmore - „Crystal"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Anzeige

Legowelt - „Sampling Winter"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Anzeige

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Anzeige

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Anzeige

Nkisi - „Mokonzi"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Anzeige

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Anzeige

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Anzeige

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Anzeige

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Ist EDM tot? Und Tech-House auch? Welche Relevanz haben House und Techno noch? In 2016, diesem gerade erst zur Hälfte durchgebrachten und weltgeschichtlich wiedermal sehr beängstigenden Jahr, wurde bereits viel über die Zukunft der elektronischen Musik debattiert. Egal, wo du hinblickst, die Koordinaten verschieben sich gerade. Und das fordert die Produzentinnen dieser Welt natürlich heraus. Aus der Flut aller bisherigen Veröffentlichungen: Hier kommt ein Panorama der Auseinandersetzung: die unserer Meinung nach 33 besten elektronischen Songs des ersten Halbjahres 2016:

ANOHNI - „Watch Me"

Erst die Hälfte des Jahres ist vorbei, doch es wird wahrscheinlich kein Album mehr kommen, das politisch aufgeladener und eindringlicher ist als ANHONIs Debüt-LP HOPELESSNESS, auf dem die Sängerin ihre Hörer mit den größten Verfehlungen der Menschheit konfrontiert. Auf den bombastischen Punch von „Drone Bomb Me" und „4 Degrees" folgt „Watch Me", in der zu einer anschwellenden, metallischen Produktion von Hudson Mohawke und Oneothrix Point Never die Überwachung durch Regierung und Konzerne thematisiert wird. Die ekstatischen Schreie, die den Refrain so unvergesslich machen—„Daddy! Daddy!"—sind vielleicht mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber an der Orwell-ähnlichen Message des Songs ist nichts witzig.—Max Mertens

Avalon Emerson - „The Frontier"

Von San Francisco hat es die Produzentin, DJ und im Zweitberuf Programmiererin Avalon Emerson vor einiger Zeit nach Berlin verschlagen. Den rauen luftigen Charme ihrer zwischen Techno und House changierenden Produktionen hat sie hier noch weiter verfeinert und mittlerweile klingt es so, als würde Avalon direkt am offenen Herzen von Techno operieren. „The Frontier" ist eine Meditation über ihre Kindheit in Arizona, USA. Das unglaublich feierliche Synthiemotiv fängt diese Melancholie wunderbar ein, auch wenn Arizona ein bisschen nach Auenland klingt. Der unnachgiebig pulsierende Beat schickt den Track dann aber auf die Landstraße, wo auch das schlichte und doch gerade deshalb ikonische Video zu „The Frontier" entstand. So simpel, so groß.—Thomas Vorreyer

Buz Ludzha - „Basslines For Life"

Mit dem ungestümen „Basslines For Life" zementiert Buz Ludzha—hinter dem der irische Produzent Andrew Morrison steckt, der auch als The Cyclist bekannt ist—seinen Platz in der Riege jener Produzenten verzerrten Technos, die sich auf wie Labels 1080p und 100% Silk zusammengefunden haben. Der Track ist nach außen hin so triumphal wie etwas, das so offensichtlich lo-fi ist, es nunmal sein kann, während er unter den verschmelzenden Synthesizern und dreckigen Drums ein Verlangen nach etwas noch Größerem heraufbeschwört; wie ein verblassendes Foto des besten Sommers, den du nie hattest.—Angus Harrison

Carla dal Forno - „Fast Moving Cars"

Carla dal Forno, die auch Mitglied der Blackest-Ever-Black-Acts F ingers und Tarcar ist, hat dieses Jahr mit der nebulösen Single „Fast Moving Cars" ihr Solo-Debüt gefeiert. Eine eisige Bassline verleiht dem Track eine kühle Atmosphäre, die Worte der Berliner Künstlerin schaffen es kaum durch einen Nebel aus Reverb (das Video des Tracks wurde hilfreicherweise untertitelt). Die Verzerrung ist angemessen für einen Song, in dem es darum geht, mehr im alltäglichen Leben zu finden und in dem Dal Forno klagt: „I wanna know what else there can be." Aber kannst du das jemals wirklich wissen?—Anna Codrea-Rado

Dawn Richard - „Honest"

