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Aber hier leben, nein danke—Tocotronic in der Arena

Gestern haben Tocotronic in der Arena gespielt und Erwartungen erfüllt.

Foto von der Autorin

„Kannst du dich noch an den Moment erinnern, an dem du Tocotronic das erste Mal gehört hast?“ Diese Frage wurde mir gestern nach dem Konzert in der Arena gestellt. Ich konnte und kann mich nicht genau erinnern. Aber was ich noch weiß, ist, mit welchem Menschen das war. Welche Zeit das war. Und genau deshalb war das Konzert vor allem eines: ein Blick zurück. Ich habe gestern ein Foto vom Konzert an eine Freundin geschickt und darunter habe ich ganz automatisch geschrieben: „Liebe aus meiner Jugend.“ Die Liebe aus meiner Jugend hat dieses Konzert sehr gut beschrieben. Ich hatte ein bisschen Angst, dass mich das Konzert, beziehungsweise die Band enttäuschen könnte. Dem war nicht so. Aber alles der Reihe nach.

Wenig überraschend startete das Konzert—wie auch der Überraschungs-Gig im B72 vor drei Monaten, über den mein Kollege hier geschrieben hat—mit „Prolog“, dem Opener vom neuen, roten Album. In der Arena haben alle darauf gewartet: den ersten Saitenschlag, das erste Wort von Dirk. Und alles ist gut. Das Publikum ist anfangs gewohnt wienerisch—ruhig, aber dankbar. Vor mir steht ein Paar, von dem ich behaupte, dass Tocotronic „ihre Band“ ist. Es ist wohl nicht nur für mich ein Blick zurück.

Tocotronic haben insgesamt elf Alben herausgebracht. Dementsprechend ist die Setliste ein wilde Achterbahnfahrt vor und zurück in der Zeit. Jedem fehlt irgendwas, aber das lässt sich nicht ändern. Wir sind 1995, wir sind 2015, wir sind „Samstag ist Selbstmord“, wir sind „This boy is tocotronic“, wir sind „Die Erwachsenen“. Ungefähr in der Mitte des Konzertes fordert Dirk lautstark „Heute mehr denn je—Aber hier leben, nein danke!“ Damit trifft er einen Nerv. Das Publikum wird lebendiger. Für ein Lied lang sind sich alle einig.

Irgendwie hatte ich Tocotronic-Konzerte ein bisschen schlichter in Erinnerung. Nicht, dass dort ein Feuerwerk abgefeuert wird, aber ein bisschen Licht-Gewitter gibt es trotzdem. Die Band scheint sich wohlzufühlen und betont das auch immer wieder. Nach einer Stunde, dem obligaten „Freiburg“ als Schlußnummer, vier Zugaben und dem unvermeidbaren Ende, blieben viele Menschen einfach stehen. Es war klar, dass es keine Zugabe mehr geben würde—Open Air muss die Arena um 23 Uhr Schluß machen—aber die Menschen in der ersten Reihe wollten einfach nicht daran glauben, dass das Konzert zu Ende ist. Was irgendwie schön war. Pure Vernunft darf niemals siegen.

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