„Man muss das Publikum erziehen—das funktioniert in Berlin besser als in Hamburg!”
Foto: Seda Karaoğlu

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„Man muss das Publikum erziehen—das funktioniert in Berlin besser als in Hamburg!”

Dass HulkHodn alias Hodini sowohl HipHop als auch House macht, haben einige Fans noch nicht so ganz verdaut.

Eine HipHop-Party ist keine House-Nacht. Eine House-Nacht ist keine HipHop-Party. Kaum einer weiß das so gut, wie der DJ und Produzent Hodini. Dafür, dass er im Club mal den „falschen" Sound auflegte, wurde er sogar schon bedroht. Noch bekannter ist der Kölner schließlich mit seinem Beat-Bastler-Alias HulkHodn. Zusammen mit dem Rapper Retrogott hat er hier seit 2005 HipHop mit deutschen Texten produziert. Wir sagen nur: „Quetschkommode". Musik mit Auskenner-Fame, auch wenn sich ihr Protagonist für manche „HipHop-Nazi-Köpfe" schämt, wie er sagt. Im Boiler Room war man auch gemeinsam und seit immerhin zwei Jahren spielt und produziert Mr Hodn zudem unter dem Namen Hodini auch elektronische Musik. Unter anderem hat er eine EP auf dem Berliner Label Money Sex Records veröffentlicht, das von Glenn Astro, Max Graef und Delfonic betrieben wird. Wir sprachen mit Hodini/HulkHodn über seinen musikalischen Werdegang, die Clubszene in Köln und die Unterschiede zwischen der HipHop- und House-Kultur in Deutschland.

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So, ich wollte das Interview eigentlich mit Smartphone und Ipod aufnehmen, zur Sicherheit. Aber mein neuer Ipod hat diese Funktion anscheinend nicht mehr.
Ich nutze Apple auch nur ungern. Allerdings nehm' ich zum Produzieren und Auflegen einen Mac, weil ich da einfach einen Rechner brauche, der nicht abstürzt.

Du legst mit Laptop auf?
Ja, ja, ich weiß, dass es in der elektronischen Szene sehr verhasst ist, mit einem Rechner aufzulegen. Mir wurde bei den Bookings für die elektronischen Sets öfters vorher gesagt, dass ich bitte Platten mitbringen soll. Aber manchmal nehm ich eben Timecode. Dennoch mag ich es lieber, in Platten rumzuwuseln. Und wenn digital, dann am liebsten mit CDJs.

Würdest du sagen, dass der Zugang zur Musik ein anderer ist, wenn man in einem Plattenladen nach Musik sucht, als wenn man das digital tut?
Auf jeden Fall, wobei ich mittlerweile meine Techniken habe. Ich gehe gerne nachts auf decks.de und klicke die Top 100 durch. Da finde ich schon tolle Sachen. Plattenladen ist aber geiler.

Wie bist du zum Musikmachen gekommen?
Ich komme eigentlich aus der Graffitti-Ecke. Als kleiner Junge in der Schule hab ich immer ein bisschen rumgeschmiert. Und dadurch bin ich dann auch bei der Rap-Musik gelandet und war davon sehr begeistert. Ich hab' die ganzen DJs mit ihren Plattenspielern gesehen, und wollte das dann auch machen. Und dann hat sich Patrice, dieser Reggae-Typ, mit dem ich damals zur Schule gegangen bin, seinen ersten Plattenspieler geholt. Meine Eltern wollten mir aber leider keinen kaufen, also musste ich mir so Fake-Dinger holen. Und dadurch fing das dann alles an mit dem Auflegen. Dann hing ich immer in Köln ab und hab da Leute kennengelernt, die einen DJ brauchten – der wurde ich dann. Dann kam eins zum anderen. Irgendwann wollte ich dann wissen, wie das mit dem Mucke machen geht. Also hab' ich mir eine MPC geholt …

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Irgendwann kam einer an und meinte: „Ey das kannst du nicht machen, draußen steht ein Mob von Leuten, die wollen Rap hören, die sind alle total enttäuscht." Da bin ich nervös geworden, das war heftig.

