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Anonymous sind echte Musik-Nazis

Die Vorwürfe gegen Iggy Azalea, Kanye West und The Prodigy zeigen mal wieder, dass die Ästethik von Anonymous für jede kleine Fehde missbraucht wird.

Was haben Iggy Azalea, Kanye West und Keith Flint von The Prodigy gemeinsam? Richtig, sie sind Musiker. Sehr erfolgreiche Musiker sogar. Und sie haben aus den unterschiedlichsten Gründen scheinbar den Zorn des berühmtesten Hacker-Clubs der Welt auf sich gezogen: Anonymous. Ende 2014 fing das alles an. Damals war Rapper-Kollegin Azealia Banks sauer auf Azalea, weil diese als weiße Frau im Rap doch nur die schwarze Kultur für sich nutzen würde und unangemessen auf die Ermordung des Schwarzen Eric Garner durch die New Yorker Polizei reagiert hätte. Azalea hätte dazu einfach kein Recht, fand Banks, fand aber der V-wie-Vendetta-Fanclub auch. Also mischten sie sich auf eine unnachahmlich bescheidende Art ein: Auf Twitter erpressten sie Azalea damit, ein privates Sextape von ihr zu veröffentlichten, sollte sie sich nicht für ihre Vergehen mit einem „Sorry“-Tweet bei Banks entschuldigen. Absurd, aber noch nicht absurd genug, wie sich ein paar Monate später zeigen sollte.

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Anfang 2015 blickte nämlich ein Typ mit der stilechten Guy-Fawkes-Maske in die Kamera, um Kanye West in einem YouTube-Video anzuklagen—du weißt schon, diese Videos, mit denen Anonymous immer irgendwelchen Sachen ankündigen, wie beispielsweise den IS zu bekämpfen. Diese Videos, bei denen du immer daran denken musst, wie viel besser sie doch wären, wenn statt der Maske einfach ein Hund unter der Kapuze stecken würde, während der Typ dahinter mit den Händen den Zettel hält. Schade. Jedenfalls klagte der Maskenmann in dem Video Kanye an, dass er ein schlechter Vater sei, seine Frau doch tatsächlich nackt auf einem Magazin-Cover posiert hätte und er schlussendlich ein katastrophales Vorbild abgeben würde. Im Vergleich zur drohenden Azalea-Porno-Veröffentlichung erschreckend prüde, aber nicht weniger dünnhäutig. Wie schon Azalea war Kanye West das Ganze sehr egal, dem Internet aber nicht. Schließlich hat dort Anonymous einen verdammt guten Ruf. Die können ja Regierungsseiten im Namen der Pressefreiheit durch gezielte Angriffe abstürzen lassen und haben wie gesagt medienwirksam den Kampf gegen den IS aufgenommen. Wenn also anscheinend sogar Anonymous etwas gegen diese Musiker hat, kann man als Internetnutzer wohl nochmal wütend kommentieren. Und dass, obwohl sich Anonymous wenig später offiziell von den beiden Anklagen distanziert hat.

Und jetzt ist es wieder passiert. The Prodigys Keith Flint soll an einer Fuchsjagd beteiligt gewesen sein—ein „Sport“, der in England seit 2005 verboten ist—und hat damit den Zorn von Anonymous auf sich gezogen. Bisher fehlt noch jegliche Distanzierung der offiziellen Anonymous von dem bedrohlichem Video, in dem wieder der Guy-Fawkes-Typ monoton in die Kamera summt. Die Anklage: Flint hätte Füchse gejagt und einen Hirsch getötet. Außerdem ist Fawkes zu Ohren gekommen, dass Keith „einen Fetisch dafür hat, Tiere zu töten“, und quälen will er sie auch! Jetzt sieht er sich natürlich in der Pflicht, ihn politisch zu töten. Aus Gründen.

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Man möchte meinen, dass eine Band, deren bekanntester Song davon handelt, die eigene Freundin zu verprügeln, gegen jeglichen Shitstorm wetterfest sei. Wie willst du auch die Leute gegen jemanden aufbringen, der sich selbst als psychopathischen Clown ohne Kostüm inszeniert und den doppelreihigen Iro fast salonfähig gemacht hat. Immerhin geht es um The Prodigy—die Elektro-Punks, die Mitte/Ende der 90er den alles beherrschenden Eurotrash in Brand setzten und dafür eigentlich ewige Dankbarkeit verdient hätten. Eigentlich.

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Message from Keef Flint: 'In regards to a story going around about me right now - yes I live in essex and have a couple…

Posted by

The Prodigy

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Sonntag, 3. Januar 2016

Denn es scheint, als würden die Vorwürfe eine bisher gut verborgene Quelle puren Hasses aufgebrochen haben, der sich jetzt über der Band ergießt und auch nach Flints Stellungnahme nicht versiegt. Seine Version der Geschichte: Er sei nur mal eben bei einer Jagdgesellschaft mitgeritten, aber dabei wurden keinerlei Tiere getötet: „Es war nicht mein Ding und ich werde es nie wieder tun.“ Es nutzte nichts. Allein der Fakt, dass er wirklich mit Jägern unterwegs war, scheint den Leuten Grund genug, den Jagd-Invader sterben sehen zu wollen. Und tatsächlich muss die Frage gestellt werden, was er denn bitte erwartet hat, wenn er mit Leuten durch die Landschaft streift, deren Passion es ist, Tiere zu töten? Dass genau dann kein Tier zum Abschuss gefunden wurde, ist schon ein großer und für ihn glücklicher Zufall.

Aber ist das Grund genug, ihn deswegen politisch ermorden zu wollen? Ist es wirklich okay, eine Entschuldigung aus Iggy Azalea herauszupressen oder extra ein bedrohliches Video zu produzieren, um Kanye West zu sagen, was er doch alles falsch im Leben macht? Solange jetzt nicht jeder Prodigy-Fan in den nächsten Wald rennt, um Füchse zu erschießen, alle Iggy Azalea-Anhänger einen KKK-ähnlichen Clan gründen oder aufgrund des West-Kardashians-Pärchens eine Apokalypse ausbricht, hat das alles doch erschreckend wenig gesellschaftliche Relevanz. Zeigt aber, dass die Ästethik von Anonymous immer wieder für jede kleine Fehde missbraucht wird, um sich mal kurz wichtig zu machen. Und das der Typ mit der Maske bei der Auswahl seiner Lieblingsmusiker keine Kompromisse eingeht.

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