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Feature

The Black Madonna über ihr wunderbar paradoxes Dasein als katholische DJ

"Ich fand heraus, dass Gott für mich nicht still ist. Gott ist laut. Aber Die wenigen Frauen in unserer Religion, mit denen wir uns identifizieren können, werden in unseren Gemeinschaften oft auf unfaire Weise beschmutzt."
Illustration by Leesh Adamerovich

Ich bin DJ, Produzentin und ich bin eine furchtbare, nicht sonderlich gute, launische, freigeistige—trotzdem irgendwie doch praktizierende—Katholikin. Als fortschrittlich denkende und feministische Person widerspreche ich der Kirche in mehr Dingen, als ich aufzählen kann. Trotzdem haben die Ikonographie, die Rituale und Allegorien des Katholizismus ihren Weg in beinahe jedes Kunstwerk gefunden, das ich je erschaffen habe. Mein katholischer Glaube ist ein Teil von mir und dem lässt sich nicht entkommen.

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Die religiösen Wurzeln meiner Familie sind auf meinen Großvater zurückzuführen, der als junger Mann eine mystische Erfahrung hatte. Zuvor wollte er Sportmoderator beim Radio werden. Doch eines Tages, so sagte er, hörte er die Stimme Gottes, die ihn eindeutig dahin leitete, Ministrant zu werden. Die Erfahrung änderte den Lauf seines Lebens und führte dazu, dass er methodistischer Ministrant wurde, bevor er letztendlich in die katholische Kirche eintrat.

Der Rest meiner Familie folgte ihm.

In meiner Kindheit ging ich in die Holy Cross Church in Jackson, Kentucky, und ich liebte alles daran. Die Rituale. Den Gesang. Die akademische Tradition innerhalb der Kirche. Der einfache, sanfte Akt, sich dem Nachbar zuzuwenden und zu sagen: "Friede sei mit dir."

Ich freundete mich mit einer Nonne an und träumte heimlich davon, irgendwann selbst ihre Tracht zu tragen. Aber ich war eine schlechte Schülerin. Schwester Wendy sagte, es sei egal, ob ich die Zehn Gebote aufsagen könne, solange ich weiß, dass Gott mich liebt. Und das wusste ich. Ich fühlte mich akzeptiert, geliebt und als Teil von etwas Größerem.

Für meine progressive Familie stand Gott für Güte, Hingabe, soziale Gerechtigkeit, akademisches Leben und Kunst. Meine Großeltern unterstützten Studenten mit Essen und manchmal auch mit einem Dach über dem Kopf, wenn sie nicht genug Geld für Bücher und Essen hatten. Sie waren in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Mein Großvater hatte die Art von Glauben, die dir ein gutes Gefühl gab, wenn er nur um dich herum war. Es war nicht übertrieben oder tugendhaft oder konservativ. Er war mit dem katholischen Autor und Mönch Thomas Merton befreundet und schrieb mit C.S. Lewis.

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Unser Esstisch war immer voll mit Familie und gelegentlich auch mit Theologen und Professoren, die zu Besuch waren und mit denen bis in die Nacht und weit nach dem Abendessen debattiert wurde. Doch gegen Ende seines Lebens, als er mir von dieser ersten mystischen Erfahrung erzählte, gab mein Großvater zu—beinahe zweifelnd—dass Gott nie wieder so direkt zu ihm gesprochen hatte wie damals. Als ich dies hörte, konnte ich nicht glauben, dass Gott nur einmal zu jemandem sprechen, das Leben dieser Person ändern und dann verstummen sollte. Es schien solch ein Verrat zu sein.

Ich konnte nicht glauben, dass Gott nur einmal zu jemandem sprechen und dann verstummen sollte. Es schien solch ein Verrat zu sein.

Als ich älter und zu einer passionierten jungen Feministin wurde, die sich mit ihrer eigenen queeren Identität herumschlug, stellte ich fest, dass Gott auch zu mir nicht mehr so "sprach", wie er es einmal getan hatte. Die idyllischen Erfahrungen meines kindlichen Kirchenlebens waren nicht mit meinen neuen erwachsenen Werten im Einklang. Ich war nicht allein.

