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Dank dieser Seite kannst du dir jetzt jeden Radiosender der Welt anhören

Nicht YouTube oder Spotify sind wirklich grenzenlos, sondern das gute alte Radio. Der Kopf hinter dem Projekt Radio Garden hat uns erklärt, warum.
Screengrabs via Radio Garden

Die Radiosender dieser Welt sind jetzt nur noch einen Klick entfernt. Das macht es einfacher als je zuvor, erst japanischen Poppunk auf CJSF, einem College-Radiosender aus Burnaby, British Columbia, Kanada, zu hören und anschließend Drum'n'Bass auf dem russischen Sender Radio Purga aus Anadyr. Alles, was du dafür tun musst, ist, den virtuellen Globus zu drehen.

Letzten Monat wurde in Amsterdam das Webprojekt Radio Garden ins Leben gerufen. Es erlaubt Nutzern mithilfe eines 3D-Interfaces, ein weltweites Angebot an Radiostationen zu erforschen, die als Punkte auf einer Landkarte zu sehen sind. Im Moment gibt es 8.000 Sender, die du in Echtzeit hören kannst. Die Namen von Ländern, Provinzen, Staaten und Städten sind auf der Karte genau wie Grenzen nicht eingezeichnet, was die User dazu anhalten soll, sich in der, Pardon, Welt des Klangs zu verlieren.

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Die Sender können aber nicht nur in Echtzeit gehört werden, es ist auch möglich, in der Radiogeschichte zurückzureisen. So kannst du dir zum Beispiel die Übertragung von Radio Alice aus Bologna, Italien, von 1977 anhören, während der die Polizei versuchte, die Tür aufzubrechen, um die Aktivitäten des Senders sowie ihre Unterstützung eines örtlichen Studentenaufstands zu beenden. Außerdem gibt es eine umfassende und faszinierende Geschichte über die Ursprünge und die verschiedenen Spielarten von Radio-Jingles.

Das Projekt ist eine Kollaboration zwischen Studio Puckey, das für das Design des Live-Bereichs der Seite verantwortlich ist, sowie dem Nederlands Instituut voor Beeld en Geluid, das die Recherche und den geschichtlichen Bereich übernommen hat. Wir hatten die Möglichkeit, mit dem Gründer von Studio Puckey, Jonathan Puckey, über das Konzept der Seite, den viralen Erfolg und mehr zu sprechen.

**THUMP: Jonathan, der anhaltende Erfolg von Radio scheint, auf dessen Nichtbeachtung von Grenzen zurückzuführen zu sein—im Gegensatz zu angeblich "fortschrittlichen" Diensten wie Spotify und sogar YouTube, die Inhalte *davon* abhängig anbieten, wo auf der Welt du wohnst. Wie wichtig ist es für dich, dass Inhalte sich über Grenzen hinweg frei bewegen können?**
Jonathan Puckey: Es gibt nichts, was ich nerviger finde, als die Tatsache, dass Spotify mir immer niederländische Vorschläge unterbreitet, wenn ich nach neuer Musik suche. Es ist wirklich nervig. Dasselbe gilt für iTunes, ich habe wirklich genug davon. Wann immer ich so etwas ausstellen kann, mache ich das. Falls ich lokale Musik hören will, mache ich das, aber ich interessiere mich auch sehr für andere Kulturen und Musik. Und ich denke, das ist das, was funktioniert und recht überraschend zu sehen ist, wie enthusiastisch Leute sind, diese Sender aus der ganzen Welt miteinander zu teilen.

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Es gibt zur Zeit 8.000 Sender auf der Seite …
Und es wächst. Wir fügen jeden Tag hunderte hinzu.

"Ich hatte erwartet, dass Radiosender darum bitten, von der Seite genommen zu werden—und nicht, dass sie darum, hinzugefügt zu werden."—Jonathan Puckey

Von den Sendern selbst bekommt ihr also eine recht positive Rückmeldung?
Wir werden von Radiosendern förmlich belästigt. Sie rufen mich an, adden mich bei Facebook, bei WhatsApp, es ist verrückt.

Ich schätze, ihr hattet bei dem Projekt nicht unbedingt erwartet, dass es eine Art Service für Radiosender werden würde, damit diese neue Hörer gewinnen können. Doch seitdem die Seite viral gegangen ist, hat sich das geändert, oder?
Ich hatte eher erwartet, dass Radiosender darum bitten, von der Seite genommen zu werden. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie darum bitten würden, hinzugefügt zu werden. Gerade habe ich ein schönes YouTube-Video von diesem 12-jährigen Mädchen gesehen, das über Radio Garden spricht. Sie hat diesen kleinen Vlog darüber gemacht. Es ist wirklich toll zu sehen, wie jemand über Musik auf der ganzen Welt spricht und begeistert davon ist, Musik aus anderen Kulturen hören zu können.

