Boi Wonder: Le1fs neues Album nimmt es mit Diskriminierung, Trans-Rechten und sauberem Wasser auf

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The Make Believe Issue

Boi Wonder: Le1fs neues Album nimmt es mit Diskriminierung, Trans-Rechten und sauberem Wasser auf

Eine Neudefinition von Sex und Politik.

Netzoberteil von Asos. Foto von Matthew Leifheit

Aus der Make Believe Issue 2015

An einem Tag im Juni saß ich in einem kleinen französischen Café im Herzen Harlems und wartete auf den Rapper Le1f. Auf dem Bildschirm über mir berichtete ein lokaler Nachrichtensender über die schrecklichen Vorkommnisse des vorangegangenen Abends: Ein weißer Mann hatte sich eine Stunde lang während eines Gottesdienstes in der Emanuel African Methodist Episcopal Church in Charleston, South Carolina, mit den Kirchgängern angefreundet, um dann das Feuer auf sie zu eröffnen und in einem rassistischen Terrorakt neun von ihnen zu erschießen. Um mich herum saßen eine Handvoll Pärchen und Leute, die informelle Geschäftstreffen abhielten. Was sich auf dem Bildschirm abspielte, schien die Stimmung im Restaurant nicht sonderlich zu beeinflussen. Die meisten waren, wenn nicht uninteressiert, so doch zu beschäftigt oder abgelenkt, um sich mit den Nachrichten zu beschäftigen.

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Als Le1f schließlich in dem Restaurant auflief (wie jeder ambitionierte Star kam er fast eine Stunde zu spät), fragte er mich auf eine Weise, wie es mir gehe, die auf die Ereignisse des Vorabends Bezug zu nehmen schien—den sinnlosen Gewaltakt, der sich nicht nur gegen die unschuldigen Kirchgänger richtete, sondern gegen schwarze Körper überall.

„Das ist alles ganz schön krass", sagte ich.

„Ich versuche hinterherzukommen", sagte Le1f nachdenklich.

Für viele schwarze Amerikaner ist die Kirche ein zweites Zuhause. Das war bei mir und Le1f nicht anders. Unser Gespräch über die Schießerei in Charleston wendete sich schnell der Frage nach der Bedeutung der Religion im Leben schwarzer Amerikaner zu. Le1f, der im wirklichen Leben Khalif Diouf heißt, ist der Sohn eines muslimischen Vaters und einer methodistischen Mutter. Obwohl er ganz in der Nähe in Upper Manhattan aufgewachsen war, hatte er seine Sommer im ländlichen Yemassee, South Carolina, verbracht, einer Stadt von weniger als 1.000 Einwohnern.

Trotz der geringen Größe der Stadt und der Tatsache, dass es in der schwülen Hitze wenig zu tun gab, wurde Yemassee ein wichtiger Ort für seine persönliche Entwicklung. Über 50 Prozent der Einwohner des Ortes sind Schwarze, und da es außerhalb der Kirche nicht viel zu tun gab, verbrachte er seine Tage damit, mit seiner Cousine Ebony kleine Shows zu organisieren. Die zwei bastelten Baströcke und Kostüme aus dem Seidenpapier, in das die Geschenke für das Kwanzaafest eingewickelt werden. „Das ist das Einzige, was ich dort machte", sagte er, „diese Shows und zur Kirche gehen."

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In der Kirche hatte er das erste Mal das Gefühl, die Welt um sich herum hinterfragen zu müssen. Er verstand nicht, warum man sich so auftakelte, um „diese Geschichten zu hören", und er fragte sich, warum so viele schwarze Amerikaner überhaupt den christlichen Glauben praktizierten. „Warum folgen wir den Regeln von jemandem, der jemandem gefolgt ist, der wieder jemandem gefolgt ist, der das alles unseren Vorfahren auf einem Sklavenschiff eingetrichtert hat?", fragte er.

