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Bartellow hat dir einen "Nippon Nuggets" Late Night Mix aus Japan mitgebracht

Nach einem tollen Debütalbum und einer EP legt Münchens Tausendsassa mit einem besonderen Mix voller Überraschungen für späte Stunden nach.
Bartellow wieder daheim(?) auf der Couch. Amir Sufi

"Japan macht die Welt zu einem anderen Ort." Glaubt man diesen Worten, dann scheint Beni Brachtel seine jüngste Tour ganz gut vertragen zu haben: Der Münchener war erstmals zwischen Okayama und Tokio unterwegs. Der Auslöser: eine gemeinsame Platte, die der als Bartellow bekannte Produzent mit seinem japanischen Kollegen Gr◯un土 aka DJ Ground herausgebracht hat. Veröffentlicht von Brachtels eigenem Label SVS Records, aufgenommen im letzten Jahr gemeinsam in Budapest, wohin er eine Handvoll MusikerInnen für die jährliche Session des Labels eingeladen hatte. Das Ergebnis: verschrobene Grooves und glänzende Chromträumereien am Synthesizer. Und eben eine Tour durch jenes Land, für dessen (Pop-)Kultur sich Brachtel schon seit langer Zeit interessiert.

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Wie passend, dass er vorher noch schnell sein Solodebütalbum Panokorama herausgebracht hat – auf ESP Institute, wo auch bereits Platten seines Projekts Tambien erschienen, das er mit Valentino Betz und Marvin Schuhmann, den beiden Betreibern des Public Posession Ladens in München unterhält. Und dann ist er auch noch Mitglied bei der Discoband Pollyester und macht Musik für Oper und Theater (u.a. die Musik zur grandiosen "Ödipus und Antigone"-Zerstörung am Berliner Gorki).

Wer kann, der kann … und kann also immer mehr und mehr. Ob Brachtel auch mal zur Ruhe kommt? Das haben wir ihn nicht gefragt. Wohl aber, ob er nicht mal einen Mix für uns machen wolle.

Letzterer liegt nun vor und ist überaus entspannt geworden; unserer Meinung nach ist das ein richtiger Late Night Mix, den Beni Brachtel da unter dem Titel "Nippon Nuggets" aus Fundstücken seiner Japan-Tour zusammengemischt hat. Natürlich nur echt mit einer Prise Sakamoto.

Nachfolgend kannst du darin abtauchen und in unserem (Mail-)Interview mit ihm noch mehr, über die Obsessionen und Projekte des Herrn Brachtel erfahren.

THUMP: Beni, hi, danke, für den großartigen Mix, und dass du dir die Zeit nimmst. OK, die wichtigste Frage zuerst: Wie war das Essen in Japan und wo gibt es die beste Ramen?
Bartellow: Hey, auch sehr lecker war Bukakke Udon! Aber die beste Ramen – und ich hab sehr viele unterschiedliche gekostet – war für meinen Geschmack in Okayama. Und zwar mit ganzen Hühnern in großen Kochtöpfen. Generell kannst du bei dem Gericht nicht viel falsch machen, es schmeckt einfach immer gut.

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Du warst in diesem Jahr zum ersten Mal in Japan, richtig? Gab es irgendwas, das komplett anders war, als du es dir vorgestellt hattest?
Haha. Ja. Ungefähr einfach alles. Von der Kloschüssel zur Art und Weise, wie man sich in die Augen blickt, wie die Pflanzen wachsen, wie man sich begrüßt. Japan macht die Welt zu einem anderen Ort. Wer da war, blickt anders auf die Dinge. Ich hatte ein sehr präzise Vorstellung davon, wie Japan zu sein hätte, bin jedoch in allen Punkten eines besseren belehrt worden. Dort zu sein, ist einfach was anderes, als darüber zu lesen. Wer sich trotzdem mit der japanischen Kultur auseinandersetzen will, dem empfehle ich The other side of the moon von Claude Levi-Strauss zu lesen.


Aus dem VICE-Netzwerk: On the road mit Japans alternden Bikergangs


Du hast ein eigenes Moodboard für japanische Popkultur und scheinst generell ein großer Fan davon zu sein. Wie hast du zu dieser Kultur gefunden – durch Musik oder Animes oder ganz anders?
Ich kann überhaupt nicht mehr sagen, was mich an dieser Kultur fasziniert hat, bevor ich dort war, das ist sehr schnell mit meinen Erfahrungsberichten überschrieben worden. Mit Sicherheit aber Filme von Kurosawa wie Ran, Rashomon, Seven Samurai aber auch Blade Runner, Lost in Translation oder Enter the Void … und natürlich auch Animes wie Akira, Princess Mononoke, Cyber City Oedo 808 und ähnliches. Sowohl die Präzision und Liebe zum Detail japanischer Produktionen als auch die Drehorte und Szenarien, diese Sehnsuchtsorte, die sich westliche Regisseure immer wieder rauspicken, haben mich schon lange angefixt. Genauso kann man aber auch einen Hang zum Elbsandsteingebirge haben. Geschmackssache.

