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So erklärt Cem Özdemir, warum eine Drogenlegalisierung dich schützen würde

Vielleicht gibt es Hoffnung und seine Wiederbelebung der Debatte führt zu einer dringend notwendigen Reform in der deutschen Drogenpolitik.
Hat einen Plan: Cem Özdemir bei eine Pressekonferenz anlässlich der Ergebnisse des Landtagswahljahres 2016. Foto: Imago

Vor einigen Tagen machte die Meldung die Runde, dass die Berliner Polizei ihren Kampf gegen die Drogendealer im Görlitzer Park aufgegeben hat. Also nichts mit der "Null-Toleranz-Zone", die Innensenator Frank Henkel vor einem Jahr vollmundig ankündigte. Diesen Umstand hat Cem Özdemir nun zum Anlass genommen, mit der bundesdeutschen Drogenpolitik abzurechnen.

In einem Artikel für Die Welt schreibt der Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende der Grünen über das Scheitern der Verbotspolitik in Sachen Cannabis. Die Politik von Henkel habe das erneut gezeigt. Sie beinhaltete vor allem die strafrechtliche Verfolgung des Besitzes kleiner Mengen Cannabis. Konsumenten wurden und werden mit einem riesigen Repressionsapparat bestraft. All das hat nichts geändert. Bereits vor einem Jahr wurde das durch eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei bei der Senatsinnenverwaltung der Stadt Berlin deutlich.

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Versagen der deutschen Drogenpolitik

Das Verhalten der Dealer habe sich "nicht grundlegend geändert", heißt es in der Antwort. Die Dealer hätten sich von der Polizeipräsenz nicht abschrecken lassen: "Umfassende und dauerhafte Verlagerungseffekte konnten von der Polizei bisher nicht festgestellt werden." Der Senat hatte nur für den Görlitzer Park im April 2015 eine Sonderregel eingeführt, wonach Cannabisbesitz für den Eigenbedarf nicht mehr toleriert, sondern bestraft wird. Bis dahin stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsverfahren bei Mengen bis 15 Gramm ein.

Trotz der erwiesenen Wirkungslosigkeit der bisherigen Drogenpolitik, ist die Debatte von einer Versachlichung weit entfernt. "Mitunter habe ich den Eindruck, dass die Verfechter einer Verbotspolitik wider besseren Wissens an ihren Positionen festhalten, weil sie nicht den Mut aufbringen, aus Fehlern zu lernen und diese Einsicht auch politisch umzusetzen", schreibt Özdemir daher auch treffend.

Trotzdem keine Legalisierung

Statt die bisherige Politik zu beenden und sich der Alternative einer Legalisierung zuzuwenden, wird diese immer wieder mit den selben Argumenten abgelehnt. Zum Beispiel, dass ein legaler Verkauf den Konsum verstärken werde, insbesondere bei der Jugend. Wie Özdemir aufzeigt, hat die seit Jahrzehnten praktizierte Verbotspolitik jedoch keinen Rückgang des Konsums bewirkt. 2,3 Millionen Volljährige kiffen regelmäßig. Unter den Schülern zwischen 15 und 16 Jahren, sind es ungefähr 25 %.

Auch aus dem aktuellen Bundesdrogenbericht geht hervor, dass Gras zu den konstantesten und beliebtesten Drogen unter Jugendlichen zählt. Gut jeder Zehnte der 12- bis 17-Jährigen gaben, schon mal gekifft zu haben, während eine Altersklasse darüber (18-25 Jahre) mehr als ein Drittel schon mal einen „gedübelt" haben. In Colorado sei die Zahl der Cannabis-Konsumenten laut Özdemir zudem trotz Legalisierung zurückgegangen.

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Cem Özdemir kommt daher zu dieser Schlussfolgerung: "Durch die Verbotspolitik ist weder die Nachfrage zurückgegangen, noch ist ein effektiver Jugendschutz überhaupt möglich, da der Dealer wohl kaum nach dem Ausweis fragt. Darüber hinaus verhindert der Schwarzmarkt jegliche Kontrolle über die Inhaltsstoffe, wodurch ein effektiver Verbraucherschutz de facto unmöglich ist." Verunreinigtes Cannabis führt letztendlich zu dazu, dass das "Risikoprofil der Droge" erhöht werde. Daher ist die Gefährdung für dich und deine Freunde durch die derzeitige Drogenpolitik viel höher als durch eine Legalisierung.

Jugendschutz und Legalisierung kein Widerspruch

Der Jugendschutz ist für Özdemir also durch eine Cannabis-Legalisierung nicht in Gefahr, er kann durch sie überhaupt erst um- und durchgesetzt werden. Seine praktischen Pläne dafür sind nicht neu, wie auch seine Argumente, was sie natürlich nicht falsch macht. Analog zu vielen positiven Beispielen aus einigen US-Bundesstaaten sowie Uruguay und Spanien, fordert er spezielle Cannabisfachgeschäfte, die "besonders strenge Auflagen zu erfüllen haben, um eine Verkaufslizenz zu erhalten." Mitarbeiter sollen geschult werden und regelmäßig Fortbildungen besuchen. Der Jugendschutz soll durch ein Werbeverbot, Versandhandelsverbot und einem Mindestabstand der Cannabisfachgeschäfte zu Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen garantiert werden.

Zwar sind ökonomische Argumente im Kontext der Legalisierungsdebatte für Özdemir eigentlich zweitrangig, dennoch weist er auf die möglichen Steuereinnahmen (ca. 2 Milliarden Euro) durch einen legalen Verkauf von Cannabis hin. Das Geld könne in Programme zur Aufklärung und Suchtprävention gesteckt werden. Zudem würde man sich die Kosten zur Strafverfolgung sparen, die bisher bei rund 1,8 Milliarden Euro liegen. Außerdem könne Personal bei der Polizei freigesetzt werden, das an anderen Stelle dringend gebraucht werde. Wo genau mehr Beamte benötigt werden, erwähnt Özdemir nicht. Aber vielleicht sollte man mit den freigesetzten Ressourcen gegen die sogenannten Reichsbürger mal so vorgehen, wie man es sonst mit den Dealern im Görlitzer Park macht.

Neben denen, die unbelehrbar an der prohibitiven Drogenpolitik festhalten, gibt es aber zumindest Personen, die sich nicht durch die Zugehörigkeit zu einer Kifferlobby verdächtig machen und für eine Legalisierung sind. André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, sagte zum Beispiel kürzlich: "Noch nie gab es so viele Drogenkonsumenten wie heute und das trotz eines kompletten Drogenverbotes." Auch der Schildower Kreis, ein Zusammenschluss von 122 Professoren aus den Bereichen Strafrecht und Kriminologie, kritisiert die aktuelle Drogenpolitik ebenfalls unmissverständlich, wenn er feststellt: "Die strafrechtliche Drogenprohibition ist gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch."

Vielleicht gibt es also Hoffnung und Özdemirs Wiederbelebung der Debatte führt zu einer dringend notwendigen Reform in der deutschen Drogenpolitik.

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