Die nuancierten Fragen und Überlegungen Le1fs überraschen vielleicht, wenn ihr seiner Musik bislang nicht sonderlich aufmerksam zugehört habt. Obwohl sie von ansteckenden und flirrenden Beats getragen werden, die für Clubs gemacht sind, sind seine Tracks schon immer auf clevere Weise politisch. Sein Debütalbum Riot Boi, das diesen Herbst auf XL Recordings erscheinen wird, wurde von ein paar der momentan heißesten Produzenten—SOPHIE, Evian Christ, Dubbel Dutch—mitproduziert, beschäftigt sich aber auch mit Fragen der Akzeptanz von Transpersonen und Diskriminierung. „Ich will Musik machen, die ich mir selber anhören würde. Ich will Songs machen wie Rich Homi Quan und Beyoncé", sagte er. „Ich will nur, dass es darin um andere Themen geht."

Seine Tracks fordern ihre Hörer auf, sich mit der Verbindung zwischen der Bewegung, die die Beats schaffen, und der darunter liegenden Message zu beschäftigen. Seine Stimme ist tief und sein Flow maschinengewehrschnell, eine Avantgarde-Version von Busta Rhymes. Sein Sound ist nicht nur wegen seiner Geschwindigkeit beeindruckend, sondern auch wegen seiner klanglichen Tiefe—die meisten populären zeitgenössischen Rapper—Drake, Kendrick Lamar, Young Thug—arbeiten in einer wesentlichen höheren Tonlage. Le1f machte 2009 zunächst als Produzent von Tracks wie „Combination Pizza Hut and Taco Bell" von Das Racist auf sich aufmerksam. Der Song prägte sich neben seinem albernen Text auch wegen seiner Produktion ein. Die Beats waren relativ eintönig, veränderten sich aber langsam durch eingespielte trillernde Samples und Manipulationen der Vocals. Vor allem fielen aber die krassen und ungewöhnlichen Synthesizer-Sounds auf, die wenig später zu Le1fs Markenzeichen werden sollten. Der Track kam in einer seltsamen Zwischenphase des Rap und der elektronischen Musik heraus, die damals noch nicht auf dem Höhepunkt waren, die sie im Mainstream in den letzten fünf Jahren erreicht haben. Le1fs erste Produktionen waren Vorläufer der progressiven Soundästhetik, die beide Genre inzwischen dominiert.

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Es sollte noch drei Jahre dauern, bis Le1f sich 2012 mit der Veröffentlichung seines Mixtapes Dark York auch als Rapper bekannt zu machen begann—zu einem Zeitpunkt also, als sich eine neue Klasse schwarzer, oft auch queerer Avantgarde-Performer herauszukristallisieren begann. Azealia Banks, Mykki Blanco und Zebra Katz hatten mit lyrisch dichten Singles und einer komplexen und Genre überschreitenden persönlichen Ästhetik auf sich aufmerksam gemacht. In „Wut", der viralen, von 5kinAndBone5 produzierten Leadsingle des Mixtapes, rappt Le1f: „I'm getting light in my loafers", was ihm schnell zu dem Spitznamen „der schwule Rapper" verhalf. Obwohl Le1f nie davor zurückgescheut ist, seine sexuellen Orientierung in seiner Musik zum Thema zu machen, ist diese Bezeichnung doch auch irgendwie eine Beschränkung für ihn, weil sie seine Sexualität in seiner Musik an erste Stelle setzt, und ihn aus dem Mainstream-Rap ausschließt.

Le1f ist schwul und rappt über sein Schwulsein, aber er ist kein schwuler Rapper. Der „schwule Rap", für den Le1f bekannt geworden ist, ist sehr viel komplizierter, als es eine solche Bezeichnung ausdrücken kann. Er konzentriert sich vor allem darauf, die Macht des männlichen Blicks herauszufordern bzw. die Fetischisierung schwarzer Körper durch weiße Männer zu dekonstruieren.

