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Clubkultur

Das Trouw war einer der besten Clubs Europas—am Wochenende schloss es seine Pforten

Trotz seiner rigiden Disco-Politics und der ganzen Berlinverehrung wurde der Amsterdamer Club den meisten Superlativen durchaus gerecht
Das Trouw, fotografiert von Raymond van Mil

Es ist nicht ganz einfach, einen neutralen Artikel über das Trouw zu schreiben, kurz nachdem es seine Türen für immer geschlossen hat. In diesem Club, der 2010 in einer unscheinbaren Nachbarschaft im Osten Amsterdams aufgemacht hatte, ist am Wochenende die letzte Party gestiegen. Im Eifer des Hypes wird in den niederländischen Medien momentan mit Superlativen geradezu um sich geworfen-und bis auf einen leicht genervten Kommentar stimmen so ziemlich alle in das Loblied auf die niederländische Clubinstitution ein. Wie die meisten Amsterdamer habe auch ich eine sehr emotionale Bindung zum Trouw. Ich habe zwar schon genug Clubs schließen sehen und weiß dementsprechend, dass der 3. Januar nicht das Ende des Maya-Kalenders ist, aber ich weiß auch, dass das Trouw ein einzigartiger Ort ist. Egal ob der Club jetzt dein persönlicher Tempel war oder nicht, kannst du seine Bedeutung für Amsterdam und die elektronische Musik im Allgemeinen gar nicht hoch genug einschätzen.

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Der ganze Wahnsinn, der die Schließung des Trouw umgibt, erinnert mich an den Wahnsinn, der vor sieben Jahren die Schließung des Club 11 umgab. Damals romantisierten wir alle das Ende einer Ära herbei und konnten uns kein Amsterdam ohne 11 vorstellen (genau so wie viele von uns heute über das Trouw denken). Es war der erste Club, den ich vom Anfang bis zum Ende miterfahren habe. Er war mein Ein und Alles und ich kann mir das Nachtleben nicht mehr ohne ihn vorstellen. Wie die meisten Menschen nährte ich die falsche Hoffnung, dass er für immer bleiben würde. Damals hatte ich noch nicht erkannt, das ein zeitiges Ende nötig ist, wenn man als Legende überdauern will. Du kannst Milch auch trinken, nachdem das Verfallsdatum abgelaufen ist, die Wahrscheinlichkeit, dass sie sauer ist, wächst aber eben mit der Zeit.

Die Menschen hinter 11 und Trouw (zufälligerweise wurden beide Clubs von fast den gleichen Menschen betrieben) haben diese oft missachtete Regel des Nachtlebens wirklich verstanden. Ja, sie haben sogar ihr Geschäftsmodell darauf ausgelegt. Bei beiden Clubs war von Anfang an klar, dass sie mit einem lauten Knall zu Ende gehen-eine der Voraussetzungen für Legendenbildung. Die Lebensspanne der meisten Clubs ist vergleichbar mit einem Berliner DJ-Set: Sie dauern ewig und wer noch auf der Tanzfläche steht, wenn die Lichter angehen, sollte eigentlich schon lange im Bett sein. Weil Trouw und 11 schon weit im Voraus wussten, wann die Lichter angehen würden, konnten sie sich ausreichend Gedanken über die Gestaltung der letzten Monaten und der letzten Nacht machen. Deswegen sind die letzten Tage des 11 allen auch so viel besser in Erinnerung als die letzten Tage des, sagen wir, Mazzo (Amsterdams langlebigster Technoclub, 1983 - 2005).

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Die letzte Nacht des Club 11 zeigt, was man mit einem Phil Collins-Sample und einem Sitdown alles hinbekommen kann.

