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Clubkultur

Serious Techno Shit in Köln: das Gewölbe

Die Gewölbe-Macher erklären uns, warum die großen Acts so gerne in ihren kleinen Club kommen.

Dancemusik ist vielfältig wie selten zuvor und der Boom scheint nicht abzuebben. Doch gerade die kleineren Clubs haben es schwer, im Kampf um die großen Namen mitzuhalten, denn die Gagen explodieren weiter. Das Kölner Gewölbe am Westbahnhof zählt seit der ersten Wiedereröffnung 2009 (gefolgt von einer kurzen Unterbrechung 2010) zu den beliebtesten Clubs der Stadt. Allein in den vergangenen Monaten spielten hier Leute wie Laurent Garnier und Maceo Plex, Labelnächte wurden im Zeichen von Dystopian und Dial zelebriert, UK-Acts wie Jackmaster oder Mosca ebenso gebucht wie alte Helden aus Detroit. Für einen Club mit einer Kapazität von 400 Leuten eigentlich kaum zu stemmen. Wir sprachen mit Geschäftsführer Heiko Rühl sowie Booker und Resident-DJ Shumi über die Entwicklungen in der Clubkultur und Strategien in Zeiten des Bookingwahnsinns.

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THUMP: Erzählt bitte mal ein bisschen was zur Geschichte des Gewölbes. Wie ist der Club entstanden?
Shumi: Ganz früher, also Mitte der Neunziger, war hier das Jugendcafé vom DGB, der ja auf der anderen Straßenseite sitzt. Es gab vereinzelt Partys, bei denen Leute wie Hans Nieswandt, Eric D. Clark und Justus Köhncke gespielt haben.

Heiko: Anfangs war im vorderen Teil noch ein Friseurladen und der Hinterraum wurde als Büro genutzt. Die Partys waren komplett improvisiert, Biertische rein, Plattenteller drauf, Mixer, 4 Boxen, fertig. Irgendwann haben sie den Raum dann gemietet, entkernt und eine Bar reingebaut. Das war so die Keimzelle, aus der peu à peu dieser Ort entstanden ist, der heute Gewölbe heißt. Der Name hatte sich über die Jahre eingebürgert, weil der Raum eben diese Gewölbeform hat.

Der Club ist sehr minimalistisch eingerichtet. Auf Accessoires wird weitgehend verzichtet. Ein Statement, dass der Fokus in einem guten Club eigentlich auf dem Sound liegen sollte?
Shumi: Ein guter Club ist ja so eine Art White Cube, der gefüllt wird mit dem Programm und den Leuten. In Sachen Einrichtung ist mir schnell alles zu viel, wir hatten auch mal überlegt, ob man nicht vielleicht ein paar Bilder reinhängen könnte. Ich finde, das muss nicht sein. Ein guter Raum spricht für sich. Ein paar Kleinigkeiten werden wir aber verändern, es soll zum Beispiel eine Bühne rein, da wir künftig auch konzertante Sachen machen wollen.

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Mit der Gagenexplosion der letzten Jahre habt ihr natürlich auch zu kämpfen. Trotzdem findet man noch regelmäßig große Namen im Programm, obwohl der Club nur eine Kapazität für 400 Leute hat.
Heiko: Vieles läuft zum Glück über persönliche Kontakte und unsere Resident DJs. Bei den Gagen sind wir niemals die Topplayer. Namen wie Carl Craig oder Derrick May, die beide demnächst wieder hier spielen werden, kannst du nur buchen, wenn sie eh gerade in Europa auf Tour sind. Die haben schon häufiger bei uns gespielt und kommen immer wieder gerne. Die nehmen zwischendurch auch mal einen kleinen Clubgig mit und verzichten dafür auf ein paar Euros, weil sie eben wissen, dass es bei unserer Größe gagentechnisch Grenzen gibt.

Wie sehr trifft euch die Entwicklung der letzten Jahre?
Shumi: Was das Booking angeht, wird einfach immer härter verhandelt. Gerade mit den britischen Agenturen musst du mehrmals hin- und herschreiben, bis sich da was realisieren lässt. Das ist schon krass geworden.

