Die hohe Kunst des B2B-Sets
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Back to Back

Die hohe Kunst des B2B-Sets

Bicep, Hodge, Tessela, Krystal Klear und Gramrcy haben uns erklärt, was ein gutes Zusammenspiel ausmacht.

Wenn es richtig gemacht wird, sich zwei gleichgesinnte DJs zusammentun, die Umgebung stimmt und eine aufnahmefähige, neugierige Crowd vor dem Pult wartet, dann hat ein Back-to-Back-Set das Potenzial, uns in Sphären jenseits dessen zu befördern, was den jeweiligen DJs Solo möglich ist. Genau wie Sparring-Partner müssen sich beide ständig herausfordern und gegenseitig bei Laune halten, wodurch aus ihren zwei unterschiedlichen musikalischen Visionen, etwas komplett Neues entstehen kann.

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Aber das ist noch mehr. Wenn du deine Clubabende mit einer ähnlichen Sparfuchsigkeit angehst, wie deinen Supermarktbesuch, dann sind Back-to-Back Sets ein unglaubliches Schnäppchen. Du dachtest, ein DJ sei gut? Warum versuchst du es nicht mal mit zwei zum gleichen Preis? Oder noch besser, wie wär's mit drei? Nein, scheiß drauf, nehmen wir doch gleich vier! Nur: Im Gegensatz zu Nutella-Gläsern steigt der Wert eines Acts nicht exponentiell mit der Zahl der beteiligten Menschen. (Wäre das der Fall, wären Dimitri Vegas und Like Mike vielleicht sogar wirklich die besten DJs der Welt.)

B2B-Sets sind in letzter Zeit zu einem recht normalen Feature im Nachtleben geworden. In einem Klima, in dem der Fokus immer mehr auf Festivals und große Namen gesetzt wird, sind die Line-Ups nicht selten buchstäblich mit Künstlern vollgestopft, die dementsprechend kurze Sets spielen müssen. Wäre man zynisch, würde man das B2B schnell als bequeme Möglichkeit verschreien, noch einmal mehr Kapital aus dem Ticketpreis zu schlagen—und augenscheinlich ist das auch hier und da mal tatsächlich der Fall. Die Sache aber einfach als billigen Partytrick abzutun, würde eine Praxis völlig unrechtmäßig diskreditieren, die Tanzflächen ernsthaft zum Kochen bringen kann—und das auch immer wieder tut.

Um diese Darbietungsform etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und wie sie von verschiedenen DJs im Vergleich zu ihren Solo-Sets angegangen wird, hat sich THUMP mit einer ganzen Reihe von Künstlern in Kontakt gesetzt, um ein wenig über die hohe Kunst des Back to Back lernen. Mit dabei waren Matt McBriar, die eine Hälfte des Belfaster Duos Bicep, Hodge, Tessela und Gramrcy—drei Namen aus der Bristol-Szene, deren Wege sich immer wieder kreuzen—und zu guter Letzt: Krystal Klear, der letztes Silvester ein Back to Back mit Gerd Janson spielte.

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Matt, Bicep: Wir planen kaum irgendetwas vor einem Set. Die Kommunikation währenddessen ist am allerwichtigsten. Zuerst einmal musst du den Floor richtig lesen, sich dann ein wenig austauschen und Phasen planen, die sich kohärent anfühlen. Wir einigen uns zum Beispiel darauf, den Schwerpunkt erst mal auf „UK Bass" zu setzen oder für eine gewisse Zeit mehr „synthylastig" zu spielen. Davon ausgehend, lassen wir das Set sich weiter entfalten. Wir spielen eigentlich immer am besten, wenn wir beide 80 Prozent des Materials kennen und gut wissen, welche Tracks dazu passen. Ein paar herausfordernde Songs und neue Promos aufzulegen, macht die ganze Sache spannender, aber zu viele harte Übergänge können den Flow eines Sets zerstören und das ist normalerweise auch das größte Problem bei B2Bs. Der Flow kann richtig beschissen sein.