Das Video zu „Wut" ist ein visuelles Fest junger Körper: schwarze und braune Frauen in Sneakers und Absatzschuhen, Einer der faszinierendsten Körper bleibt anonym: ein weißer Mann, der nur ein paar schwarze Shorts und eine Pikachu-Maske trägt. Sein muskulöser Körper glänzt. Le1f setzt sich auf seinen Schoß und rappt in die Kamera: „He really wanna cuddle/ The fever is in his eyes, he wanna suckle on my muscle/ He wanna burst my bubble and see what's in my jungle/ A Christopher Columbo fumbles, how's that cookie crumbled?" Wir sehen, wie ein bekleideter Le1f eine Position der Macht einnimmt. Sein schwarzer Körper, normalerweise eine Zielscheibe für Spott, Brutalität und Kontrolle, kontrolliert den Blick jetzt selbst. Im Text beschreibt er die Blickrichtung des weißen Mannes, im Video durchbricht er sie. Le1f eignet sich die uns gewohnten Bilder an—die des weißen Schwulen als Sinnbild der Homosexualität, die übertriebene Heterosexualität der Welt des Hiphop—und gibt uns etwas Neues und Radikales. Eine Textzeile fasst es zusammen: „Ask a gay question/ Here is a black answer."

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Orvis Staubmantel, Import Export Newport New York T-Shirt, Le1fs eigene Hose, Schuhe und Fischerhut

Mit Riot Boi bleibt Le1f komplexen Themen weiter­hin treu. „Ich hatte, seit ich 16 war, Google Docs mit einer Themenliste", sagte er mir. „Eine Art Stichwortliste sozialer Themen oder besser gesagt von Dingen, über die ich sprechen wollte." Für Le1f ist es nur natürlich, dass all diese Dinge in eine einzige Platte einfließen sollen. „Es gibt auf jeden Fall das übergreifende Thema, zu wissen, was in der Welt um dich herum los ist, und dem mit Respekt zu begegnen", sagte er. „Die Platte ist sehr pro-trans, pro-sauberes-Wasser und pro-Black-Lives-Matter."

Le1f lieferte das Album im Frühjahr mit einem ganzen Jahr Verspätung bei seinem Label ab. „Ich bin einfach ein Snob gewesen und habe viel zu viel Aufwand betrieben", sagte er. Aber für sein Zögern gab es einen guten Grund. Er versuchte, 20 Tracks zu einem funktionierenden Album zu komprimieren, das nach der jahrelangen Arbeit an seinem Ruf im Internet und im Underground die nötige Schlagkraft haben würde.

Nach unserem Lunch rief Le1f ein Uber-Taxi, das uns zu seinem Stammfriseur an der Kreuzung der 134th Street mit dem Frederick Douglass Boulevard brachte. Er sollte am nächsten Tag beim Firefly Music Festival in Dover, Delaware, auftreten, und wollte sich seinen Fade noch einmal auffrischen lassen, bevor er sich später am Nachmittag auf den Weg dorthin machte.

Der Laden sah aus wie jeder beliebige andere von Schwarzen betriebene Herrenfriseur im Land. Der Boden war mit kleinen Haufen frisch geschnittener Haare übersät und auf den großen Friseurstühlen saßen junge und alte Männer.