„Honest" ist ein R'n'B-Track, der auf clubtaugliche Geschwindigkeit gebracht wurde und einige von Dawn Richards bislang wunderbar verdrehtesten Impulse bietet, gleichzeitig jedoch ihr Geschick für einfache, schneidige Refrains zeigt. Während sie ausdruckslos „I'm over you /I'm not over you" singt, geht es zum Beispiel einfach um ein gebrochenes Herz. Dieser Song wäre wahrscheinlich eine echte Schnulze, wenn er dich nicht so zum Staunen bringen würde.—Isobel Beech

Elysia Crampton, Chino Amobi, Why Be - „Dummy Track"

In einem Statement zu ihrem neuen Album Demon City erklärt die bolivisch-amerikanische Komponistin Elysia Crampton, dass dieses durch „einen anhaltenden Prozess des Gemeinsam-Werdens" charakterisiert wird, was auf eine besonders kollaborative Form des Daseins in der Welt schließen lässt. Dazu passt, dass die Leadsingle „Dummy Track" zusammen mit zwei anderen Künstlern produziert wurde—Richmonds Chino Amobi und Kopenhagens Why Be. Sie vermittelt mit ihren dialoghaften Arrangements harmoniereicher Percussion, dem aggressiv schreitenden Bass und einem beharrlich dämonischen Lachen einen starken Sinn für eine gemeinschaftliche produktive Kraft. Das Vorgehen hat eine düstere, verstörte Seite—was zu einem Album passt, dessen Titel auch in einem Psycho-Thriller laufen könnte.—Alexander Iadarola

Four Tet, Champion - „Disparate"

Der UK-Funky-Vorreiter Champion hat sich das erste Mal 2013 mit Kieran Hebden für einen Remix von Four Tets polternder Hommage an Piratenradio, „Kool FM", zusammengetan. Aber „Disparate" von einer 12"-Single auf Hebdens Label Text, strebt nach bisher unerforschten Bereichen, indem es die sonnigen Strecken mit den außergewöhnlichen Charakteristika vieler neuerer Arbeiten von Hebden kombiniert—inklusive Vogelgezwitscher—sowie den schwerfälligen Bassdrum-Bomben, die Champions Markenzeichen geworden sind. Herzlich irdisch und gleichzeitig eiskalt außerweltlich ist es ein Beweis für die merkwürdig produktive Alchemie, die entstehen kann, wenn du zwei Produzenten mit so, ähm, ungleichen Interessen in den gleichen Raum sperrst.—Colin Joyce

DJ Haram - „Birds of Paradise"

DJ Harams beste Produktionen sind Studien der Balance—und „Birds of Paradise" ist ihr bislang beängstigendster Hochseilakt. Mit Jersey-Clubrhythmen und einer Konstruktion aus aufgeregten Samples, blechernen Hörnern und klappernden Tamburins erschafft sie die Bedrohung, dass die Platte zu jeder Zeit in chaotische Dunkelheit abdriften und zu einer Seite des Hochseils kippen könnte. Doch auf wundersame Weise schafft sie es, dass es nicht kippt, hält die Balance und am wichtigsten, grinst dem Schaudern ins Gesicht. Trotzdem willst du nicht nach unten sehen.—Colin Joyce

Hundred Waters - „Show Me Love (Skrillex Remix)"

Der Indiepop-Act Hundred Waters aus Florida passte nie sonderlich in das überwiegend bombastische Roster des Labels OWSLA, doch ein Remix ihres Labelbosses Skrillex hat die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gestellt: Freude. Dieser Track, der denselben Titel wie ein anderer ekstatischer Klassiker trägt, macht die schwerelosen Harmonien von Hundred-Waters-Sängerin Nicole Miglis zu einem Dancefloor-Killer. Dann kommen Skrillex und Chance the Rapper wie Kinder mit Vergrößerungsgläsern und wandeln die Ambient-Energie in schneidende, ultraleichte Strahlen um. Versuch bloß nicht zu lachen.—Colin Joyce

James K - „Sokit to Me Baby"

