Eating Snow hassen Menschen und freuen sich, wenn es kein Internet gibt

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Interview

Eating Snow hassen Menschen und freuen sich, wenn es kein Internet gibt

Am liebsten verbringen sie ihre Studio-Zeit auf einem Bauernhof im Nirgendwo.

Beste Freunde verbringen viel Zeit miteinander und trinken gerne Bier—oder sie produzieren ein Album. Douglas Greed und Mooryc haben in den letzten Jahren beides gemacht und veröffentlichen jetzt unter dem Namen Eating Snow ihr gleichnamiges Debüt-Album. Während Douglas dabei verschiedene Einflüsse aus dem Techno und House eingebracht hat, hat Mooryc das Ganze durch seine Jazz- und Klassikerfahrung aus der Musikakademie ergänzt. Kennengelernt haben sich der aus Polen stammende Mooryc und der deutsche Douglas auf der Feier des Frühlingsopfers von Igor Strawinsky in Poznań. Als sie später die erste gemeinsame Studiosession hatten, hat es musikalisch zwischen den beiden Produzenten sofort geklickt. Wir haben Eating Snow getroffen und wollten wissen, wie man ein Album über vier Jahre hinweg als Duo produziert.

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THUMP: Wenn ihr so viel Zeit miteinander verbringt, geht ihr euch nicht gegenseitig auf die Nerven?
Douglas Greed: Nur wenn wir verkatert sind.
Mooryc: Nicht mal dann. Wir versuchen, unsere Freundschaft so ernst zu nehmen wie wir können, weil wir wissen, wie oft so etwas scheitern kann. Manchmal, wenn du deine Gedanken nicht mit dem anderen teilst, passiert es schnell, dass du separate Welten aufbaust und die Dinge brechen auseinander. Wir wollen ehrlich miteinander bleiben, damit keine Missverständnisse zwischen uns aufkommen.
Douglas: Das ist auch einer der Gründe, warum wir nie live zusammen spielen. Damit es keine Einflüsse von außen auf uns gibt. Wir haben nur diese Freundschaft und machen Musik zusammen, sonst nichts.

Moment, ihr macht zusammen Musik aber tretet nie gemeinsam auf?
Douglas: Bevor ich auf die Bühne gehe, bin ich immer ein Nervenbündel. Wenn wir auf Tour gehen würden, würde das unsere Freundschaft zerstören.
Mooryc: Ja, Douglas wird sehr kontrollierend. Es wäre eine sehr große Herausforderung, die wir durchmachen und als Freunde überstehen müssten
Douglas: Ich habe mal mit einem Sänger und einem Percussionisten zusammen gespielt. Die wussten schon, wie sie mit mir in der letzten halben Stunde vor dem Gig umgehen müssen: „OK Douglas, setz dich hin, entspann dich, trink ein Bier, atme durch." Immer wenn es ein neuer Club oder ein neues Festival ist, bin ich wahnsinnig nervös. Aber das ist auch gut, denn so fühle ich noch etwas dafür.

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Geht ihr dann zusammen feiern?
Mooryc: Es gibt keinen Grund zu feiern. Du kannst weggehen, das ist in Ordnung, aber warum in den Club? Da ist es so laut. Ich fühle mich an belebten Plätzen nicht wohl. Es gibt so viele Gelegenheiten für Missverständnisse und ich nehme sie normalerweise alle wahr. Es gibt keinen guten Grund, dieses Risiko einzugehen.
Douglas: Mooryc kommt nicht gerne mit, deswegen feiern wir nicht zusammen. Ich habe nur das Problem, dass ich mir keine Gesichter merken kann. Ich treffe jeden Tag so viele Leute und kann mich nie an ihre Gesichter erinnern. Jedes Mal, wenn Mooryc und ich uns wiedersehen, erzähle ich ihm eine neue Geschichte davon, wie Leute auf mich zukommen und mich anlächeln. Ich denke immer: „Oh shit, das ist wahrscheinlich jemand, den ich kenne." Dann gehe ich zu ihnen und frage sie, wie es ihnen so geht—nur um herauszufinden, dass sie mich gar nicht kennen und nur angelächelt haben, weil sie betrunken sind. Natürlich gibt es auch umgekehrt Situationen, in denen du jemanden triffst, mit dem du die Woche davor fünf Stunden geredet hast aber dich nicht mehr an sie erinnerst. Solche Leute denken oft, dass ich arrogant bin.
Mooryc: Wie ein echter Superstar eben.
Douglas: Wir sind beide Misanthropen. Es ist nicht leicht, mit uns klarzukommen.
Mooryc: Wir können uns auch in der Küche betrinken. Schöne Atmosphäre, du kannst Musik hören, die du tatsächlich gut findest. Niemand kommt sturzbetrunken zu dir und labert dich mit unverständlichem Zeug voll. Warum macht man sowas?
Douglas: Wir sitzen lieber in der Küche und reden über Politik.

