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Passt queere Clubkultur nicht aufs Land? Wir haben mit den Veranstaltern des abgebrochenen Boiler Room Weekenders gesprochen

Die Organisatoren erklären, was sie nächstes Mal anders machen würden.
Tom Keelan

Fotos von Tom Keelan. Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP US erschienen

Letztes Wochenende fand der weltweit erste Boiler Room Weekender in Lake Harmony, Pennsylvania, USA, statt. Wie wir bereits berichteten, wurde das Festival allerdings vorzeitig beendet nachdem die Polizei einen der Besucher aufgrund von Marihuana-Besitzes und des Verdachts auf Kokainbesitz festgenommen hatte. Viele Festivalgäste und Künstler kritisierten die Polizeibeamten und Sicherheitsbediensteten dafür, dass sie übertrieben aggressive Maßnahmen zur Kontrolle des Publikums anwendeten und gezielt nicht-weiße Menschen für zusätzliche Sicherheitskontrollen aussuchten. Am Montag veröffentlichte Boiler Room ein Statement, in dem die "unnötige Demonstration von Gewalt gegen Besucher" als "extrem unangemessen" bezeichnet wurde. Außerdem hieß es darin, dass die Geschehnisse ihnen sehr leid täten, nachdem sie ein Jahr darauf hingearbeitet hätten, "eine sichere und offene Umgebung" für alle Gäste zu erschaffen.

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Das Statement lieferte zwar eine Erklärung für den vorzeitigen Abbruch des Festivals, trotzdem blieben einige Fragen offen—zum Beispiel was mit den Kameras passierte, als die Situation mit der Polizei eskalierte. Und viel wichtiger: Was haben die Festivalveranstalter gelernt, um zu verhindern, dass diese Probleme erneut auftreten? Und soll das Festival nächstes Jahr wieder stattfinden? Im Folgenden kannst du dir unser Interview mit dem Senior Programmer des Boiler Room US, Morgan Streiker, sowie der Brand Partnerships Managerin Nikki Brown durchlesen, die beide eng an der Planung und Durchführung des Festivals mitgewirkt haben.

THUMP: In einem Interview mit Paper erwähnte Boiler-Room-Gründer Blaise Belleville, dass [das Festivalgelände] Split Rock Resort und die angrenzende Gemeinde nie etwas Vergleichbares erlebt hätten. Gibt es eine Gefahr, wenn eine Party wie Ghe20 G0th1k aus dem Kontext ihrer Szene—dem New Yorker Underground—gerissen und in eine neue Umgebung wie eine ländliche Stadt gebracht wird? Also in eine Stadt, die für ein Publikum aus queeren People of Coulour nicht bereit war bzw. dieses nicht akzeptieren wollte?
Boiler Room: Es muss immer ein gewisses Risiko einkalkuliert werden, wenn eine große Menge an Leuten aus einem großstädtischen Umfeld in eine ländliche Gegend kommt. Wir waren jedoch gegenüber Split Rock und der Gemeinde vollkommen offen darüber, was sie zu erwarten haben, und die Leitung des Resorts begrüßte dies. Sie hatten weit im Voraus Recherchen über uns, die Künstler, die Crews und die Kollektive angestellt und sich uns gegenüber aufgrund keiner Gruppe oder Veranstaltung besonders besorgt gezeigt.

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Wir versuchen gerade noch, so viele Informationen wie möglich zusammenzutragen, um uns ein vollständiges Bild davon zu machen, was im Laufe des Wochenendes geschehen ist und wer für Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Im Moment deutet alles darauf hin, dass eine Handvoll Einzelner aus dem Sicherheitsdienst des Resorts und der örtlichen Polizei für die Vorfälle verantwortlich sind—keine allgemeine Einstellung oder Anweisung, die auf nicht-weiße oder queere Leute abzielte.

Außerdem haben wir mit einigen Polizisten gesprochen, die sich erfreut über das Event gezeigt und unsere Vielfalt begrüßt haben. Wir sollten also vorsichtig damit sein, das Bild einer rassistischen Polizei und einer Hotelbelegschaft zu zeichnen, die vorgefertigte Pläne hatten, bestimmte Leute verhaften zu lassen. Es gibt gute und schlechte Polizisten, das sollten wir nicht vergessen. Es scheint mir so, dass es ein paar schwarze Schafe gibt, die für den Misserfolg des gesamten Events verantwortlich sind, wir müssen allerdings noch mehr Informationen zusammentragen, bevor wir zu einem Schluss kommen können.

"Der Vorfall zeigt, dass wir—die Kunst- und Kultur-Community—eine Menge tun müssen, um unser Bestreben nach sicheren Orten im Nachtleben zu verbessern."