Was waren deine ersten Platten oder CDs?
Meine erste Schallplatte war eine Single vom ersten Reakwon-Album. Und Funkmaster Flex „60 Minutes of Funk", der Mix. Meine erste Rap-CD war Cypress Hill „Black Sunday". Und eine Menge 2 Live Crew hab ich gehört, weil das so verboten und verrückt war. Und zu einem meiner Geburtstage, als ich noch ein Kind war, hab ich von meinem Bruder Public Enemys „Fear of a Black Planet" bekommen – auf Kassette! Ich hab dann eine Geburtstagsparty bei uns zu Hause im Keller gefeiert, das Tape angemacht und alle meine Klassenkameraden sind voll nicht darauf klar gekommen: „Was ist das für ein Scheiss? Mach den Krach aus!" Seitdem habe ich nie wieder eine Geburtstagsparty gemacht.

Banausen! Ist dir beim Auflegen auch mal sowas passiert?
Ja. Vor kurzem habe ich in Hannover aufgelegt. Da wurde ich als Hodini gebucht, aber die Party wurde falsch kommuniziert. Da waren dann nur HipHop Heads. Und die hatten alle einen tierischen Stock im Arsch. Irgendwann standen mehrere Typen vor mir und haben sich beschwert, was die Scheisse soll. Bis dann irgendeiner ankam und meinte: „Ey das kannst du nicht machen, draußen steht ein Mob von Leuten, die wollen Rap hören, die sind alle total enttäuscht." Da bin ich nervös geworden, das war heftig. Ich hab' mich bedroht gefühlt.

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Und hast du die Musik dann gewechselt?
Ja, das war mir zu krass. Meistens geht es aber, die Leute sind offener geworden, auch im HipHop-Bereich. Dem Internet sei Dank macht jeder mittlerweile alles.

Viele DJs legen meinem Eindruck nach denselben Kram auf. Manche sagen, sie trauen sich nicht, was zu probieren, weil sie Angst vor einer negativen Reaktion des Publikums haben. Wie siehst du das?
Ich kann das teilweise verstehen, aber: Man muss das Publikum hin und wieder erziehen! Das funktioniert in Berlin besser als in Hamburg, wo die Leute immer nur Deutschrap hören wollen, der für mich eh langweilig ist. Ich hab bei Rap-Sachen auch eine verbotenen Kiste mit Tracks, die man nicht mehr spielen darf. Aber einige scheinen nur noch Tracks aus solchen Kisten zu spielen. Oder machen Mash-Ups daraus. Ich kann auch mit diesen ganzen Trap-Sachen nichts anfangen. Neuer deutscher Trap, Yung Hurn und Berg Money. Die stehen da und labern über Geld. Das nehm ich denen nicht ab. Wenn Rick Ross einen Track macht, wo er über Geld redet, nehm ich dem das ab, weil die auch wirklich Knete mir ihrer Mucke machen. Aber wenn mir ein 18-Jähriger aus Österreich erzählt, dass er der Gangster mit der Pistole ist, denk ich mir: Lass mal stecken …

Wie bist du dann zur elektronischen Musik gekommen?
Das fing mit den ganzen „Radio Love Love" Geschichten an, diese Podcast-Reihe, die Twit und ich schon länger machen. Twit hat mir dabei immer einiges gezeigt, am Anfang vor allem Disco und Afro-Beat. Und irgendwann waren da auch mal ein paar House-Platten dabei, zum Beispiel eine Nummer von DJ Dez Andrés. Die hat mich so geflasht, dass ich sofort zu Hause versucht habe, sowas zu machen. Diese erste Nummer ist auch auf einer Box Aus Holz drauf.

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Wie produzierst du deine Musik? Suchst du dir ein Sample und haust es durch den MPC?
Meistens fang ich mit den Drums an, baue mir einen Beat und such mir dann die anderen Samples. Durch das Produzieren von House hat sich mein Stil aber auch verändert. Weil ich mehr daran denke, wie das mit dem Mixing passt.

Mit Kurt (alias Retrogott) zusammen willst du nicht produzieren?
Wir haben schon mal zusammen rumprobiert. Aber Kurt wird es manchmal zu elektronisch. Er ist eher im funky Disco zu Hause. Four to the Floor mag er, allerdings eher sample- und editbasiert.

Fehlt der Mehrheit der Produzenten im Bereich der elektronischen Musik der Mut, Sachen auszuprobieren und andere Genres einzubringen?
Ja, schon. Max Graef und die ganze Crew um Box Aus Holz waren die Ersten, die mal wieder aus dem Rahmen getanzt sind. Vielleicht fehlt sowas, ich find es aber auch ok. Ich feier' auch den klassischen House ziemlich ab, möglicherweise weil ich ihn bis vor Kurzem nie wirklich gehört habe. Die Sachen klingen auch alle gleich und sind trotzdem gut.