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Kannst du uns bitte etwas über drei der Tracks erzählen, die du für den Mix verwendet hast. Was machen sie für dich aus und wie und wo bist du auf sie gestoßen?
1. Sound Effect of Godzilla 2. Die sind über einen raren Ambient-Track der Scheibe Mercuric Dance von Harumi Hosono (Mitgründer des Yellow Magic Orchestras, Japans "Kraftwerk") gemixt. Eine halbe Stunde Monster-Sounds und Alarm-Sirenen aus einem Streifen von 1954. Pure monster bliss.
2. Tomita The Ravel Album. Tomita ist ein weiterer japanischer Synth-Pionier aus den 70ern/80ern – so wie bei uns etwa Klaus Schulze. Tomitas Steckenpferd war es, klassische Orchester-Werke nur mit Synthesizern nachzuspielen. Ich finde beeindruckend, wie detailreich er mit Dynamik und Klangfarben spielen kann. Von dem Album habe ich dann aber nicht den "Boléro" gewählt, weil der ein Evergreen ist oder in unser Hörverständnis anno 2017 passen würde, sondern weil er meiner Meinung nach ein sehr treffendes Beispiel dafür ist, wie sehr die Japaner andere Kulturen, speziell die westliche (von Japan aus betrachtet ist halt die ganze Welt westlich) hochschätzen und absorbieren.
3. Verrat' ich nicht, da mach ich erst mal ein paar Edits draus …
4. Ryuichi Sakamoto, einer meiner absoluten Helden, darf natürlich nicht fehlen. Die Platte ist eine Compilation, Off Shore Vol.2, auf der YMO ordentlich vertreten ist. Mein Pick ist aber die letzte Nummer – auch Sakamoto, wenn mich nicht alles täuscht. Kann das aber nur erahnen, steht alles nur auf Japanisch drauf. Perfekter instrumental Discotune. Ich liebe die Harmonieren in der Hook.

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Danke, dann mal wieder zurück in die Heimat: Mit dem Blitz gibt es einen neuen Club in München samt eines ziemlich einzigartigen Soundkonzept. Konntest du dir davon schon einen Eindruck verschaffen?
An dem Eröffnungsabend hatte ich meinen Gig im "Saloon" in Tokio, war danach mit Chida, Powder und 5ive im Club "contact", Ostgut Ton Nacht, hehe. Werde den Besuch im Blitz aber umgehend nachholen, man hört ja nur das Allerbeste. Was mich aber freut, und das hab ich in Japan in wirklich jedem Ort, an dem ich spielen durfte, erfahren: Auch in der Clubszene hierzulande steigt gerade das Bedürfnis nach High-End Musikkonsum. Überall entstehen Clubs mit tollen Anlagen und super Akustik, die Leute wollen ein intensives Klangerlebnis, die Musik richtig spüren.
Das gibt es dort auch, z.B. im Ondo, ein kleiner Kellerclub in Hiroshima. Da steht dann eine super instand gehaltene 70ies-PA plus Vintage Rane-Mixer, die einen derart plastischen Sound liefert, dass es eine Freude ist, dort Musik zu spielen und zu hören. Oder im Oltwax&Gram in Okayama das Gleiche: Tagsüber wird im Café Kunsthandwerk verkauft, und abends die Tische weggeräumt und die vier riesigen Boxentürme der japanischen Manufaktur Kannon angeschmissen. 100% dedication. Im Compufunk in Osaka steht neben der DJ-Booth und hinter einer großen Glasfront eine Dubplate-Schneidemaschine. Ich hab dort zwei unveröffentlichte Tracks von mir als Gastgeschenk geschnitten bekommen. Ein paar Minuten später sind sie auf den Plattenteller gewandert ..!

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Dein Label SVS Records basiert auf den "SVS Creative Lab"-Sessions, die ihr immer an neuen Orten abhaltet. 2016 wart ihr Budapest. Weißt du schon, wo es dieses Jahr hingeht?
Das ist leider noch top-secret! Ich kann nur verraten, dass ich schon einen unglaublich super schönen Ort entdeckt habe. Wer davon noch nicht mitbekommen hat, dem kann ich nur unsere Videodokumentation zur letzten Session empfehlen. Auf dieser Session letztes Jahr ist auf die Kollabo-Platte mit Daichi San alias DJ Ground aus Osaka entstanden, den wir nach Deutschland und Ungarn eingeladen haben, weil er uns 60 unglaublich gute Demotracks geschickt hatte, die wir am liebsten alle releasen würden. Ein Dreivierteljahr später ist jetzt die Platte rausgekommen. Drei Tracks, die in drei Nächten dort entstanden sind und fast unverändert so auf Platte gepresst wurden. Der Release war ja jetzt auch der Anlass meiner Japan-Reise.

Aktuell arbeitet ihr ja mit Pollyester an neuer Musik. Wird das das nächste Projekt sein, was wir von dir im Pop-Bereich zu hören bekommen, oder kommt da noch vorher etwas Anderes?
Wir haben die Platte so gut wie im Kasten, aber bekanntermaßen sind die letzten 5% die anstrengendsten. Ich freu mich sehr auf den Release, der auch ein spannendes Feature beinhalten wird. Mit Pollyester auf Tour zu gehen, ist super; ich liebe es, Synthies in dieser Dance-Combo live zu spielen.

Und bleibt Tambien auch 2017 "on hold", wie es Marvin und Valentino im letzten Jahr ausgedrückt haben?
Hehe … Ja, man kann nicht immer alles machen. Es wird in Kürze ein Lebenszeichen auf Public Possession geben, so viel vorab! Aber wir arbeiten auch an neuen Sachen. Die Konstellation ist viel zu spannend, um sie auf Eis zu legen. Die beiden Jungs haben gerade ein Buch veröffentlicht, ich mein Solo-Album. Es wäre [also] an der Zeit! Jetzt muss ich aber trotzdem erstmal meine Oper Catarsi fertig komponieren, die Ende Juni – übrigens mit 4DSOUND – im Rahmen der Opernfestspiele der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt wird.

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