Manchmal kannst du dich nicht so richtig ausdrücken. Das ist das leitende Produktionsprinzip auf James Ks grandiosem „Sokit to Me Baby", einer ausgedehnten Sammlung von Synthie-Atmosphäre und kaum vernehmbarem Gesang, der zunächst letztes Jahr als digitale Single auf UNO erschien. Der Song ist in etwas geschliffnerer und ausgedehnterer Form auf ihrem Debüt-Album PET zu hören, das nach einer Zeit, die von persönlichen Problemen bestimmt war, endlich erschienen ist. Sie hat die Platte als „eine Flucht ins Ätherische" bezeichnet, die während dieser Zeit stattfand, und zu diesem Zweck plädiert „Sokit" kraftvoll für die eigene Abstraktion. Ihrem Gesang werden trotz der Niedergeschlagenheit durch elektronische Bearbeitung jegliche Besonderheiten genommen und in eine Decke aus zarten Synthie-Linien gehüllt. Es ist OK, dass du sie nicht wirklich verstehen kannst; die Unschärfe bietet Sicherheit.—Colin Joyce

Justin Cudmore - „Crystal"

Justin Cudmores „Crystal", die neueste Veröffentlichung auf Honey Soundsystems eigenem Label, bietet einen beeindruckenden Einblick, worum es bei dem Kollektiv aus San Francisco geht: Spielerische Neuinterpretationen von Charakteristika aus der Vergangenheit des Raves. Manchen gefällt Mike Servitos grinsender Remix oder die abstrakte Version des Tracks von Gunnar Haslam vielleicht besser, die auch auf der 12" zu finden sind. Aber das wunderbar ekelhafte Original ist bereits eine unbeschwerte Dosis Acid und voll von aufgeregten 303er-Linien und einem Sample von Crystal LaBeijas berühmten Zeilen aus der Drag-Doku The Queen: „She doesn't equal me." Und das schaffen wohl nur wenige.—Colin Joyce

Kablam - „Crisis"

Dieser Track klingt wie eine Massenorgie von Aliens, nur dass diese aus Metall bestehen, eigentlich Kettenpanzer auf zwei oder drei Beinen sind und gerade zu Tausenden in deine Stadt einmarschieren. Krieg der Welten in irgendwie sexy also. Während uns Amnesia Scanner im März ihr AS um den Latz geknallt haben und wir sehnsüchtig auf das Lotic-Album warten, schiebt Kablam in der Zwischenzeit die Messlatte für dekonstruktivistische Clubmusik weit nach oben. Und „Crisis" ist dabei der Höhepunkt ihrer Furiosa EP. In dieser Musik wird alles Alte, jede Norm und jeder Knochen zerfetzt.—Thomas Vorreyer

Kaytranada - „Glowed Up" (feat. Anderson .Paak)

Sobald das Thermometer in die Höhe geht, beginnen auch die alljährlichen Diskussionen darüber, welcher Track von 2016 die komplett willkürliche Auszeichnung als „Sommerhit" verdient. Rihanna und Drakes „Work"? Beyoncés „Hold Up"? Oder das Zirpen von Vögeln oder Insekten? Meiner Meinung nach ist es Kaytranadas „Glowed Up"; ein lebhaftes Highlight aus dem sehnlichst erwarteten Debütalbum des Produzenten aus Montreal mit dem Titel 99.9%. Die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Rapper Anderson .Paak aus L.A.—der Anfang des Jahres die sonnige Malibu LP herausgebracht hat—ist es eine ausgesprochen erfolgreiche Paarung mit schimmernden Synthies, Dilla-beeinflussten Drums und einem Beatwechsel in der Mitte des Songs, der wie eine kühle, sommerliche Brise vorüber zieht.—Max Mertens

Legowelt - „Sampling Winter"

Manchmal scheint es so, als könnte dieser Mann namens Danny Wolfers nichts falsch machen. Nach fünf Legowelt 12"s 2015, einer 2016 und bereits einer Doppel-LP unter dem Namen Ufocus in diesem Jahr liefert der beschäftigteste Mann in der Welt des Acid getauchten, super nebulösen, abgefuckten Avant House ein finster melodisches Meisterwerk ab. Der niederländische Produzent hat auf einer weiteren Single, die er dieses Jahr, veröffentlicht hat, Kidnapping durch Außerirdische erforscht, doch „Sampling Winter" ist der Klang, von Aliens entführt zu werden, die auf alte I-F-Platten stehen. Beam uns hoch!—Josh Baine

Lindstrøm - „Closing Shot"