Gramrcy: Ich gehe da eigentlich genau so ran, wie ich auch sonst an Sets gehe—ich mache mir Gedanken zum Publikum, den Set-Zeiten, dem Club, dem Land, den Leuten, die vor und nach mir spielen, und dann schnappe ich mir einen Stapel Platten und mache eine Playlist auf meinem Computer. Es gibt immer ein paar Dinge, die im Vorhinein besprochen werden—manchmal sind das nur ein paar E-Mails oder Nachrichten, in denen wir über den generellen Vibe des Sets sprechen (auch langweiligen Technikkram wie „bringst du Platten mit?", „können wir mit deinem Serato spielen?") und das beeinflusst natürlich auch die Platten, die ich dann einpacke.

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Hodge: Ich habe vor Kurzem erst ein Back to Back mit Randomer beim Simple Things Festival gespielt. Wir haben nicht wirklich darüber gesprochen, was wir dort genau tun werden, dafür haben wir uns aber per E-Mail und Facebook Messenger gegenseitig mit Tracks bombardiert. Am Ende ging es dann vor allem um alten Hardcore- und Techno-Kram. Das war noch nicht mal extra für das Set gedacht. Wir haben das einfach nur gemacht, weil er ein Kumpel ist. Ich habe dadurch aber ein Gefühl dafür bekommen, was gerade musikalisch bei ihm abgeht.

Krystal Klear: Ich habe noch nie ein Back to Back im Voraus geplant. Ich schätze, dass würde dem Ganzen einfach die Dynamik nehmen. Mit Gerd haben wir während des Silvestersets schon viel kommuniziert. Wenn es so aussah, als ob es etwas lahmen würde, sagte ich so was wie „lass uns gleich härter werden, einen Zahn zulegen." Es geht immer darum, mental auf das vorbereitet zu sein, was als nächstes kommt.

Tessela: Jede Unterhaltung, die ich bislang vor einem Back to Back gehabt habe, ging in etwa so: „Dreh nicht sofort am Anfang total durch. Dann dreh ein bisschen mehr durch."

Dynamik

Hodge: Wenn ich an die ersten Back-to-Back-Sets denke, die mir wirklich gefallen haben, dann war das vor etwa fünf Jahren in Bristol, als Pinch und Peverelist öfter miteinander im Subloaded gespielt haben. Das war so gut, weil Pev und Pinch beide verschiedene Arten der gleichen Musikrichtung aufgelegt haben. Pinch haute eher die Tanzflächenfüller raus und Pev spielte abgedrehtes Zeug. Das funktionierte richtig gut, weil dich die eine Hälfte total befremdete und bei der anderen Hälfte konntest du dich dann austoben. Wenn du zwei DJs hast, die identische Musik spielen, OK, cool, dann wird das Set recht kohärent werden, aber das ist dann nicht wirklich spannend für mich. Wenn ich zwei DJs sehe, dann will ich da eine gewisse Dynamik haben—ein hin und her. Ich will, dass es etwas chaotisch ist, dann wird es auch spannend.

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Matt: Eine weitere Möglichkeit, um ein gutes Back to Back sicherzustellen, ist ein sehr genrespezifisches Set zu spielen. Eins unserer erfolgreichsten B2Bs mit anderen Künstlern waren ein Italo-Disco-Set mit Steffi und ein 90s-House-Set mit Jeremy Underground. Da wir alle in Rahmen des gleichen Genres spielten, funktionierte es viel besser, als wenn es einfach offen gewesen wäre und irgendjemand plötzlich die Stimmung oder die Richtung hätte ändern können.

Gramrcy: Peverelist und A Made Up Sound letztes Jahr beim Dekmantel sechs Stunden spielen zu sehen, war einfach unglaublich. Man konnte richtig sehen, dass sie gute Freunde sind. Beide hatten das ganze Set über ein Grinsen im Gesicht und die Musik war großartig. Die haben sich auch gegenseitig ordentlich gepusht und spielten viel deeper und housiger, als man es sonst von ihnen gewohnt ist. Am Ende spielte AMUS dann nur noch alte holländische Hardcore-Platten und Pev haute D'n'B raus. Es war unglaublich!