Wie kam deine Verbindung zu Max Graef, Glenn Astro und Money Sex Records?
Das ging wieder mal über Twit, der ist das Drehkreuz. Über den hab ich Damiano von Erckert kennen gelernt und darüber dann Nano Nansen und Max. Dann hab ich bei einem gemeinsamen Gig im Farbfernseher Glenn Astro kennengelernt und das hat direkt geklappt. Dann haben wir uns Sachen hin und her geschickt. Innerhalb von zwei Wochen war die Money-Sex-Platte fertig. Es war auch sehr interessant, weil ich ihm Ideen geschickt habe, die eher im House-Bereich waren und er hat sie dann komplett verwurschtelt und im HipHop Kontext zurückgeschickt. Ich glaub jeder braucht da mal so ein Ding, aus dem er ausbrechen kann, damit es nicht langweilig wird. Glenn ist ein verdammt guter Produzent, ein Virtuose. Wenn du einen Remix von ihm auf der Platte hast, hast du schon verloren. Ich hab den Fehler gemacht, ihn für meine nächste EP auf AVA als Remixer anzufragen, da zerstört er alles. Aber das find' ich gut. Wenn die EP dann mal kommt. Dank des Vinyl-Hypes muss man ja sehr lange warten.

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Wie findest du diesen Vinyl-Boom? Viele hassen ihn ja mittlerweile, OYE Records macht zum Beispiel nicht mehr beim Record Store Day mit.
Ich hasse es auf jeden Fall, dass ich auf Platten so lange warten muss, nur weil irgendwelche Majors jetzt David-Bowie-Boxen als Special Edition raushauen, die keiner braucht. Oder eine Deluxe Edition von J Dilla „Fuck The Police", bei der die Platte aussieht wie eine Polizei-Marke. Oder eben eine 7-Inch von Black Star (Mos Def & Talib Kweli) zum Record Store Day, die wie ein Stern aussieht. Braucht kein Mensch.

Wer kauft deiner Meinung nach so was und hört es sich dann auch an?
Die Leute, die das kaufen, sind alle so Nerds, die die Platten gerne im Internet weiterverkaufen. Die kaufen das dann auch gerne dreimal. Mich bringt das zu Urban Outfitters, wo man seit ein paar Monaten auch Plattenspieler kaufen kann. Mir hat jemand mal so einen geschenkt. Der war so whack, dass du darauf keine Schallplatte spielen konntest, weil alles immer gesprungen ist.

Die bieten jetzt auch einen Plattenspieler mit Kassetten-Deck an.
Das ist so ein Trend-Hype-Shit-Hipstertum. Da steh ich nicht drauf. Wobei Kassetten ja wirklich wieder kommen. Besonders im HipHop. Mein Album mit Eloquent kam auch auf Tape. Ich finde das schon geil, aber ich sitz nicht zu Hause und höre mir Kassetten an. So Sachen wie Mr.Tape sind auch toll. Ich hab für ein Beat-Set für Beat BBQ in Köln auch mal alles auf Kassette aufgenommen, drei Minuten auf der einen und drei Minuten auf der anderen Seite. Und dann bin ich mit meinem Kassettenspieler zu der Party und hab das dann so abgespielt. Am Ende hab ich das Tape in die Menge geworfen.

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Beim Boiler Room habe ich mich ein bisschen geschämt, weil die ganzen HipHop-Nazi-Köpfe sich da über die Leute auslassen. Die suchen sich Einzelne raus und machen die dann fertig und zerfleischen die.

Ich hab im Alter von zwölf Jahren immer Mixe auf Kassetten aufgenommen.
Früher musstest du dich zum Aufnehmen richtig hinsetzen und konntest später nicht wirklich skippen. Heutzutage klickst du einfach weiter. Ich hab den Eindruck, dass die Leute die Musik nicht mehr wertschätzen. Viele Leute kommen auf eine Party im Club und gehen direkt zum DJ, um sich zu beschweren oder wollen sogar ihr Handy anschließen. Das ist eine Frechheit! Wenn einem die Musik nicht gefällt, soll man woanders hingehen.

