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In China kochen wie im Westen ist schwierig, aber faszinierend

Üppige, duftende Haufen von Shiitake-Pilzen; Knoblauch so frisch, dass die Häute quietschen; Frühlingszwiebeln, an deren Wurzeln noch Erde klebt. Es ist eine dieser widersprüchlichen Erfahrungen in China—so schmutzig, aber so faszinierend.

Als ich zum ersten Mal einen Food Market in Shanghai besucht habe, war ich überrascht davon, wie frisch das stapelweise auf Tischen aufgebahrte Essen in diesem schummrig ausgeleuchteten Gebäude aussah. Die industrielle Verarbeitung und die zentrale Verteilung von Lebensmitteln—die wir im Westen beim Einkaufen von Lebensmittel gewohnt sind—ist auffallend abwesend, es gibt kein abgepacktes Fleisch oder Salat in Plastikboxen. Es gibt ja kaum Licht. Man läuft auf die Person hinter den Stapeln Auberginen oder Lauchbündel zu, zeigt was man möchte und kauft:

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Üppige, duftende Haufen von Shiitake-Pilzen; Knoblauch so frisch, dass die Häute quietschen; Frühlingszwiebeln, an deren Wurzeln noch Erde klebt. Es ist eine dieser widersprüchlichen Erfahrungen in China—so schmutzig, aber so faszinierend.

Trotz der Fliegen und der Gerüche ist es schwierig, auf so einen Markt zu gehen und ohne volle Tüten wieder zu verschwinden—egal was man sich vorher vorgenommen hat. „Hühnchen und Schweinefleisch sind hier um Längen überlegen. Weil die Leute mehr über saisonales Gemüse wissen, gibt es eine bessere Ausgewogenheit. Die Leute sind dem Essen verbundener als im Westen", sagt Austin Hu. „Der Zugang zu gutem und ehrlichem Essen ist einfacher. Frisch zu kochen, jeden Tag auf den Markt zu gehen—so sieht die Realität hier aus. Das sind alles tolle Sachen."

Trotzdem kann die Suche nach Zutaten für ein westliches Restaurant in China immer noch „ein harter Kampf sein", sagt Hu, Chefkoch und Inhaber von Madison, ein gehobenes Restaurant in Shanghai, das es seit fünf Jahren gibt. In China sei die Lebensproduktion chaotischer, wilder und weniger reguliert. Jedoch hält er den schlechten Ruf Chinas in Sachen Lebensmittelsicherheit für unbegründet. „Um die Lebensmittelsicherheit ist es auf der ganzen Welt schlecht bestellt. In den USA ist sie schrecklich.

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The pork rice bowl at The Grumpy Pig. Photo courtesy of The Grumpy Pig.

Im teuren Shanghai, wo jede kleine Schale Heidelbeeren unter sechs Euro ein Grund zur Freude ist, sind die Lebensmittelpreise für Chefköche ohne Zweifel immer ein Thema, besonders wenn dieser Chefkoch westliche Küche kocht. Hu benutzt nur regionale Zutaten—eine Praxis, die sowohl geschäftstüchtig als auch masochistisch ist. Einen Lieferanten zu finden, der ständig qualitativ hochwertige Zutaten liefern kann, ist in China schwieriger als man denkt. Es gibt immer eine Geschichte über einen Fleischer, der sich dafür entschied, für eine Woche zu verschwinden, oder über die Probleme Rüben aufzutreiben, die „nicht nur dunkelrote, geschmacklose, zuckerlose Sandfürze" sind.

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Die Preise für Hauptgerichte im Madison schwanken zwischen 24 und 32 Euro—ein Kunststück in China. Dennoch besteht Hu darauf, dass Kosten nicht das Entscheidende sind: „Es geht nicht um den Preis, es geht um Qualität".

