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Berlin

Warum Berliner Clubs schließen müssen

Michail Stangl von Boiler Room hat uns erklärt, warum diese Schließungen passieren und was sie für das Nachtleben der Stadt bedeuten.

Foto von Samantha Marble.

Man sagt, dass Clubs in Berlin entweder aus Beton und Stahl oder aus Treibholz und Glitzer gemacht sind. Während die Stadt eines der größten Touristenziele Europas wird, kommen immer mehr Fragen über die zwielichtige Natur und die Sicherheitsstandards der Clubs auf. In den letzten Jahren mussten mehrere wichtige Läden zeitweise oder dauerhaft durch Beauftragte geschlossen werden, unter anderem die Neue Heimat, die letzte Woche ihr letztes Event veranstaltete, nachdem ihr unterstellt wurde, dass ihr Brandschutz nur mangelhaft ist. Das Sisyphos wurde letzten Herbst aufgrund mehrerer Sicherheitsbedenken geschlossen—wenige Tage, bevor sie ein Event von Richie Hawtin hosten sollten—und öffnete erst viele Monate später wieder.

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Der wahrscheinlich größte Verlust 2015 war das Stattbad Wedding, ein altes Schwimmbad, das das Zuhause eines monatlichen Boiler Rooms war, der in den ästhetisch ansprechenden Pumpen-Räumen unter dem Pool stattfand. Wie sich herausstellte, hatte das Stattbad zwar eine Ausschank-Genehmigung und eine Galerie-Lizenz aber keine Erlaubnis als Multi-Floor Nachtclub zu operieren. Ups!

Wir haben mit dem Promoter und Moderator des Boiler Room Berlins, Michail Stangl, gesprochen, um zu erfahren, warum diese Schließungen passieren und was sie für das Nachtleben der Stadt bedeuten.

THUMP: Wie würdest du die kürzlichen Club-Schließungen erklären?
Michail Stangl: Ich denke, es hat zurzeit viel mit dem politischen Klima in Berlin zu tun. Die letzten Wochen brachten eine Menge medialer Aufmerksamkeit für die unangenehmen Seiten des Berliner Nachtlebens—ganz besonders die Verbrechen und die Gewalt, die Nachts passiert und sehr oft auf Touristen in den Hot Spots der Stadt abzielt. Nicht, dass das in der Vergangenheit viel anders war, nur die aktuelle nationale Berichterstattung hat die Aufmerksamkeit mancher Politiker auf das Berliner Nachtleben gerichtet.

Dasselbe gilt auch für die Durchsetzung bestimmter Sicherhheitsstandars und Baubeschränkungen. Der Großteil der Berliner Clubs operiert in einer Grauzone und kommt damit davon, weil die Berliner Administration es nicht schafft, das zu kontrollieren. Es mag eine Verschiebung der Prioritäten der Berliner Administration geben, was die kürzliche Maßregelung erklären würde. Natürlich sollten wir die schreckliche Tragödie der letzten Love Parade dabei nicht vergessen—eine der Auswirkungen war eine benötigte Veränderung im Hinblick auf Event-Sicherheit.

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Wie haben die Schließungen die Musik-Community der Stadt beeinfliusst?
Ich denke, in der Vergangenheit hat die Schließung der Clubs die Community nicht sehr groß beeinflusst. Publikum und Musiker waren anpassungsfähig und sind zur nächsten Location weitergezogen. Glücklicherweise bietet die Stadt genügend passende und günstige Locations, so dass für jeden geschlossenen Club kurz darauf mindestens ein neuer eröffnen konnte. Aber dadurch, dass Berlin mit all den sozio-ökonomischen Auswirkungen mehr und mehr eine Hauptstadt wird, wird es immer komplizierter, passende Orte zu finden—besonders in Neukölln, Kreuzberg und Friedrichshain.

Zusätzlich ist das Publikum in Berlin nicht so abenteuerfreudig, wie es sein sollte. Ich denke nicht, dass sie bis nach Reinickendorf (das ist weit im Norden) fahren würden, wenn dort das nächste Berghain aufmachen würde. Auch der Erfolg einer abgelegenen Location, wie dem Stattbad, war außergewöhnlich. Um ehrlich zu sein, denke ich, dass die Präsenz von Boiler Room einen großen Teil dazu beigetragen hat. Wenn diese erhöhten Anstrengungen, das Nachtleben zu kontrollieren, weitergehen, wird es unmöglich, einen Club mit wenig Geld aufzumachen. Die meisten Gebäude- und Sicherheitsvorschriften machen einen Underground-Musik-Ort absolut unökonomisch.

Kannst du das Argument verstehen, dass Sicherheit größer geschrieben werden sollte? Oder ist das überschätzt?
Glücklicherweise sind die Standards der Sicherheit (und Verantwortung) in Deutschland recht hoch und ich kann mich an keine Zwischenfälle in Berlin erinnern, die durch unzureichende Sicherheit passiert sind—bis auf eine Ausnahme. Die Sicherheit der Besucher, Angestellten und Musiker kommt ohne Zweifel immer zuerst und es stimmt, dass jede Verletzung dieser diszipliniert werden sollte. Was ein Überdenken benötigt, ist wie bestimmte Gebäuderegelungen und Sicherheitsvorschriften erreicht und implementiert werden können, ohne dass die kulturfokussierte Arbeit von einem finanziellen Standpunkt aus komplett unmöglich erscheint.

Eine Menge Orte in Berlin sind nur das geworden, was sie heute sind, weil sie sich stetig verbessert haben. Das Fehlen von Kontrollen hat halblegalen Fabrikhallen mit nicht mehr als Kühlschränken und einem Soundsystem erlaubt, sich in voll ausgestattete und sichere Clubs zu entwickeln. Ich sage nicht, dass das der richtige Weg ist, um die Dinge anzugehen, aber er zeigt zumindest, dass Clubbesitzer daran interessiert sind, die erforderlichen Standards zu erreichen und Wege zu finden, um sicher zu arbeiten, auch wenn nicht alles nach den Vorschriften läuft.