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Ein paar Tracks habt ihr auch auf einem Bauernhof fernab von Menschen und Clubs aufgenommen. Wie war es, mit dem Hahn aufzustehen und Schweine zu füttern?
Mooryc: Ich glaube, wir hatten zwei dieser Sessions. Eine war auf dem Land, 120 Kilometer nördlich von Berlin.
Douglas: Es war zwar ein alter Bauernhof, aber er wurde nicht mehr als Bauernhof genutzt.
Mooryc: Aber es gab Schafe!
Douglas: Es gab kein Handysignal und kein Internet, was ziemlich geil war.
Mooryc: Das ist etwas Gutes. Handy und Internet sind eine Sache, aber die ganze Stadt, die ganze Umgebung in der du lebst, nimmt dich für sich ein. Du hast deine eigene Vorgehensweise in deinem eigenen Studio, die du loswerden musst, indem du den Standort wechselst.
Douglas: Der Bauernhof war mitten im Nirgendwo und wir mussten eine halbe Stunde fahren, um in ein kleines Dorf zu kommen. Wir waren wirklich mitten in einem Wald und ich lebte im Gästehaus mit riesigen Fenstern. Immer wenn ich aufgewacht bin und die Vorhänge aufzog, war alles voller Nebel. Das war geil.

Wie teilt ihr euch die Arbeit, wenn ihr produziert?
Mooryc: Douglas schreibt fast immer die Lyrics und ich singe. Aber der Prozess ist so komplex und es gibt so viele Sachen zu tun, dass wir beide produzieren, mixen und Ideen finden. Dann setzen wir uns zusammen und schauen, ob wir am selben Strang ziehen. Wenn wir beide einem Konzept zustimmen, sitzen wir da, entwickeln das Ganze weiter und suchen nach einem Sound, der dazu passt. Also einer von uns macht zum Beispiel einen Beat und dann fließt es von alleine.
Douglas: Wir haben auch Tracks auf dem Album, bei denen es anders war. Bei Last Summer Day hatte ich zum Beispiel die Lyrics eigentlich für ein anderes Lied geschrieben. Dann haben wir uns aber gedacht, einfach eine Gitarre darunter zu legen und haben uns gesagt: „Na gut, versuchen wir, das nicht elektronisch zu machen, sondern lassen es, wie es ist." Es gibt also viele Arten zusammenzuarbeiten. Manchmal macht Mooryc die Beats, manchmal ich, manchmal wir beide.

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Ist das eine echte, akustische Gitarre bei Last Summer Day?
Mooryc: Ja, die habe ich eingespielt. Eigentlich sind es sogar vier Gitarren.
Douglas: Mooryc hat sie alle auf einmal gespielt (lacht). Deswegen nennen wir ihn den „Oktopus".
Mooryc:(lacht) Nein, nein. Leider musste ich sie alle nacheinander aufnehmen. Wir arbeiten auch in den Vocals oft mit mehreren Spuren übereinander. Also muss ich alles öfter aufnehmen.

In Chameleon benutzt ihr auch ein Field Recording mit spielenden Kindern auf einem Spielplatz.
Douglas: Dieser Track sollte eigentlich „Last Summer Day" werden, aber das wurde dann der akustische Track. Für den habe ich auch die Lyrics geschrieben, weshalb die Kinder darin vorkommen. Die Aufnahme ist aber tatsächlich aus einem Sommerbad, nicht von einem Spielplatz. Das sollte die Atmosphäre für den letzten Sommertag setzen, aber dann sind die Lyrics eben bei dem Gitarrending gelandet.

This Emptiness Is Mine hat mich wahnsinnig angesprochen. Welchen Track vom Album mögt ihr?
Douglas: Bei mir ist es auch „This Emptiness Is Mine".
Mooryc: Ich weiß nicht, das ist sehr schwer zu sagen. Irgendwie hasse ich alle, deswegen ist es nicht so einfach einen auszuwählen, den ich mag. Ich glaube Beauty Of Destruction ist mein Favorit, dieser Track ist sehr originell. So etwas habe ich noch nie zuvor gehört.

Vielen Dank.

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Fotos: Promo / Andreas Meixensperger