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Le1fs Friseurin war die einzige Frau in dem Laden. Er war ursprünglich wegen ihrer guten Designs zu ihr gegangen und hielt ihr nun aus Loyalität die Treue, nachdem sie ihre Stelle bei einem anderen Friseur verloren hatte. Als sie dort einmal nicht vor Ort gewesen war, hatte er sich die Haare von einem männlichen Friseur schneiden lassen, und als er dann das nächste Mal kam, behauptete dieser, dass Le1f sein Kunde sei. „Der Boss oder Manager oder was auch immer begann sie als Bitch oder Kampflesbe zu dissen und sie sagte nur: ‚Heute nicht'", und marschierte aus dem Laden. Le1f folgte ihr an ihren neuen Arbeitsort. Er fand es wichtig, sie zu unterstützen, nachdem sie rausgeworfen bzw. „homophob gekündigt" worden war, wie er es nennt. Nach dem Haarschnitt gingen Le1f und ich zu der Wohnung, die er mit seinem besten Freund, dem Maler und Rapper DonChristian Jones, teilt. Trotz seines zunehmenden Erfolgs wohnen Le1f, Jones und ihr Mitbewohner wie viele andere junge Leute auch. Ihre Wohnung ist verwinkelt, dunkel und schlecht geschnitten. Während unseres Gesprächs drang das Dröhnen der Stadt durch die Fenster—eine Symphonie aus Krankenwagensirenen und scherzhaften Streitereien zwischen Nachbarn. Le1f und Jones schienen die Geräusche gar nicht mehr wahrzunehmen. Die zwei hatten sich im College, an der Wesleyan University in Connecticut, kennengelernt. Jones studierte dort Malerei und Le1f Ballett und Modern Dance. Er hatte schon mit vier Jahre am Dance Theatre of Harlem mit Tanzstunden begonnen. Während der Highschool war Le1f von der Dance School an die Concord Academy gewechselt, eine Internatsschule in Massachusetts. Obwohl das Dance Theatre ihm solide Tanzgrundlagen vermittelt hatte, ging er unter anderem von dort weg, um „mehr zu lernen als nur Ballett".

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„Dort gab es keinen Raum für, na ja, Körper", beschrieb er die strikte Ausrichtung des Programms auf klassische Formen. „Es gab keine Vorstellung davon, dass Körper von sich aus befähigt sind." An der Wesleyan University studierte er weiter Tanz. Er und Jones lebten im Eclectic House, einem für die Tänzer und anderen Künstler der Schule bestimmten Internat. Er begann, Beats für die Tanzveranstaltungen des Internats zu basteln, und merkte, dass ihm das Spaß machte. „Ich habe scheinbar ein Ohr für die Produktion", sagte er. „Wahrscheinlich ein besseres Ohr als für viele andere Sachen." Er lernte nicht so sehr, indem er Melodien zusammenbastelte, sondern indem er heruntergeladene Samples zu zufälligen Arrangements zusammenpackte und dann die „hässlichen Töne" entfernte.

Nach dem Studium zog er nach New York zurück und begann, sich mit Musik zu beschäftigen. Obwohl er hauptsächlich Tanz studiert hatte, wusste er, dass er eher mit seiner Stimme arbeiten wollte. „Wenn du an der Highschool Modern Dance studiert hast, macht dich das nicht automatisch zu einem guten Rapper", witzelte er. Es waren eher seine Tanzproduktionen und die Zeit an der Academy, die ihm den Weg zum Rap bahnten. Tanz—und Bewegung—sind aber auch weiterhin zentral bei allem was Le1f tut. Darauf baut auch seine Vorstellung von den Individuen, die seine Musik hören, auf. Es geht um Körper, die „von sich aus befähigt" sind, die das Recht haben zu machen, was sie wollen, egal was andere als normal oder akzeptabel deklarieren.