Die Blaupause

Mit ihrer „heute hier, morgen wieder weg"-Formel haben 11 und Trouw nicht nur eine Blaupause dafür geliefert, was ein Club im 21. Jahrhundert sein kann, sondern haben der Amsterdamer Bevölkerung und der Stadtverwaltung auch gezeigt, dass die hässlichsten Umstände wunderschöne Dinge hervorbringen können-wenn man nur ein paar Freiräume lässt. In einer Stadt, in der 5 Uhr morgens Sperrstunde für jeden Nachtclub war, hat die erste 24-Stunden Erlaubnis, die dem Trouw damals genehmigt worden ist, den Weg für angenehmere ?-ffnungszeiten geebnet. Darauffolgende Initiativen von Clubs wie die des Radion und diesem einen im Volkshotel zeigen, dass das Konzept des temporären Clubs lebendiger ist denn je.

Trouw hat außerdem seine Spuren in der elektronischen Musik hinterlassen-weltweit. Egal, wann du den Club in den letzten fünf Jahren betreten hättest, du hättest immer den relevantesten House, Techno (und deren Subgenres) jener Zeit gehört. Diese Relevanz zog dann auch die Aufmerksamkeit internationaler Medien auf sich und dementsprechend auch eine Menge Besucher aus dem Ausland, was die lokale Szene überaus belebte. Auf der anderen Seite wurden Künstler, die das Wort Trouw hinter ihrem Namen platzieren konnten, in vielen Teilen der Welt mit offenen Armen empfangen. DJs wie Sandrien, Patrice Bäumel und Job Jobse haben sich mit ihrer Residency im Trouw ein internationales Profil aufgebaut und diese Profile werden sich nach dem Ende des Trouw noch weiter entwickeln. Leute wie Elias Mazian, Tsepo und Tim Hoeben, für die das Trouw eine erste ernstzunehmende Bühne bot, werden auch weiter ihre künstlerischen Ziele erreichen.

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Disco Politics

Über die Jahre hat das Trouw aber auch einiges an Kritik einstecken müssen-manches davon auch mit Recht. Es gab viele Beschwerden darüber, dass oft immer die gleichen Künstler hinter den Decks standen. Aber wie bei vielen anderen Entscheidungen, die die Betreiber des Clubs getroffen haben, war auch diese eine sehr bewusste-und schlaue-Wahl des Creative Directors Olaf Boswijk. Vom ersten Tag an baute er langanhaltende Beziehung zu internationalen Künstlern auf, die auf einer gemeinsamen Vorstellung von Musik und gegenseitiger Loyalität basierten. Heutzutage lässt sich leicht eine Halle mit 5.000 Menschen füllen, wenn man einen Ostgut-Ton- oder einen Innervisions-Showcase aufzieht, aber das Trouw hat diese Künstler schon gebucht, als diese Label in Holland noch recht unbekannt waren. Die Labels wurden dann auch Teil von Trouws Identität und es wäre schon recht bescheuert gewesen, sie nicht mehr zu buchen, nur weil sie bekannter geworden waren.

Die Loyalität entstand aber nicht immer aus persönlicher Überzeugung-manchmal wurde sie den Künstlern auch aufgedrückt. Soweit ich mich erinnern kann, war das Trouw seit den 90ern der erste Club in Amsterdam, der eine derartige Exklusivität von seinen Gast-DJs und Residents verlangte. Den einheimischen Künstlern war es zwar erlaubt, in anderen Clubs in Amsterdam zu spielen, aber dafür gab es dann hohe Einschränkungen. Sollte das Trouw dich zum Beispiel für die Silvesternacht oder den Neujahrstag (dem Tag im Jahr, an dem holländische DJs die meisten Angebote bekommen) gebucht haben, durftest du nicht noch woanders in der Stadt auflegen. Später adaptierten andere Clubs und Veranstalter diese Form der Exklusivverträge, was der Kreativität letztlich Raum genommen hat. DJs laufen zur Höchstform auf, wenn sie spielen können, wo sie wollen. Sobald sie in repressive Clubpolitik hineingezogen werden, geschieht das immer auf Kosten der Musik und dann letztendlich auch auf Kosten der Fans. Es ist nachvollziehbar, dass ein Club seinen Exklusivanspruch bewahren will, aber ein renommierter Club, wie das Trouw hätte es schaffen sollen, diesen engstirnigen Disco Politics zu entwachsen-zumal sie selber nur zu gut wussten, dass sie die etablierte Speerspitze des Amsterdamer Nachtlebens waren.