Zwischenmenschliches

Matt: Wir waren am Anfang kein besonders gutes Paar—unsere Sets waren einfach ziellos und überall und nirgends. Es hat tatsächlich mehrere Jahre und viele Diskussionen nach Auftritten gebraucht, bis wir den richtigen Flow gefunden hatten und uns beide wohl fühlten. Zum Glück hat niemand von uns was gegen Kritik einzuwenden. Tatsächlich kritisieren wir sogar ziemlich gerne, also haben wir unsere Sets im Nachhinein immer regelrecht zerlegt, bis wir das Gefühl hatten, Fortschritte zu machen.

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Tessela: Ich habe nicht wirklich viele Back-to-Back-Sets mit Menschen gespielt, mit denen ich nicht bereits gut befreundet war. Ich schätze, dass es schon was anderes ist, ein Back-to-Back-Set mit jemandem zu spielen, den du nicht wirklich kennst. Ich mache so was eigentlich immer nur mit Menschen, die ich kenne und deren Musikgeschmack ich kenne. Ich packe also Platten ein, die auf ihren Geschmack abgestimmt sind, und die machen das gleiche mit mir. Auf diese Art hast du am Ende einen Haufen Platten, die sich gegenseitig sehr gut ergänzen. Du kannst dann ganz entspannt da aufkreuzen, man trinkt was zusammen und los geht's.

Hodge: Ich habe noch nie ein Back to Back mit jemandem gespielt, den ich nicht schon recht gut kannte oder mit dem ich nicht befreundet bin. Ich glaube, ich würde das sonst auch nicht machen. Ich kann kein Back-to-Back-Set mit jemandem spielen, den ich nicht respektiere. Das könnte am Ende auch einfach ziemlich nervtötend werden.

Gramrcy: Als ich vor Kurzem ein B2B mit Bruce spielte, wohnte ich das Wochenende davor bei ihm, weil ich wegen irgendeinem anderen Kram in der Stadt war. Wir spielten uns einen Nachmittag lang Platten vor und diskutierten die Art von Tracks und die Richtung des Sets, das wir spielen wollen. Das ist natürlich ein seltener Luxus und hat natürlich vor allem damit zu tun, dass wir gute Freunde sind. Es ist aber auch eine gute Ausrede, um etwas miteinander abzuhängen und eine Vorstellung davon zu bekommen, wie dein Gegenüber momentan musikalisch so drauf ist.

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Kompromisse

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Tessela: Ich würde sagen, dass es am wichtigsten ist, mit jemandem zusammen zu spielen, der flexibel ist. Mir ist es schon mal passiert, dass ich mit jemandem gespielt habe, der sich dann nach zwei Stunden plötzlich dazu entschied, in eine eigene Richtung abzudriften—also alleine. Der Wille, sich mit der anderen Person irgendwo in der Mitte zu treffen, um etwas zu erschaffen, was man normalerweise nicht machen würde, ist dabei wirklich am wichtigsten. Wenn jeder einfach die Platten spielt, die er auch alleine spielen würde, ergibt das Ganze keinen wirklichen Sinn.

Gramrcy: Ich glaube, wenn man etwas auf die Person eingeht, mit der man zusammenspielt, dann wird es in einem guten B2B immer ein paar Kompromisse geben. Wenn du an die Sache genau so rangehst, wie an ein Solo Set, dann wird es im besten Fall zusammenhangslos. Im schlimmsten Fall kommt es so rüber, als würdest du versuchen, die andere Person auszustechen, was nicht wirklich im Sinne guter Vibes und einer guten Party ist. Es kann aber definitiv auch Spaß machen, wenn dir jemand etwas total Ausgefallenes vorlegt und du irgendetwas finden musst, was dazu passt. Aber noch einmal: Es hilft unglaublich, wenn man miteinander gut klar kommt.