Heiko: Die Agenturen schauen natürlich, dass sie beim nächsten Booking immer noch ein bisschen mehr rausschlagen können. Andererseits gibt es viele Künstler, die gerne zu uns kommen und offen sind für neue Bookings. Das wissen die Agenturen ja auch, da kann man schon mit den Leuten reden. Derrick May zum Beispiel fühlt sich pudelwohl hier, für den ist es auch wichtig, ab und an in kleineren Läden zu spielen, um mit der Basis Kontakt zu halten.

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Shumi: Den umgekehrten Fall gibt es auch. Wir werden manchmal von größeren Acts angeschrieben, die gerne mal in einem kleineren Club spielen wollen, um kredibil zu bleiben. Dann müssen wir abwägen, ob und wie das Sinn macht.

Wie würdet ihr eure Bookingpolitik beschreiben?
Heiko: Das Programm sollte eine gewisse Bandbreite abdecken, eine gute Mischung aus vergessenen alten Helden, ein paar unbekannteren, aber interessanten Künstlern, und auch mal ganz neuen Leuten, die erst ein oder zwei Platten draußen haben. Ich denke, das sind die Stärken von Shumi und Marcel (Janovsky, ebenfalls Booker und Resident im Gewölbe): Sie haben als DJ und Labelbetreiber diesen sehr guten Überblick über das, was so passiert. Deswegen sind wir immer relativ früh dabei, wenn es darum geht, Newcomer zeitig zu buchen.

Shumi: Ein gutes Beispiel ist KiNK. Der war das erste Mal vor drei Jahren da, vor vielleicht 80 Leuten oder so. Dann wurde er Resident Advisor-Liveact des Jahres und ist entsprechend gewachsen. Der kommt natürlich nicht mehr für die Gage von damals, aber er hat eben Bock und weiß, worauf er sich einlässt. So macht es natürlich Spaß.

Heiko: Das ist sicher ein wichtiger Punkt. Wir setzten nicht nur auf die Etablierten, sondern buchen auch Newcomer, die mit der Zeit wachsen und trotzdem gerne wiederkommen. Andererseits ist dieses Newcomer-Booking immer ein Risiko. Gerade bei der UK-Bassmusik haben wir uns schon ziemlich auf die Schnauze gelegt. Es gab einfach Sachen, die auf der Insel populär waren und die wir auch wahnsinnig spannend fanden, die aber einfach eine gewisse Zeit brauchten, bis sie in Köln funktionierten. In letzter Zeit hat sich das ein bisschen geändert, mit der [elek'tro:nik mju:zik] haben wir mittlerweile ja auch eine eigene Partyreihe, die sich vermehrt diesem Thema widmet und gute Leute von der Insel rüberholt.

Was sind gerade so die Sachen, die gut funktionieren?
Shumi: Gerade spielt uns die Entwicklung der elektronischen Musik ein bisschen in die Hände. Techno ist wieder voll im Kommen, je dunkler und härter, desto besser. Wir sind ja der Club für den Serious Techno Shit (lacht). Sachen wie Dystopian funktionieren einfach wahnsinnig gut gerade, die waren ja schon mehrmals in unterschiedlichster Besetzung hier. Ich glaube, das wird in diesem Jahr auch noch mehr. Nach dieser Überdosis an Deep House wollen die Leute eben wieder Techno.

Man hat ja eh den Eindruck, das funktioniert so wellenförmig.
Heiko: Genau. Ich erinnere mich noch an Abende im alten Gewölbe um die Jahrtausendwende, die Zeit von Minimal Techno. Da gab es einen regelmäßigen House-Abend mit Marcus Worgull von Innervisions, der unter anderem auch seine Freunde Âme und Dixon eingeladen hatte. Da warst du aber froh, wenn 150 Leute kamen. Das hatte damals einfach keinen interessiert. Zehn Jahre später sah es wieder ganz anders aus, da war der Laden für solche Acts zu klein.

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