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Das Berghain an der Amstel

Was ich nie richtig verstanden habe, war die Vergötterung des Berghains / der Panorama Bar durch das Trouw. Das Trouw ist nicht das Berghain und hätte es auch niemals werden können. Der Unterschied fängt schon bei den fehlenden Darkrooms an. Ob du das jetzt gut findest oder nicht, war das Trouw einfach nicht der Ort, in den du an einen Sonntag Nachmittag hineinspazierst, um ein Gramm Keta zu ziehen, während dir jemand seine Faust in den Hintern schiebt. Die Betreiber sind dafür zu anständig (und sind das nicht die meisten von uns?) und die Security zu streng. Nichtsdestotrotz werde ich das Gefühl nicht los, dass man im Trouw immer davon geträumt hat, das Berghain an der Amstel zu werden. Immerhin würde das definitiv einige befremdliche Entscheidungen der Betreiber erklären, wie eine alljährliche Quasi-Fetishparty zu organisieren, plötzlich ein Fotoverbot durchzusetzen und den Vorverkauf vorübergehend abzuschaffen. All diese Maßnahmen fühlten sich nie ehrlich an. Man kann gerne von heute auf morgen verbieten, Partybilder zu machen, aber wenn man selber die eigenen Partyschnappschüsse nur wenige Monate zuvor noch stolz online gestellt hat, kommt das nicht unbedingt sehr glaubhaft rüber. Und wenn der Darkroom auf deiner alljährlichen kinky Fetishparty, Ontrouw-mit dem allzutreffenden Motto „Step out of your comfort zone"-, so hell erleuchtet ist, dass er problemlos als Chillout-Area herhalten könnte, dann versuchst du eindeutig etwas zu sein, was du einfach nicht bist. Ohne diese ganze Berlinverehrung wäre das Trouw noch immer locker der beste Club der Niederlande gewesen.

Jetzt, da das Trouw kurz vor seiner Schließung steht, läuft man leicht Gefahr, den Laden über den grünen Klee zu loben. Es gibt aber einige Superlative, die durchaus angebracht sind: Trouw war der beste Club der Niederlande, keine Frage. Du brauchst nur Laurent Garnier, Marcel Dettman, Dixon oder Harvey zu fragen, warum sie in kaum einem anderen Laden in Holland spielen. Frag die ganzen Fans, die kurz vor der Schließung noch verzweifelt nach heillos überteuerten Tickets für die letzten Abende gesucht haben, oder die, die im letzten Monat dreieinhalb Stunden in der Eiseskälte draußen vor dem Club ausgeharrt haben, in der Hoffnung doch noch reinzukommen. Sie alle wollten nur eine Chance, noch einmal Teil dieser Magie zu sein, bevor der Beat dann ein für alle mal am 4. Januar verklingen sollte.

Was bleibt uns vom Trouw? Nach der Schließung des Club 11 bekam Olaf Boswijk einen Brief von einem jungen Gast, der dem Club dafür dankte, dass er sein Leben verändert hatte. Bei dem Absender handelte es sich um Job Jobse, der dann später selber bei der ersten Clubnacht des Trouw involviert war und mittlerweile einer der angesagtesten, aufsteigenden DJ-Stars Hollands ist. Von seiner Homebase aus, dem Trouw, hat Job eine weitere Generation mit seiner Musik und seinem Vibe beeinflusst. Unter ihnen wird auch jemand sein, dem oder der dieses Feuer ebenfalls im Herzen brennt und der oder die seine Fackel weitertragen wird. Amsterdamer Clubs quellen über vor Talent und Expertise. Irgendwo in der Stadt wird ein neuer Ort entstehen, an dem sich die ganzen Seelen wiederfinden werden. Trouw ist tot, es schenkte sich selbst eine würdige Bestattungszeremonie, Amsterdam ist auf der Suche nach einem neuen Techno-Tempel.

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