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Mein Interesse war das Ergebnis meiner intensiven Internetnutzung. Mit 13 hatte ich meine erste E-Mail-Adresse, und zwar bei Hotmail. Ich legte mir den MSN Messenger zu und fing an, wahllos Menschen aus Internetforen wie IMDB zu adden, einfach so zum Spaß. Da das genau zu einer Zeit war, als es gerade Internet-Pädophilen-Mordskandale gegeben hatte, wären meine Eltern sicher entsetzt gewesen, wenn sie es mitbekommen hätten. Im selben Jahr bekam ich zum Geburtstag ein Schlagzeug, was mir zusammen mit meinem jugendlichen Desinteresse an allem, was mir keinen Spaß machte, und meiner neu entdeckten Internet-Obsession den Weg zu bescheuertem Aussehen und ebenso bescheuerter Musik ziemlich klar vorzeichnete.
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Ich sage zwar bescheuerte Musik dazu, aber ich habe sie geliebt. Bis heute bin ich der Ansicht, dass es keine drei Singles gibt, die in Folge veröffentlicht wurden und besser sind als „I'm Not Okay", „Helena" und „Ghost of You" vom zweiten Album von My Chemical Romance, Three Cheers for Sweet Revenge (2004). An einem nostalgischen Tag haue ich auch immer noch ein paar der großen Hits rein. Aber zum Großteil war das Zeug einfach Müll. Die Texte waren besonders grottig. Das beliebteste Beispiel für diesen übertriebenen Weltschmerz ist der große Hawthorne-Heights-Hit „Ohio Is For Lovers" von 2004, der den berühmten Refrain „So cut my wrists and black my eyes / So I can fall asleep tonight" enthält—und noch vieles mehr, was ein widerwilliger Junge auf dem Weg zur Schule an die Fensterscheibe der S-Bahn murmeln könnte.Selbstmord und Selbstverletzung spielten für den Stil eine wichtige Rolle. Das Video zu „Roses for the Dead" von Funeral for a Friend (2006) zeigt einen gemobbten Teenager, der am Ende von einem Parkhaus springt. Unsere Teenagerzeit ist ja meist nicht gerade eine Phase der Erleuchtung, und unter den Vertretern meiner Altersgruppe wurde selbstverletzendes Verhalten mit eiskaltem Spott quittiert. Natürlich ging es dabei darum, Aufmerksamkeit zu bekommen, so wie jegliches Verhalten in dem Alter. Aber wenn man jung ist, dann hat man keine Ahnung von den tiefgreifenderen Schrecken des Lebens. Eine erfahrenere Person würde parallele Kratzer auf den Armen eines Mädchens sehen und sich Sorgen machen. Gemeine Teenager sehen dasselbe und fragen sich, wie sie ihr noch mehr zufügen können.
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