Es gab in allen Räumen eine Menge Überwachung durch die Livestreams—habt ihr Videomaterial der polizeilichen Maßnahmen und der Festnahmen? Was habt ihr mit den Kameras gemacht, als die Festnahmen begannen und warum?
Wir haben keine Aufnahmen, die Polizeiaktionen oder Festnahmen zeigen—das alles geschah außerhalb der Räume, in denen die Auftritte stattfanden, und nur dort hat Boiler Room in voller Länge gefilmt. Als die Polizei die Veranstaltung abbrach und wir beschlossen, den Ort zu räumen, haben wir die Kameras ausgeschaltet und unser Bestes getan, dass alle so schnell wie möglich zurück in ihre Zimmer kommen. Oberste Priorität war zu dieser Zeit die Sicherheit unserer Gäste und Künstler und die Deeskalation der Situation, denn die Polizei war kurz davor, Verstärkung zu rufen.

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Was sagt dieser Vorfall über die Idee von "Safe Spaces" im Nachtleben aus? Sind sie ein Mythos?
Er zeigt, dass wir—die Kunst- und Kultur-Community—eine Menge tun müssen, um unser Bestreben nach sicheren Orten im Nachtleben zu verbessern. Wenn es um dieses Thema geht, hinken wir hinter Städten wie Amsterdam und Berlin weit zurück und dieser Vorfall erinnert uns daran, dass wir uns besser mobilisieren und organisieren müssen, wenn uns dieses Thema wirklich wichtig ist.

Ich denke nicht, dass "Safe Spaces" ein Mythos sind, sie sind jedoch ein bewegliches Ziel und benötigen einen fortlaufenden Dialog, damit wir sie erschaffen können und sie bestand haben. Wir lernen jeden Tag, wie wir besser mit und für unsere Gemeinschaft arbeiten können, um Orte zu erschaffen, an denen sich alle sicher fühlen. Was beim Weekender passiert ist, hat dazu geführt, dass wir noch härter an dieser Mission arbeiten und von der Community erfahren wollen, wie wir sie zusammen erreichen können.

Was habt ihr daraus gelernt und was würdet ihr nächstes Mal anders machen? Gibt es Pläne, das Festival nächstes Jahr zu wiederholen? Wenn ja, wird es am selben Ort stattfinden?
Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns an diesen Ort zurückgeht. Es nächstes Jahr wieder im Split Rock zu versuchen wäre ein Fehler. Allerdings sollten diese letzten paar Stunden nicht die zwei Tage toller kultureller Harmonie in den Hintergrund rücken lassen, die wir alle miterleben konnten. Unser Ziel war, etwas von Grund auf zu erschaffen und Künstler, Crews und Kollektive aus dem ganzen Land und der ganzen Welt dabei zu unterstützen, als soziales Experiment in einer künstlerischen Umgebung zu koexistieren, damit Inspiration und Innovation entstehen.

Ich denke, trotz der Sicherheitsprobleme haben wir das zu einem großen Teil erreicht und es ist wichtig, Ray-Bans Unterstützung bei dieser Vision hervorzuheben, die von Anfang an an uns geglaubt haben. Der Weekender wird wieder stattfinden und zwar größer und besser, besonders nachdem so viele Leute danach gefragt haben, nur nicht im Split Rock.

Was wollte Boiler Room mit diesem Event erreichen, das ihr nicht bereits zuvor versucht habt? Warum wollt ihr ein virtuelle Erfahrung mit einer umfassenden, realen Vor-Ort-Erfahrungen verbinden? Standen dahinter utopische Ideale? Würdet ihr dieses Model heute überdenken?
Unser Hauptziel mit dem Weekender war, unser charakteristisches Veranstaltungskonzept auf eine Festivalebene zu bringen, ohne jedoch ein traditionelles Festival zu veranstalten. Wir wollten die Intimität und Einzigartigkeit, die Leute mit dem Boiler Room assoziieren, in eine Umgebung übertragen, die über zwei Tage Platz für 3000 Leute bietet. Und ein soziales Experiment erschaffen, bei dem wir einige der innovativsten Künstler, Crews, Kollektive und Kreative in einer Umgebung zusammenbringen können, in der sie dazu inspiriert werden, voneinander zu lernen und sich auszutauschen, ohne dass es gezwungen oder gespielt ist. Und wir wollten jedem auf der Welt die Möglichkeit geben dabei zuzusehen.

Ich würde sagen, dass unsere Ideale progressiv sind, nicht utopisch. Uns geht es darum, Underground-Szenen verschiedener Ethnien, Hautfarben und sexueller Orientierung zu unterstützen. Das ist die Richtung, in die die Welt geht, nicht andersherum, und wir wollen der Beschleuniger für diesen Wandel sein.

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