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Digital Sans-Papiers entscheiden, ob dein Wlan überwacht werden soll!

Du warst am 31. Mai nicht an der „Stop Buepf!"-Demo. Darum musst du dich jetzt gegen das Datenkraken-Gesetz wehren.

Foto von Istip123) |Wikimedia |CC-BY 3.0

Du heisst nicht Winston Smith und das ist nicht 1984, denn in 1984 gab es keine lustigen Panflöten-Apps, die deinen genauen Standort erfassen und ihn an die Entwickler und alle anderen Cartoon-Panflötenfans weiterleiten. Du bist ganz normal. Du trinkst, du kiffst, du fickst. Du klebst die Webcam deines Laptops mit einem Post-It ab. Das wird dir nichts bringen. Du wirst von mir nicht geduzt, weil wir alle so jugendlich-startup-mässig drauf sind. Du wirst mit „Du" angesprochen, weil zumindest dem Staat deine Telefonate, SMS und Reisen genau so detailliert offen liegen wie die von Balthasar Glättli auf Watson. Auf der App hast du die Reisen vom Grünen-Nationalrat im Zeitraffer angeschaut, dann den Link geteilt. Dann hast du es wieder vergessen.

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Seit 2002—also lange bevor du Diablo II boykottiert hast, weil das Battlenet seine Nutzungsbedingungen ändern wollte—wird jedes deiner Telefonate ein halbes Jahr lang gespeichert. Die Inhalte bleiben zwar brav bei dir, aber trotzdem weiss die Schweiz genau, wen du wann angerufen hast. Schlagwort: Vorratsdatenspeicherung! Gehörst du zu den Überwachten—also zu jenen Privilegierten, von denen nicht nur die Kontaktaufnahmen, sondern auch alle Inhalte erfasst werden—dann nicht weil du in deiner Hinterland-Antifa Flugblättchen druckst, sondern in zwei Dritteln der Fälle wegen Verdacht auf Drogenhandel oder Vermögensdelikten.

Foto von Alvaro| Flickr| CC BY-NC-SA 2.0

Warum der Staat noch mehr Handhabe braucht verstehst du nicht, denn schon 2013 wurden 10860 Handys oder Festnetzanschlüsse in Echtzeit oder rückwirkend überwacht. Insgesamt 195 000-mal wurden Personen via Telefonbuch, IP-Abfrage oder durch Anfrage beim jeweiligen Anbieter überprüft. 195 000-mal interessierte sich der Staat im Jahr 2013 für Anschlussinhaber. Laut dem Tagesanzeiger hat sich die Anzahl mitgeschnittener Gespräche allein in dem Jahr verdoppelt.

Foto von David Shankbone | Wikimedia |CC-BY 3.0

Da musst du dich fragen, warum der Staat noch mehr Freiheiten beim Schnüffeln will:

  • Mit dem NDG und dem BÜPF, dem Gesetz, das einen so lustigen Namen hat wie Panflöten-Apps, werden dein Standort, deine Telefonate, deine SMS und dein Mailverkehr zwölf Monate gespeichert.
  • Mit dem NDG und dem BÜPF kann die Polizei bei Verdacht gegen eine Einzelperson die Handynummern ganzer Demonstrationszüge erfassen. Technisch möglich ist das mit dem Imsi-Catcher, der deine Sim-Karte identifiziert.
  • Mit dem NDG und dem BÜPF darf der Staat mit richterlicher Genehmigung auch länger zurückliegende Telefongespräche, Mails und SMS überwachen.
  • Mit dem NDG und dem BÜPF dürfen bei Verdacht all deine Daten genutzt werden, darf der Nachrichtendienst „präventiv" überwachen, bei Bedarf einbrechen, die Aufnahmen privater Videoüberwachung nutzen und selbst private Räume verwanzen.
  • Mit dem NDG und dem BÜPF darf der Staat bei Straftatverdacht deine Festplatte mit einem Trojaner durchleuchten.
  • Wird dein Mitbewohner verdächtigt, überwachen sie dich als Unschuldigen im selben Wlan

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Foto von Spurzem | wikimedia | CC BY-SA 2.0 DE

Die Digital Natives im Nationalrat lassen sich an zwei Händen abzählen—die Digital Immigrants sind die grosse Mehrheit. Daneben gibt es aber noch Digital Sans-Papiers. Erst vor einem Jahr hat ex-Justizminister Blocher der Medienwoche gesagt: „Ich kann keinen Computer bedienen, ich kann nicht mal einen Taschenrechner bedienen, ich mache das alles im Kopf. Allerdings war ich der erste Politiker in der Schweiz, der eine Website hatte, doch anschauen kann ich sie mir nicht, da ich keinen Internetzugang habe." Blocher is done, aber dieser Typus von Anzugsmännern und Öko-Grossmamis sitzt weiter im Nationalrat und entscheidet für dich, was mit deinem Wlan-Anschluss alles gemacht werden darf.

Foto von Edwin Lee | Flickr |CC BY-ND 2.0

Du unterschreibst jetzt die Petition auf buepf.ch. Du tust das aus Überzeugung. Wenn du das gemacht hast, dann besuchst du deine Onkel, die bei „Züri brännt" mitgezäuselt haben und erzählst ihnen von den „neuen Fichen" und vom „Schnüffelstaat Schweiz". Die sind Internet-Analphabeten, aber dabei. Und da sie ihre Wut noch auf der Strasse rauslassen und nicht einfach kurz ein Like unter die Gruppe „Stop Büpf!" setzen und dann weiter Game of Thrones streamen, können du und die anderen Büpf-Gegner genug Leute auf die Strasse bringen, damit bei der nächsten Demo keine einsamen Kostümfilm-Piraten fotografiert werden.

Du bist gegen diese Gesetze. Du bist gegen Panflöten-Apps mit laschen Privatsphäre-Einstellungen und gegen Digital Sans-Papiers, die über Dinge entscheiden, von denen sie keine Ahnung haben.

Foto von Tom Ordelmann| wikimedia | CC BY-SA 3.0

Ich verkaufe meine Intimität bei VICE. Privatsphäre-Überlegungen von mir sind: „Schadet es mir in 20 Jahren, wenn ich auf einem VICE-Video LSD nehme?" Du musst dir das nicht überlegen - Happy you! Aber auch ich bin froh, wenn niemand weiss, auf welchen Websites ich halbbesoffen um 00.30 rumhänge. Drum verwende ich TOR, wenn ich mir Youtube-Videos von Wasserschweinen oder Girls-Folgen mit Lena Dunham im Bikini anschaue. Du tust das jetzt auch.