Wären meine zehn Jahre Therapie eine Ehe, dann würde ich jetzt Rosenhochzeit feiern. Ich bin 25 und war im letzten Jahrzehnt bei einem Kinderpsychologen, hatte mehrmals von der Kasse bezahlte kognitive Verhaltenstherapie und Psychotherapie, und war außerdem noch bei verschiedenen Therapeuten privat in Behandlung. Ich habe mich oft mit dem Gedanken gespielt, alles hinzuwerfen, aber letztendlich waren das nur die schmerzhaften Auswüchse einer guten Sache.
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Die Gründe für meine Behandlungen: Angstzustände, Depressionen, prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS), Psychose, Dissoziation, Manie, Essstörung und andere Dinge, die man nicht so leicht einordnen kann. Ich will nicht behaupten, dass ich verstehe, wie sich Therapie bei jeder einzelnen psychischen Krankheit auswirkt, und natürlich reagiert jede Person unterschiedlich. Aber aus meiner jahrelangen Erfahrung habe ich Einiges gelernt, von denen ich wünschte, jemand hätte es mir früher gesagt. Und genau das teile ich jetzt mit dir.Krankenkassen zahlen nicht gern mehr als nötig. Und selbst wenn deine Kasse die Kosten übernimmt, weil du mit einem Therapeuten mit Kassenzulassung ein anerkanntes psychisches Problem behandeln möchtest, dann folgt das nächste Problem: Facharztpraxen sind in vielen Regionen hoffnungslos überlastet. Wenn du monatelang auf deinen ersten Termin wartest, nur um dann festzustellen, dass es mit dieser Person doch nicht klappt, kann dich das ganz schön fertigmachen. Du musst dir eventuell die Finger wund telefonieren, und wenn dein Problem einfach nicht so lange warten kann, gibt es einige bürokratische Hürden, bevor du eine höhere Priorität eingeräumt kriegst (wenn überhaupt).Rede dir aufgrund solcher Hürden aber nicht ein, dass du "nicht krank genug" für eine Therapie bist. Und versuch bei all der Suche und der Warterei nicht zu denken, dass es zu viel Aufwand ist. Wenn du deinen Termin erst einmal hast, war das schon die halbe Miete. Na ja, bis auf …
Es ist schwer, einen Therapieplatz zu kriegen
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Manchmal musst du länger suchen, bis du die richtige Person gefunden hast
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Wenn du privat in Behandlung bist, kannst du auch hinter dem Rücken deines Therapeuten eine zweite Person testen. Sich jemand anderen suchen, ist völlig legitim – tappe bloß nicht in diese Höflichkeitsfalle, nur, weil du niemanden zurückweisen willst. Es geht hier um deine Gesundheit. Auch wenn deine Therapie von der Kasse übernommen wird, lohnt es sich, mit der Krankenkasse zu sprechen, wenn es Probleme gibt oder du unzufrieden bist. Nach all dem Ärger, den du hattest, um überhaupt eine Therapie machen zu können, solltest du an dieser Stelle nicht nachlassen.Selbst wenn deine Therapeutin oder dein Therapeut gut zu dir passt, kann es sein, dass diese Person dir irgendwann nicht mehr reicht. Vielleicht hast du ein bestimmtes Problem, bei dem dir dieser Mensch nicht helfen kann. Nach dem Ende einer wichtigen Beziehung hatte ich sexuelle Themen, die ich klären musste. Ich merkte aber schnell, dass der Heteromann, bei dem ich in Behandlung war, gar nicht richtig verstand, welche Probleme eine junge Frau im Umgang mit Männern hat. Ich ghostete ihn, weil ich es nicht über mich brachte, die Therapie zu beenden. Das war zwar sehr unreif, aber die Entscheidung abzubrechen, war prinzipiell richtig. Ich fand schon bald eine Therapeutin, die eigene Lebenserfahrung auf dem Gebiet mitbrachte.Therapeuten sind dazu da, um dir zu helfen, und nicht, um sich unterhalten zu fühlen. Du bist zwar die Person, die sich seelisch offenbart, aber in Wirklichkeit gibt es hier kein Machtgefälle.
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