Hodge: Das Set mit Randomer letztens ging über fünf Stunden. Es lief wirklich gut, weil er ständig versuchte, schneller und schneller zu werden und auf diese über 130 BPM Techno-Geschwindigkeit zu kommen—ich versuchte im Gegenzug, uns etwas zu bremsen. Jedes Mal, wenn er also die Geschwindigkeit hochdrehte, brachte ich danach etwas rein, das wieder ein bisschen langsamer war. Wir wurden also härter und schneller, aber viel langsamer, als er das normalerweise machen würde. Er hat dadurch wahrscheinlich ein bisschen länger gebraucht, um in diesen Technobereich zu kommen. Ich im Gegenzug war dann schon etwas schneller da, als ich es normalerweise gewesen wäre.

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Risiken

Tessela: Man braucht ein längeres Set. Wenn man alleine spielt, kann es 20 Minuten oder eine halbe Stunde dauern, bis man seinen Groove findet. Bei einem Back to Back kann das noch viel länger dauern. Manchmal verbringst du die erste Stunde nur damit, einen gemeinsamen Nenner zu finden—den Groove. Ich habe schon erlebt, dass man diesen Groove bei einem dreistündigen Set erst in der letzten halben Stunde findet. Ich habe letztens erst ein Plakat an der Straße gesehen, auf dem stand „44 DJs, 4 Arenas, 10 Hours." Das sind elf DJs pro Arena und da müssen einfach Back-to-Back-Sets dabei sein, sonst hat jeder weniger als eine Stunde Spielzeit. Es wäre total schwachsinnig, das so zu machen. Für ein Back to Back sind drei Stunden eigentlich das Mindeste—darunter lohnt es sich nicht.

Matt: Es ist so wichtig, sich gegenseitig und die Platten des anderen zu kennen. Das ist das Hauptproblem von vielen dieser spontanen B2Bs auf Festivals. Die Künstler kennen die Platten des anderen nicht wirklich und haben noch nicht viel zusammen gespielt. Das kann dann schon mal ziemlich grauenvoll werden. Atmosphären und Vocals prallen aufeinander, einfach gar nichts passt so wirklich zusammen. Es braucht schon eine Weile, bis man wirklich verstanden hat, wie der andere spielt, und man muss das richtige Level und den richtigen Flow finden.

Krystal Klear: Man kann beobachten, dass es immer die gleichen Menschen sind, die zusammen B2Bs spielen—man kann die Festival Line-Ups fast schon erraten, bevor sie überhaupt feststehen. Wenn ich selber Veranstalter wäre, würde ich Back to Backs haben wollen, die ich noch nicht gesehen habe. DJ Harvey B2B mit Andrew Weatherall, das wäre super spannend, aber so was wie Dixon B2B mit Âme sieht man ständig. Ich bin ein riesiger Fan von Floating Points, Four Tet und Caribou, aber diese Typen spielen ständig B2Bs, also werde ich mir keinen abbrechen, um sie sehen zu können. Natürlich ist das nicht einfach nur ein Gimmick. Das sind halt Freunde, die gerne miteinander Musik machen, aber ich würde mich schon freuen, ein paar Paarungen zu sehen, die etwas aus der Reihe tanzen.

Und warum das alles?

Krystal Klear: Ich liebe Back-to-Back-Sets einfach. Ich liebe es, mit anderen Leuten zusammen aufzulegen. Ich liebe die Herausforderung und die Kameraderie. Wenn man die ganze Zeit nur alleine reist, alleine spielt, dann vermisst man diese Dynamik schon mal.

Tessela: Mir macht das richtig Spaß. Du kannst länger spielen, aber hast immer noch Pausen, um deine Gedanken zu sammeln und über die nächste Platte nachzudenken. Ich habe außerdem so viele Tracks über gemeinsame Sets entdeckt. Wenn du lange nur alleine auflegst, kannst du dich schon mal in gewissen Mustern verrennen. Du weißt dann, dass bestimmte Platten einfach unglaublich gut zusammenpassen, also machst du immer wieder die gleichen Übergänge. Bei einem Back to Back legst du dann aber einen Track auf und der andere übernimmt dann mit etwas, auf das du selber nie gekommen wärst.

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