In China ist es für westliche Chefköche am schwierigsten, Lebensmittel mit gleichbleibend hoher Qualität zu beschaffen, denn Kurzsichtigkeit scheint hier ein Volkssport zu sein. Sogar für Hu—den Verfechter für regionale Lebensmitteln— gibt es Licht und Schatten. Er kann Stunden auf dem Land mit zwei jungen Enteneilieferanten verbringen und „phänomenale" Produkte finden. In der nächsten Woche aber, erlebt er eine große Enttäuschung, als er eine Stiege Weintrauben der Sorte Concord gekauft hat, nur um später festzustellen, dass unter dem ganzen Paper eine billigere und unbrauchbare Sorte war.

Für Chefköche in kleineren Lokalen liegt der Trick darin, das Menü klein zu halten und so trotzdem gute Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten zu können. Für Vinh Nguyen, Chefkoch und Gründer von Shanghais Grumpy Pig, bestand die Herausforderung darin, eine Karte mit Zutaten, die frisch, einfach und die von zwei bis drei chinesischen Köchern im Alltag beherrschbar waren, für die Küche in der Größe eines Küchentisches zu entwickeln.

Flexibel zu bleiben, sei seine Strategie als westlicher Chefkoch in China gewesen, so Vinh Nguyen, der jetzt Chefkoch des New Yorker Selamat Pagi in Brooklyn ist. „Es wird immer Kompromisse in deiner Küche geben müssen, aber dafür bist du nun mal der Chefkoch. Du wurdest ausgebildet, dich darauf professionell einzustellen, damit du dein Menü zusammenstellen kannst", sagt er und gibt folgendes Beispiel: „Der Bacon in China ist echt schlecht, also habe ich angefangen, meinen eigenen herzustellen".

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Das schweinlastige, asiatische Menü des Lokals machte die Suche nach passenden Zutaten vergleichsweise einfach. Schweinefleisch ist der Hauptlieferant von tierischen Eiweißen in China und es gibt es in Hülle und Fülle; es ist außerdem erschwinglich und frisch. Außerdem ist Besitzer Gary Wang davon besessen, so sehr, dass seine Schweinefleisch-Besessenheit zu einer lokalen Legende geworden ist.

„Klar, gab es Tage, an denen unser Bäcker einen Angestellten verlor und wir drei Personen auf die Suche nach Ciabatta schicken mussten", sagt Nguyen. Oder auch von Spezialnudeln: „Ich verlor allein durch den Transport schon vier Packungen. Wahrscheinlich sprangen chinesische Jugendliche darauf herum", witzelt er. Um solche Geschichten zukünftig zu vermeiden, fing er damit an, Zutaten, die schwer zu bekommen waren, wie eben das Ciabatta, den Tomatensaft für Bloody Marys oder den Käse für Cheeseburger, auf Vorrat zu kaufen.

Als Chefkoch eines kleineren Lokals wusste sich Nguyen bei der Beschaffung von exotischeren Zutaten aber zu helfen. So kaufte er Reisnudeln für Pho online auf Taobao—das chinesische Ebay—oder fragte Freunde, die nach Japan reisten, ob sie nicht ein paar Dosen Yuzukoshō für einen speziellen Hauscocktail mitbringen könnten. Alles, was man nicht lokal kaufen konnte oder das exorbitant teuer war, wurde auf ein Minimum reduziert.

Abschließend zieht Nguyen aus seiner Zeit als Chefkoch eines kleineren Shanghaier Lokals trotzdem noch etwas Gutes:„Mitarbeiter zu finden und die Verfügbarkeit von Zutaten sind schwierig. Wenn du nicht gerade zu den Shanghaier Starköchen gehörst, dann warten Lieferanten und chinesische Köche nicht unbedingt auf dich. Gleichwohl ist Shanghai eine Stadt, in der irgendwo eine verzweifelte Person bereit ist, 24 Euro für ein Sandwich oder für einen Hot Dog zu bezahlen."

OK, ich gebe zu, dass er damit recht hat. Ich gehörte zu diesen verzweifelten Personen.