Da wären wir jetzt wieder bei House und Rap. Worauf hast du aktuell mehr Bock?
Schon auf House. Die letzten 100 Schallplatten, die ich mir gekauft habe, sind alle elektronisch. Mittlerweile ist auch Techno dabei. Es macht halt viel mehr Spaß, House aufzulegen, weil du mehr mixen kannst. Die Stimmung ist außerdem viel intensiver. Die Leute rasten mehr aus, schreien rum. Das finde ich geil. Das ist auf HipHop-Partys anders.

Ich war noch nicht auf so vielen HipHop Partys. Ich war mal vor ein paar Jahren in Köln und dann im Stecken, als es das noch gab. Das war gut. Mir fiel der Laden nach dem Brand im Pudel wieder ein. Fehlt der Stecken als Anlaufpunkt?
Er fehlt auf jeden Fall. Das war einer der besten Läden, vergleichbar mit dem Pudel, der ja so was wie das Stecken Hamburgs war – und umgekehrt. Ich hab' da auch herrliche Sachen erlebt. Zum Beispiel bin ich mal auf einem Sofa dort eingeschlafen und jemand hat mir mit einem Edding ein großes Fragezeichen auf meine Stirn gemalt. (Lacht) Mittlerweile gibt es eigentlich nur noch das Roxy in Köln, das hat eine super gute Anlage. Aber es ist nicht vergleichbar mit dem Stecken, das ist nicht zu ersetzen. Dann gibt es noch die Tausendbar, da ist die Anlage aber nicht gut. Es ist mau geworden.

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Was ist mit den großen Clubs wie Odonien, Heinz Gaul oder Gewölbe?
Ich war einmal im Gewölbe als Glenn Astro da aufgelegt hat. Das war richtig geil. Aber es war auch nur so gut, weil Glenn mir seine Getränkekarte gegeben hat, da er nur selten Alkohol trinkt. Ich war dann total zerstört. Irgendwann morgens hab ich mich noch besoffen auf den Bahnschienen aufs Maul gelegt und mir fast die Hand gebrochen. Ich musste dann am nächsten Tag in Stuttgart auflegen, mit einer Hand. (Lacht) Das war übel. Aber die Anlage im Gewölbe ist gut.

Wie war es für dich, im Boiler Room zu spielen?
Ich fand es nicht so geil. Vor mir hat ja Kurt aufgelegt und der hat den Sound ein bisschen hochgedreht und es wurde immer lauter. Und als ich dann dran war, war alles im roten Bereich und der Sound-Typ hat das nicht gecheckt. Dann war der eine Turntable kaputt, der Pitchfade ging nicht. Und es war komisch, dass die Leute hinter mir gestanden haben, während ich aufgelegt habe. Das mag ich nicht, das ist unangenehm. Der Laden in dem wir gespielt haben, hatte vor dem DJ Pult zwar eine Glasscheibe, hinter der Leute standen, aber die konnten die Musik nicht hören, sondern haben nur geguckt. Als wäre ich in einem Schaukasten.

Das ist natürlich nicht so berauschend.
Mich hat es auch abgeturnt, dass unsere beiden Sets in einem Video waren. Ich kann das nicht als Promo-Tool benutzen, weil das manche abschreckt, wenn da einer am Anfang auf Deutsch rappt. Boiler Room ist aber auch nicht mehr wichtig, mittlerweile hat jeder einen Boiler Room.

Die Kommentare unter dem Video sind ja auch teilweise wieder komisch.
Ja, das fand ich auch krass. Da hab ich mich ein bisschen geschämt, weil die ganzen HipHop-Nazi-Köpfe sich da über die Leute auslassen. Die suchen sich Einzelne raus und machen die dann fertig und zerfleischen die. Jeder meint, im Internet überall seine Kommentare ablassen zu müssen.

Zum Abschluss: Ich hab Glenn Astro gefragt, ob er eine Frage für dich hat. Seine erste Frage: Wer ist diese Assel? Die zweite: Kannst du ihm ein Feature mit Retrogott klar machen?
(Lacht) Daran können wir arbeiten. Aber warum fragt er mich nicht? Wir sind doch Homies, musikalische Hin-und-her-Schieber. Wir können es ja so machen: Ich mach' ihm ein Feature klar und er bringt mich dafür in seine Booking-Agentur.

Das halten wir so fest. Danke!

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Hodini ist auf Facebook/Soundcloud