Hans-Peter Lindstrøm und seine kanadischen Kollegen wie Prins Thomas und Todd Terje wurden in den letzten Jahren von Zeit zu Zeit als „Space Disco" gelabelt. Ich denke nicht, dass der Grund dafür ist, dass ihre Musik schwerelos oder himmlisch klingt (auch wenn sie es kann); es ist, weil ihre Tracks nach Raketentreibstoff stinken. Lindstrøms neueste interstellare Emission „Closing Shot" bietet acht aufgewühlte, sprunghafte Minuten reiner Schubkraft. Schimmernde Synthie-Arpeggios reagieren mit tuckernden Percussions und massiven, dumpfen Bassdrum-Schlägen und das alles ohne das Momentum zu verlieren, das alles am Rande davon etwas wunderschön verschwommen macht. Bitte nicht rauchen an Bord; das Ganze ist hochentzündlich.—Colin Joyce

Mall Grab - „Down"

Seb Wildbloods kleines Label Church hat mit der Veröffentlichung der Sun Ra 12" des jungen australischen Produzenten Mall Grab im Winter einen Glückstreffer gelandet. In den vier Monaten seit der Veröffentlichung ist der 22-Jährige zum Gesprächsthema der House-Welt geworden und hat zwei weitere EPs veröffentlicht sowie ein selbst für Boiler-Room-Verhältnisse raues Set gespielt. „Down"—ein Track von Sun Ra—ist die schlüssige Erklärung seines rasanten Aufstiegs. Wie bei vielen seiner bisherigen Outputs gibt es nicht unbedingt viele bewegliche Teile, dadurch zeigt sich aber die unerklärliche Reife seiner Produktion. Fünf zentrale Piano-Anschläge rasen zu knackigen Hi-Hats und einer sanften Drum-Linie. Doch dann, wenn du es am wenigsten erwartest, kommt ein nebliges HipHop-Sample dazu und erschafft eine Graswolke, die beinahe aus deinen Kopfhörern strömt. Hey, jeder muss von Zeit zu Zeit etwas Dampf ablassen.—David Garber

DJ Marfox - „2685"

Er ist erst 27 Jahre alt, doch mit seiner sechs Tracks umfassenden EP Chapa Quente jongliert der batida-Produzent DJ Marfox wie ein alter Hase mit verschiedenen regionalen und internationalen Sounds. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als fünf Minuten erlaubt dir der darauf herausstechende Track „2685" mit seiner wirbelnden Flötenmelodie und den schallenden Party-Drums nicht ein einziges Mal, Luft zu holen. „Das ist Musik, die nur hier entstehen kann", so der Produzent gegenüber THUMP, womit er sich auf die portugiesische Natur von batida bezieht. Mit einem Track, der so merkwürdig spannungsgeladen ist wie „2685", hat er wahrscheinlich recht.—Max Mertens

Mija & Vindata - „Better"

In den letzten fünf Jahren hat DJ und Produzentin Mija sich als ziemlich wandelbar präsentiert. Ihre Zusammenarbeit von Anfang 2016 mit ihren OWSLA-Labelmates Vindata ist da keine Ausnahme: Sie schleust eine flötenähnliche Synthie-Linie ein, ein schnelles Bassdrum-Muster und sogar ein Gesangssample aus einem Happy-Hardcore-Klassiker. Damit demonstriert sie ihre Fähigkeit, von einem Stil zum anderen zu springen, während sie das spielerische Schmunzeln beibehält, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Es ist ein Track, der allen Produzenten, die in einer Post-EDM-Landschaft agieren, das weitere Vorgehen demonstriert: Versucht, alles gleichzeitig zu sein.—Colin Joyce

Mr. Fingers - „Qwazars"

Auch wenn der Titel auf interstellare Wissenschaft hindeutet, fühlt sich Larry Heards „Qwazars" eher wie Zauberei an. Mit denselben, kaum zu vernehmenden Bassdrum-Kicks und wabernden Synthies, die er seit Jahrzehnten verwendet—und die so viele andere Produzenten seither versucht haben, sich zu eigen zu machen—schafft er es, das naive Staunen eines Kindes, das zufällig David Blaine auf der Straße trifft, in dir zu erwecken. Nur dass es hier keinen Trick gibt: Heards wunderbar beherrschte Bemühungen sind wie die eines weisen Alchimisten, der ein altes Elixir entdeckt. Nach fast einem Jahrzehnt scheint es so, als wäre der Mitbegründer des Chicago House zu seiner Mr. Fingers-Inkarnation zurückgekehrt, um zu entdecken, dass sie immer noch Magie inne hat.—Colin Joyce