Aber die Hoffnung auf eine progressive Reform innerhalb der Kirche, die viele Katholiken nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hatte, erfüllte sich nicht: Frauen konnten weiterhin nicht zu Priesterinnen geweiht werden. Tatsächlich machte die Kirche in den 80ern, als die AIDS-Krise sich ausweitete, einen Schritt zurück—mit verwerflichen, unmenschlichen Standpunkten gegenüber Verhütung, die ungewollte Schwangerschaften verdammten. Als ich älter wurde, fand ich mich kaum noch in dem Glauben wieder, der mir als Mädchen einmal so viel bedeutet hatte. Während andere Katholiken gegen Abtreibung protestierten, arbeitete ich für das Recht auf Abreibung und verteilte Kondome.

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Es war klar, dass ich nie wieder eine Katholikin mit großem "K" werden würde. Mein Glaube und mein Verstand befanden sich in einem schmerzhaften Konflikt. Und der Verstand gewann.

Gott sei Dank fand ich Dance-Musik.

Die Verbindung zwischen House und dem Evangelium ist ausreichend dokumentiert. Frankie Knuckles beschrieb den Chicagoer Club The Warehouse zum Beispiel als "Kirche für Leute, die vom Glauben abgefallen sind". Mein Herz, das danach lechzte, dieses Gefühl der Transzendenz und Akzeptanz wieder zu spüren, richtete seine Aufmerksamkeit sofort auf diese Verbindung. Ich liebte alles am Tanzen. Die Platten, die aus einem Lautsprecher wummerten. Die nächsten zwanzig Jahre investierte ich in Dance-Musik und fand heraus, dass Gott für mich nicht still ist. Gott ist laut.

Der Clubbesuch wurde eine neue Art von Ritual, ähnlich wie der Besuch einer Messe als Kind. Es gab so viele Analogien zu meinem frühen spirituellen Leben, die auf dem Dancefloor auf mich warteten. Dazu gehörte auch der einfache, gütige Akt, sich seinem Nachbar zuzuwenden und ihn zu umarmen, einfach weil man dieselbe wunderbare Erfahrung teilt.

Tatsächlich fanden viele der kraftvollsten Erfahrungen spiritueller Verbindung auf dem Dancefloor statt. Ich bin am ausgeglichensten—am meisten ich selbst—wenn die Musik den ganzen Raum zusammen erhebt und all die Grenzen zwischen uns für einen kleinen Moment verschwinden.

Die wenigen Frauen in unserer Religion, mit denen wir uns identifizieren können, werden in unseren Gemeinschaften oft auf unfaire Weise beschmutzt.

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Du meinst jetzt vielleicht, dass Dance-Musik meine komplizierte Beziehung zum Katholizismus vollständig ersetzt hat. Doch ich fand heraus, dass mir das Rituelle, die innere Einkehr und die Allegorie meines Glaubens—trotz meiner entschiedenen Unstimmigkeiten mit der Kirche—weiter Orientierung und Trost boten. Das Nachtleben kann zwar freudig aber doch vergänglich sein, mein Glaube hingegen hält die Verbindung zu beständigeren Traditionen und zu meiner Familie aufrecht.

Ich finde mich oft dabei wieder, wie ich Konflikte zwischen den beiden Teilen meines Ichs, als Katholikin und als Musikerin, in meiner Arbeit löse. Ich habe akzeptiert, dass die Symbolik und der rituelle Glaube für immer bleiben werden und ich die Teile, die für mich als rationale und mitfühlende Erwachsene nicht mehr akzeptabel sind, hinter mir lasse.

Viele Aspekte meiner Arbeit und meines spirituellen Lebens sind tief verbunden. Mein Künstlername ist eine Referenz an europäische Statuen und Gemälde der Jungfrau Maria, die bis ins Mittelalter oder noch weiter zurück reichen. Die Tradition dieser Ikone ist in katholischen und orthodoxen Ländern in Europa allgegenwärtig. Sie ist die Nationalikone Polens, die Schutzheilige von Katalonien und alleine in Frankreich gibt es 200 Madonnen, schwarze Madonnen. Ikonen der Black Madonna werden oft besonders mit Wundern, dem plötzlichen Ende von Kriegen und politischen Kämpfen für Freiheit assoziiert.