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Le1fs musikalische Träume gehen auf seine Teenagerzeit zurück, in der er Dizzee Rascals Grime-Debutalbum Boy in da Corner hörte. Als Dizzees zweites Album Showtime herauskam, schaute er sich dessen Label XL Recordings an. Auf deren Website stieß er auf eine junge Rapperin aus London—M.I.A. „Das war der Sommer meines Lebens", sagte er über die Zeit, nachdem er M.I.A und das Video ihrer ersten Single „Galang" entdeckt hatte. „Das war der Moment, wo ich beschloss, dass ich diese Art Performer werden wollte", sagte er. Mit M.I.A. hatte er eine Künstlerin gefunden, die es cool machte, über soziale und politische Themen zu sprechen. „Ich glaube, es ist effektiver, wenn man es eher unterschwellig hält", sagte er. Weil Le1f so viel unterwegs ist, herrschte in seinem Zimmer ein ziemliches Chaos. Überall lagen Klamotten in durchsichtigen Plastiktüten herum, die sein Mitbewohner vor den Bettwanzen hatte retten wollen. (In einem Riot-Boi-Track rappt er: "My room's a mess because designers keep on giving me gifts.") Jones' Zimmer war ebenfalls mit Klamotten und Schuhen übersät, und mit Marihuana-Resten, aber dort hingen wir ab, während sich die beiden auf die Fahrt nach Delaware vorbereiteten. Le1f nahm einen Zug von einem schon angezündeten Joint. Neben einem bunten Stapel Klamotten lagen ein paar aufgerollte Leinwände, die noch aus Jones' Uni-Abschlussarbeit stammten. Er zeigte mir ein paar Ölbilder, auf denen Freunde von ihm zu sehen waren, während wir eine Playlist aus Remixen und Originalen von aktuellen Musikern wie Dre Green hörten. Die beste Leinwand hatte Jones sich bis zum Ende aufgehoben: ein fast lebensgroßes Öl- und Acrylgemälde von Le1f mit dem Titel „Bitches Say I'm Tacky Daddy". Auf dem Bild sieht Le1f merklich jünger aus, er hat ein schmaleres Gesicht und einen leichteren Körper, aber seine Essenz ist dennoch komplett präsent. Er hat eine Hand auf der Hüfte liegen, die andere hält er so nach oben und innen, dass sie mit den Fingerspitzen leicht auf seiner Schulter aufliegt. Er trägt ein buntes Tanktop und seine Augen sind gerade nach vorn gerichtet, sein Blick von herausfordernder Entschlossenheit. Dieser Typ hatte sich etwas vorgenommen.

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Am Nachmittag seines Auftritts beim Firefly Music Festival ließ Le1f die Wasserflaschen und Obstteller, die man ihm in seinem improvisierten Warteraum hingestellt hatte, links liegen, um sich stattdessen einen Joint mit Jones und Javas Ganguly, a.k.a. Javascript zu teilen, einem alten Freund. Der Joint war der erste Teil von Le1fs Vorbereitungsritual, zu dem auch diverse Streckübungen gehörten, die wie Aufwärmübungen bei Sport aussahen.

„Ich mache mehr Dehnungs- als Gesangsübungen", sagte er. „Ich muss immer noch lernen, wie man als Nichttänzer auftritt." Eine Gruppe von Männern Mitte 20, die für das Festival arbeiteten, sahen Le1f erst kichernd, dann stumm dabei zu, wie er seine Arme hinter den Beinen verschränkte, aufstand und seinen Hals nach hinten bog. Er hielt sein glattes Gesicht in den Luftzug und in die vereinzelten Sonnenstrahlen, die sich durch die Wolkendecke gekämpft hatten. Dann ließ er seine Arme an seiner Seite kurz locker nach unten hängen, bevor er nach oben schnellte. Jetzt konnte die Show beginnen.

Für die Performance trug Le1f ein paar ausgelatschte, schlammige schwarze Stiefel und ein locker sitzendes schwarzen Trikothemd aus Schwimmanzugstoff, das kurz über seinen Knien endete. Auf dem Kopf trug er ein schwindelerregendes und wunderschön verziertes Basecap, das seinen neuen Haarschnitt verdeckte. Eine Krone aus Stoffrosen und Streifen aus goldener Spitze war am unteren Rand des Caps befestigt und blaue Fransen hingen ihm an der Seite des Gesichts herab. Dieses Bühnenkostüm war dafür gemacht, darin zu tanzen, und das Tanzen ist das Herz von Le1fs Life-Performances. „Ich muss mich darin bewegen können, wie ich es will, tanzen können, wie ich es will", sagte er. „Alles was passiert, wenn jemand zuschaut, ist eine Performance. Wenn du vor jemandem den Kopf verdrehst, ist das eine Performance. Wenn du irgendwas anziehst, ist das eine Performance." Le1fs Life-Auftritte sind von Künstlerinnen wie M.I.A. und Grace Jones inspiriert, deren herausfordernde Körperlichkeit sie zu Ikonen macht. Jones' Figur, ihr starker, schlanker, athletischer Körper und die Art, wie sie ihn auf der Bühne einsetzt, hat seinen künstlerischen Stil beeinflusst. „ Die Tatsache, dass dein Körper eine Präsenz hat, dass er real ist, dass er eine Form hat, eine Farbe, eine bestimmte Substanz—und das Gleiche gilt auch für Stoffe und Kleidung—ich finde, dass das die Mode und die Art, wie ich mich auf der Bühne anziehe, ganz wesentlich beeinflusst hat."

