Das Her Damit findet in diesem Jahr zum letzten Mal in und rund um die alten Nazi-und-NVA-Betonklötze in Prora statt | Foto: Nadia Cortellesi
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Wir beobachten die Entwicklungen schon länger und sind im Austausch mit unterschiedlichsten Leuten vor Ort. Der Landkreis sucht nach unseren Informationen aktiv nach einem Investor, der kann sich bereits morgen oder übermorgen auftun. Selbst wenn der letztendliche Käufer uns und unser Festival gut finden würde, wäre eine solche Veranstaltung oder Kultur dieser Art dort überhaupt nicht mehr möglich: wegen der Umgestaltung und wegen möglicher Anwohner. Damit haben wir keinerlei Planungssicherheit mehr und mussten uns wohl oder übel von Prora verabschieden. Die Suche nach einer neuen Location läuft bereits.Was stand für euch auf dem Spiel?
In den letzten Jahren haben wir ziemlich in die Location investiert, um sie festivaltauglich zu machen; Aufbauten, Hütten, Installationen, Raumelemente. Viel Geld floss zudem in die Nutzbarmachung der Innenräume, darunter die ehemalige Kasernenkantine. Die waren seit 20, 30 Jahren nicht in Benutzung. Da mussten wir natürlich relativ viel an Arbeit reinstecken, um sie festivaltauglich zu machen. Profit steht dabei für uns nicht im Vordergrund. Uns geht es einfach um das Risiko, jetzt weiter Geld und Arbeit für nächstes Jahr zu investieren, Verträge abzuschließen, und dann wird das Gebäude mittendrin verkauft—und uns der Tanzboden unter den Füßen weggezogen. Wir würden sonst liebend gerne in Prora weitermachen.
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Prora ist traumhaft schön und hat eine interessante Geschichte. Die Anlage wurde von den Nazis gebaut, von den Sowjets und später der NVA genutzt. Sie hat also zwei deutsche Diktaturen erlebt. Natürlich wird an dem Festivalwochenende getanzt und gefeiert, aber es findet auch eine Auseinandersetzung mit der Geschichte statt. Gerade Leute, die zum ersten Mal zum Festival kommen, müssen für sich erstmal das Furchteinflößende der Gebäude überwinden.Hätte es nicht trotzdem Möglichkeiten gegeben, auch 2017 in Prora zu bleiben?
Nein. Ein weiterer Investor, dem ein anderer Block gehört, findet unser Festival zwar gut, aber auch das gibt uns keine Sicherheit, schließlich wohnt er ja nicht selbst in den dortigen Ferien- und Eigentumswohnungen.Und wenn ihr—wie das Tag am Meer Festival, das ebenfalls in Prora stattfindet—komplett an den Strand zieht?
Klar, da kann man auch nach einem günstigen Ort gucken, wo der Lärm nicht so sehr auf die Häuser abstrahlt. Allerdings wären wir dann nur noch eine Kopie eines anderen Festivals. Das wollen wir nicht.Habt ihr das Gefühl, dass ihr den Ausverkauf selbst mit dem Festival angetrieben habt?
Auf jeden Fall haben wir Prora mit aufgewertet. Es ist ein schwieriger Ort mit einer dunklen Vergangenheit. Unser Festival hat da ein Bewusstsein bei den Besuchern geschaffen, dafür, was für ein Glück wir haben, in der heutigen Zeit zu leben. Viele Gäste hatten Rügen vor dem Festival nie als Reiseziel auf dem Schirm. Und auch die jungen Rüganer sind total begeistert, weil sie mal nicht irgendwo hinfahren müssen, um etwas zu erleben. Das Inselestablishment sieht das natürlich zum Teil anders. Das Ostseebad Binz ist eher auf Tourismus jenseits unserer Zielaltersgruppe ausgerichtet. Da bringen wir ein Alternativangebot rein.
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Prora nach der Sanierung richtet sich an Leute mit gehobenem Einkommen. Die haben zudem das Glück, dass die Gebäude denkmalgeschützt sind. Damit sind die Wohnungen von der Steuer absetzbar. Es ist traurig, dass die Politik keine Alternativen zum Ausverkauf angestrebt hat. Die Geschichte war nur so lange dienlich, wie man nach Investoren gesucht hat. Mit den neuen Fassaden, Balkonen und Pools wird nun die Geschichte des Ortes übertüncht. Und man will nicht mal einen Block in seinem ursprünglichen Antlitz erhalten. Ein Ort der Erinnerungskultur geht damit verloren.**Dieser Artikel ist zuerst auf THUMP erschienen.Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.