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Promofoto

Mein Name ehrt meine Mutter, die Tradition unserer Familie, meine Identität und die Heilige, der ich persönlich am meisten zugetan bin. Ich fühle mich der Schwarzen Madonna verbunden, weil sie eine etwas menschlichere Darstellung der Heiligen Mutter ist—verglichen mit ihren geschmückteren und extravagant dekorierten Gegenstücken in der katholischen Kunst. Sie ist einfach und bescheiden. Ihre Ikonographie ist tief geheimnisvoll—ein zentraler Wert des katholischen Glaubens. Sie ist die Mutter unserer Erde. Sie wird geliebt. Sie ist die Friedensbringerin, die Heldin. Sie ist demütig und trotzdem übernatürlich.

Für katholische Frauen wie mich ist Widerspruch in unserer eigenen schwierigen Suche nach dem Göttlichen unausweichlich. Wir handeln mit Paradoxen, weil wir es müssen—fast jede verdammte Spur einer durchschnittlichen Frau wurde aus der Bibel gestrichen und trotzdem sind wir noch hier. Die wenigen Frauen in unserer Religion, mit denen wir uns identifizieren können, werden in unseren Gemeinschaften oft auf unfaire Weise beschmutzt, so wie Maria Magdalena es einmal wurde. Wir suchen in den Schatten des Evangeliums nach Resten dieser Frauen.

Ich schätze, ich würde mich mittlerweile als christliche Humanistin bezeichnen, die nun mal praktizierende Katholikin ist. Wie bei meinem Großvater ist meine Religiosität mehr an der Menschlichkeit des Evangeliums interessiert, an den revolutionären sozialen Ideen Christus' und dem Konzept der Gnade, was für mich perfekt durch Maria verkörpert wird. Ich habe vor langer Zeit religiöse Dogmen für universelle menschliche Achtung, individuelle Freiheit und den Einsatz für andere hinter mir gelassen.

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Mein Glaube ist kein Versprechen, mit den alten Männern übereinzustimmen, die das Sagen haben.

Sehr viele Katholiken sind genauso progressiv wie ich. Gerade viele amerikanische Nonnen setzen sich sehr mit sozialer Gerechtigkeit, feministischem Aktivismus und anderen Anliegen auseinander, die mir sehr wichtig sind. Wir progressiven Katholiken sind gegen die Todesstrafe und Krieg. Wir glauben an Wissenschaft und Vernunft. Wir glauben, dass Armut eine moralische Angelegenheit ist, die wir lösen müssen. Wir sind für das Recht auf Abtreibung, weil wir glauben, dass die Unantastbarkeit des Lebens nicht auf eine medizinische Entscheidung reduziert werden kann, die zwischen einer Frau, ihrem Arzt und ihrem eigenen Glauben getroffen werden sollte. Wir glauben, dass Barmherzigkeit zu zeigen, unerlässlich ist und es verboten ist, zu urteilen. Wir arbeiten hart an einer Reform der Kirche, der Priesterweihe für Frauen und vollständige Inklusivität.

Es gibt vielversprechende Zeichen für einen Wandel, aber es liegt noch ein sehr, sehr langer Weg vor uns.

Trotz meines anhaltenden tiefen Konflikts mit Aspekten der Kirche sind die Rituale des Abendmahls und andere Praktiken beständige Traditionen, die mich mit meiner Familie, meinem Glauben und meiner Gemeinschaft verbinden. Mein Glaube ist kein Versprechen, mit den alten Männern übereinzustimmen, die das Sagen haben. In meinem Schrein zu Hause befinden sich Statuen der Heiligen Mutter aus der ganzen Welt, Bilder meiner Familie und Opferkerzen mit Bildern von Freddie Mercury und Divine darauf. Es gibt Platz für jeden und Zweifel sind willkommen.

Katholizismus steht nicht im Konflikt mit meinem Leben als DJ, er ergänzt es. Für mich nährt ein ideales Leben beide Arten von spirituellen Erfahrungen. Und am Ende, egal, ob ich gerade meditiere, bete, auf dem Dancefloor bin oder hinter den Decks stehe, ist das Ziel immer noch, mich meinem Nachbarn zuzuwenden—wer auch immer es ist—und zu sagen: "Friede sei mit dir."

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