Nkisi - „Mokonzi"

Nkisis Soundcloud-Track „Mokonzi" geht direkt nach vorne, du bist sofort mittendrin. Die Mitbegründerin des NON-Kollektivs nimmt sich ab dem ersten Takt dem Sci-Fi-Getrommel von Techno und den aggressivsten Ecken elektronischer Musik an und schafft es, diese kompromisslose Intensität die gesamten dreieinhalb Minuten des Tracks aufrechtzuerhalten. Wie bei den meisten Tracks, die unter dem Label NON erscheinen—dessen erklärtes Ziel es ist „die sichtbaren und unsichtbaren Strukturen auszudrücken, die die Gesellschaft spalten, und im Gegenzug Kraft zu verbreiten"—hat dieser Track etwas grundsätzlich Politisches. Oder zumindest fühlt er sich berechtigterweise rastlos, unzufrieden und—vielleicht am wichtigsten—dringlich an.—Oliver Kinkel

Omar-S - „On Your Way"

Jedes Album von Omar-S hat seinen Anteil herzerweichenden Detroit Deep House und auf The Best ist mit „On Your Way" einer der besten Tracks des Produzenten aus der Autostadt zu finden. Der „Alles-wird-gut"-Text von Divinity ist ein wenig direkter, als wir es von Omar gewöhnt sind, aber es ist schön zu sehen, dass er eine gesunde Portion Schmalz zu schätzen weiß. Und auch wenn er das mit einem klinisch präzisen Mix und Drums, die sauberer als ein OP sind, ausbalanciert, ist der Erfolg hier die Lockerheit, die uns daran erinnert, dass selbst ein rätselhafter Typ wie Omar eine sanfte Seite hat.—David Garber

Palmistry - „Club Aso"

Als ich vor ein paar Jahren für eine Story nach London reiste, habe ich einen langen Nachmittag mit Benjy Keating in einem Park in Covent Garden geplaudert. Damals war er hauptsächlich als der geheimnisvolle Produzent hinter dem auf kantonesisch-rappenden Hippos-und-Tanks-Rätsel Triad God bekannt. Ich erwartete, dass er ein Weirdo ist, wurde dann aber davon überrascht, wie sanft er sprach und wie höflich er war—so wie es Amerikaner von Briten erwarten, nur wahrscheinlich noch höflicher.

Da passt es, dass die Songs, die er in den letzten paar Jahren unter dem Namen Palmistry veröffentlicht hat, eine denkwürdige Sanftheit haben—mit warmem, leichten Synthie-Touch, weichem Gesang und ein paar melancholischen Schüben. Viele werden „Club Aso"—einen Song von seiner Debütplatte PAGAN—als ein weiteres Beispiel für seine „Digital Dancehall"-Ästhetik feiern oder kritisieren, für mich fasst es aber einfach zusammen, wie er den schwer zu erreichenden, idealen Punkt als Songwriter trifft: Catchy genug, um mit den Top-40-Radioklängen mitzuhalten, aber so sehr gemäßigt, dass es beinahe einem Flüstern gleicht.—Emilie Friedlander

DJ Rashad, DJ Spinn, Taso - „Roll Up That Loud"

Es ist immer noch beinahe unmöglich, nicht in Trauer zu verfallen, wenn der Gedanke an den Tod von Footwork-Ikone DJ Rashad vor zwei Jahren kommt, und das ekstatische „Roll Up That Loud" fasst perfekt zusammen wieso. Die Kollaboration zwischen Rashad, DJ Spinn und Taso ist der freudigste Moment auf Afterlife—der ersten Veröffentlichung des Labels Teklife—einer posthumen Sammlung, die das Leben und das Erbe der viel zu früh von uns gegangenen Legende zelebrieren soll. Sie ist rau und frenetisch, destruktiv und empfindlich und eine anhaltende Erinnerung daran, dass manche Dinge nie sterben.—Angus Harrison

The Rhythm Method - „Party Politics"

Seit Jahren ziehen du und die Freunde, die du nicht einmal sonderlich magst, jeden Freitagabend zu irgendwelchen Partys, von denen du weißt, dass sie schrecklich werden, nur weil es etwas merkwürdig Reines und Ehrliches und beinahe Transzendentales hat, dass du die Leute dort noch mehr verabscheust. Kennst du? Tja, „Party Politics" bietet den Soundtrack zu all diesen Freitagen in einer besoffenen und glückseligen Traumsequenz—eine die nie zu Ende gehen soll.