Was erhoffst du dir, wie werden Leute dieses Instrument im Laufe der Zeit nutzen?
Um ehrlich zu sein weiß ich nicht, ob sie es werden. Ich weiß noch nicht, was dieses Ding ist. Es geht im Moment viral, aber sind sie in einer Woche auch noch da? Ich sehe in den Statistiken, dass 30 Prozent die Seite erneut besuchen, was sehr gut ist, aber im Moment können wir die ganzen Betriebskosten nicht decken. Es wird uns 15.000 Dollar im Jahr kosten, einfach die Seite zu hosten und sie so am Laufen zu halten. Wir werden einen Weg finden müssen, um diese Kosten bezahlen zu können, und ich weiß noch nicht wie der aussieht.

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Ich nehme an, in der Zwischenzeit fügt ihr dem Live-Bereich der Seite weitere Sender hinzu, aber was ist mit dem Archivmaterial? Werden auch dort neue Informationen hinzugefügt?
Ja. Witzigerweise haben die Forscher in dem Moment, als es erfolgreich wurde, wirklich hart angefangen zu arbeiten [lacht]. Sie haben es recht locker genommen, bis es viral ging und jetzt arbeiten sie wirklich hart daran, Sachen hinzuzufügen. Ich finde, besonders der Jingle-Bereich sieht toll aus. Was uns wirklich überrascht hat, war, dass 80 Prozent der User die Seite mobil nutzen. Wir haben erst auf den letzten Drücker die Unterstützung von Mobilgeräten ermöglicht. Ich dachte, ich mache einfach ein paar Überstunden, um diese Sache so gut zu machen, wie ich kann, und ich bin froh, dass ich es getan habe, weil es so viele Mobilnutzer gibt.

Ich habe nie darüber nachgedacht, aber das ergibt total Sinn und passt, schätze ich, auch zu den gängigsten Wegen, mit denen Leute heute Musik hören.
Ja, es überrascht mich. Als es in Saudi Arabien viral ging, waren besonders die Leute dort mobil unterwegs. Die Länder, in denen es im Moment angesagt ist, sind Indien, Mexiko, Brasilien. Orte, von denen wir eigentlich nicht viel Content haben, jetzt aber viel bekommen. Orte, über die ich nicht so viel weiß.

Ich bin neugierig bezüglich deiner eigenen Erfahrungen im Umgang mit der Seite. Ich bin sicher, du siehst die Dinge etwas kritischer, weil du sie gebaut hast, aber was hat dich am meisten überrascht?
Ich habe ein wenig Zeit damit verbracht, die USA durchzugehen, und was ich recht überraschend fand, war, dass es dort all diese christlichen Talkshows und Talkradios gibt. Wenn ich code, dann mache ich einfach verschiedene Sender an und ich habe ein paar Stunden in den USA verbracht und während dieser Zeit hörte ich diverse Sender, auf denen es um Sex vor der Ehe ging [lacht]. Und dann dachte ich mir: Wow, das ist wirklich ein ganz anderes Land, als das, was ich aus L.A., San Francisco, Portland und New York kenne. Es fühlte sich ein wenig an, als würdest du auf Safari gehen oder dir im Urwald all diese seltsamen, exotischen Tiere ansehen.

Ich fand auch, dass es wirklich interessant war, an diesen weit abgelegenen Orten reinzuhören und amerikanische Musik oder Popmusik in verschiedenen Sprachen zu hören, die wirklich westlich klingt. Es ist in gewisser Weise konfrontierend, zu hören, wie ähnlich Kultur an vielen Orten klingt. Das erinnert mich an diesen Typen, Buckminster Fuller, der dieses Buch namens Operating Manual For Spaceship Earth geschrieben hat. Er hatte diese Idee: Wenn wir Leute auf der ganzen Welt überzeugen könnten, dass wir zusammen auf einem Raumschiff sind und das Schiff durch die Galaxie reist, wären die Leute freundlicher zueinander, da sie nicht mehr glauben würden, dass sie Ländern angehören sondern der Erde.

Ich will damit nicht sagen, dass wir diese Intention hatten, als wir das Projekt starteten, aber wenn ich die Unterhaltungen um uns herum verfolge, bekomme ich manchmal ein wenig dieses Gefühl—dass Leute sich ein wenig verbundener fühlen.

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