Grace Jones ist schon allein wegen ihrer satten braunen Haut für Le1f ein wichtiger Richtpunkt. „Ich finde, es gibt Leute, die einfach auftauchen—also Prominente, die einfach daherkommen—und einen bestimmten Look attraktiv machen. Keine Klamotten, sondern eine bestimmte Gesichtsform, eine Hautfarbe, eine ethnische oder genetische Herkunft. Sie können diese Dinge schön machen. So war es, finde ich, mit Grace Jones." Ein von Evian Christ produzierter Song auf Riot Boi, „Grace, Alek, or Naomi", feiert dunkelhäutige Frauen wie Jones, Alek Wek, Naomi Campbell, Ataui und Ajak Deng. Es ist ein Loblied auf ihre vielschichtige Schönheit, und auf seine eigene.

„Umami", ein weiterer Song, feiert eine andere schwarze Frau, die Künstlerin und DJane Juliana Huxtable. Huxtable, eine Freundin von Le1f, kam als Intersex zur Welt und bekam dann das männliche Geschlecht zugewiesen. „I like that she's cool cuz she loves her body", rappt er. Le1f würde für das Video gern mit einer ganzen Reihe Transfrauen zusammenarbeiten—neben Huxtable mit dem Model und der Schauspielerin Hari Nef und der Künstlerin Kia LaBeija—die er in den Posen klassischer Gemälde darstellen will.

Während Le1fs Performance schwoll das Publikum merklich an. Während die Synth-Sounds eines neuen Tracks, „Koi", einsetzten, rannte ein Teenager in einem '96-Dream-Team-Shirt zur Bühne. Obwohl der Song noch nicht offiziell veröffentlicht worden ist, hat er allein durch die kurzen Clips, die Le1f auf seiner Instagramseite gepostet hat, schon eine Fangemeinde. „Das ist der Track, der einschlagen wird", sagte mir DonChristian Jones am Bühnenrand. „You wanna get to know me/ Wanna be my homie/ I just came to party/ Not here for you boy", singt Le1f in dem Track. Der Song, der von SOPHIE von PC Music produziert worden ist, ist ein seltsames Mash-up aus Pop und Elektronischer Tanzmusik. „Es handelt von einem Jungen", war alles, was Le1f dazu sagen wollte.

Le1f der Performer, in seinen verschiedenen Manifestationen als Tänzer und Musiker, ist die eigentliche Attraktion. Die Life-Version von „Koi" lieferte den Beweis dafür ab. Le1f tanzte über die Bühne, ließ die Hüften kreisen, schmiss sich in Vogueing-Posen und hielt das Mikro umklammert, als wäre jedes neue Wort noch wichtiger als das vorangegangene. Wer ihn performen sieht, wird Zeuge von Anmut, Wut und Leidenschaft. Seine Wirkung ist faszinierend und energetisierend zugleich. Auch das Publikum hier spürte diese Kraft und sprang und klatschte zu den Beats, die vielleicht das Beste sind, was SOPHIE bis dato produziert hat. Wie bei jedem guten PC-Music-Song (will sagen, wie bei jedem tollen Popsong), weiß man, dass er gut ist, wenn man ihn das erste Mal hört.

Aber die Großartigkeit des Songs geht nicht allein auf SOPHIEs Konto. Ein Beat wird erst durch den richtigen Touch zu einem Song, sei es durch die Produktion oder die Lyrics. Bei „Koi", wie bei Le1fs Songs allgemein, stimmen alle diese Faktoren gleichermaßen. Wie er aussieht und wie er ist und was er sagt, ist etwas, das man nicht mehr vergisst. Und im Moment könnte die Welt gut noch ein paar mehr Charaktere wie ihn gebrauchen.