Es ist das witzige, ehrliche und überaus Singalong-freudige Resultat davon, was passiert, wenn die derzeit beste Band Großbritanniens beschließt, Prefab Sprouts perfekten Mondeo Pop mit Piano House zu vermischen. Wenn dieser Refrain nicht in deinem Kopf bleibt, dann hast du dieses Jahr bis jetzt die falsche Musik gehört.—Josh Baines

Rihanna - „Work (Murlo Remix)"

Es brauchte zwei Anläufe für ein Musikvideo, um die grenzenlose Energie von Rihannas „Work" einzufangen, doch Murlos inoffizieller Remix erschafft mit seinem Klang eine gleichermaßen fesselnde Optik. Die unruhige, videospielartige Synthie-Atmosphäre dieses Remixes des Produzenten aus Brighton ist wie eine rotoskopierte Version des Originaltracks, eine hyperrealistische Fantasie direkt aus Linklaters A Scanner Darkly-Adaption oder den weniger fantasievollen Ecken von Deviantart. Er ist kühn, schrill und ein wenig unheimlich, genau wie Bootleg-Kunst von Fans es sein sollte.—Oliver Kinkel

Robert Hood - „Magnet"

Anfang des Jahres hat Robert Hood zusammen mit seiner Tochter Lyric als Floorplan „Tell You No Lie" veröffentlicht; eine ausgelassene, tobende Disco-House-Platte, die sich anfühlte, als würdest du nach der besten Pille, die du je genommen hast, von Gott angelächelt. Nach ein paar Monaten hat er allerdings beschlossen, uns mit auf die dunkle Seite zu nehmen. Mit „Magnet", das auf Dekmantels Label erschienen ist, macht Hood das, was er am besten kann: simplen, gnadenlos effektiven, klirrenden Techno, der nicht von dieser Welt klingt. Es ist das verschwitzte Club-Pendant zur Fordschen Fließbandproduktion.—Josh Baines

Skepta - „Lyrics" (feat. Novelist)

Wirklich jeder ist letztes Jahr auf „Shutdown" abgegangen, doch Skeptas heiß ersehntes viertes Album Konnichiwa hat bewiesen, dass der altgediente britische MC noch einige Asse im Ärmel hat. Einer der weniger beachteten—und sicherlich besten—Tracks war „Lyrics", eine kompromisslose Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden 19-jährigen Grime MC und Produzenten Novelist über einen zuckenden digitalen Rhythmus. Das Intro bilden berühmte Worte von Wiley, die aus einem bekannten Zusammenstoß zweier rivalisierender UK Garage Crews aus dem Jahr 2001 stammen. Anschließend zeigt Skepta sein größtes Talent: Die Fähigkeit, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, während er ein Auge auf die Zukunft hat.—Max Mertens

Studio OST - „Bent Light"

Das Projekt von Galcher Lustwerk und Alvin Aronson ist genauso Soundtrack-mäßig wie der Titel andeutet, doch das Duo scheint weniger daran interessiert, echte Filme zu untermalen, als die „Härte" unserer „Sci-Fi"-Gegenwart zu abzumildern. „Bent Light", einer der ruhigeren Momente der LP, erweist sich in dieser Hinsicht sicherlich als hilfreich. Mit dem sanften Tuckern einiger Drumcomputer-Rhythmen und dem zarten Nebel ihrer E-Piano-Arbeiten ist es perfekt dazu geeignet, dich an einem schlechten Tag aufzumuntern. Selbst wenn du dich—wie Lustwerk und Aronson—von der überwältigenden Hast New Yorks umgeben siehst, kann „Bent Light" auf dem Kopfhörer dir das Gefühl geben, als würdest du über dem Müll und Dreck schweben.—Colin Joyce

Tami T - „Despicable"

Tami T sitzt in Berlin und schreibt seit ein zwei Jahren die vielleicht besten Electro-Pop-Song unserer Zeit. So richtig hat das außerhalb eines kleinen Kreises aber noch niemand mitbekommen. Auf den Liebeshit „I Never Loved This Hard This Fast Before" folgte mit „Despicable" eine bitterböse Abrechnung mit einem Idioten von Ex. Der schönste, zuckersüß vorgetragene Diss kommt gleich zu Beginn: „If my cancer grows I will name it after you." Autsch. So pointiert die Zeilen sind, so eingängig ist die Musik. Und wenn alles vorbei ist, fängt das Leben ja bekanntlich erst an. Ich bin frisch verliebt.—Thomas Vorreyer

Tiga - „Planet E (Dense & Pika remix)"

Tigas Originalversion von „Planet E" ist voller Frohsinn, wie Oden an Ecstasy es so oft sind. Die kanadische Techno-Größe eröffnet den Track mit einem passenden Refrain—„With the joy that I'm feeling/I'm on Planet E"—das britische Duo Dense & Pika hat bei seiner Überarbeitung allerdings sichergestellt, dass die Sonne nicht mehr scheint. Ihr Industrial-Remix ist frisch aber kompromisslos roh, doppelt so lang und doppelt so bissig. Das synkopierte Synthie-Muster wird wie die langsame Folter auf einer Streckbank immer lauter und verzerrter und bildet den perfekten Gegenpart zu den riesigen, Unheil verkündenden und dröhnenden Bassdrums. Es ist wie die Rückreise von dem Planet, den Tiga im Original entwirft. Das Runterkommen kann auch Spaß machen.—Oliver Kinkel

Traumprinz - „2 the Sky (Metatron's What If There's No End And No Beginning Mix)"

Falls es—anders als der Titel des Remixes andeutet—so etwas wie das „Ende" gibt, dann ist diese kühle Briese eines Remixs genau das, was wir an den Toren des Rave-Himmels gerne hören würden. Mit seinem Alter-Ego Metatron bringt der mysteriöse deutsche Produzent Traumprinz Erinnerungen an die heiligsten Genres des Dancefloors zurück: Trance, House und Breakbeat Hardcore. Durch die Wiederholung eines etwas unlogischen Refrains—„Back into the sky"—wird der Track mit der Zeit immer feierlicher und erreicht seinen Gipfel mit einer himmlischen Piano-Improvisation über einen dezenten Break, der eine Art Handschlagzeug beinhaltet. Er dauert elf Minuten, du willst ihn allerdings bis in alle Ewigkeit hören wollen.—Oliver Kinkel

Umfang - „Aaaaaaa"

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Die Produktionen von Emma Burgess-Olson haben einen besonders schwerelosen Ansatz an typische Techno-Charakteristika herausgearbeitet, doch ihre neueste Veröffentlichung als UMFANG—die Teil einer Vierfach-Split für das Experimental-Label Phinery ist—hat ihr die Möglichkeit gegeben, noch abgefahrener als sonst zu Werke zu gehen. Das albern betitelte „Aaaaaaa" ist das beste Beispiel: eine langsame Ansammlung von Acid-Platschern, stotternde Snares und schwache Drones, der langsam in Richtung Dancefloor schleicht und sich zur Kante wagt, bevor er wieder zurückweicht—vielleicht eine Erinnerung daran, dass außerhalb der Gruft-ähnlichen Beschränkungen des Clubs noch Welten existieren.—Colin Joyce

Wench - „Sick"

Du weißt vielleicht, dass Arca als Produzent in der HipHop-Welt am bekanntesten wurde, doch Wench—eigentlich ein Rap-Projekt mit Hood By Airs Shayne Oliver, der sowohl Gesang als auch Produktion beisteuert—erinnert daran, dass er am besten ist, wenn er seinen merkwürdigsten Impulsen folgt. Das Duo strebt in „Sick" nach dem Himmlischen und erschafft Klänge, die so aufsteigend und heilig sind, wie in der westlichen Musik nur möglich, mit massiven Kirchenorgeln oder den schimmerndsten Cocteau-Twins-Gitarren. Währenddessen legt Shayne mit seinem Bibelvers los („Repent, repent / Being with him is a sin"), damit es runtergeht wie Weihwasser. Huldige Yeezus, Arca ist zurück im Rap, dieses Mal macht er allerdings keine Beats; er schreibt Hymnen.—Colin Joyce

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.