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Clarks neues Album ist ein Technobiest

Neben einem Interview mit Clark gibt es den Track „Winter Linn" zu hören und den atemberaubenden Albumteaser zu sehen.
Clark

Ein Hauch schwermütiger Erhabenheit durchzieht das selbstbetitelte, siebte Album von Clark, es ist Art, die nach einem apokalyptischen Desaster herrscht. Das Album startet mit gotischen Orgelklängen, tieftönenden Bläsern und etwas, das sich anhört wie kleine Knochen, die im Wind klimpern (oder das Schütteln einer Tampondose). Der Opener „Ship is Flooding" ebnet den Weg für eine cineastische Atmosphäre und das, was folgt, lässt sich treffend mit morbide beschreiben. „More Berghain than Guggenheim", ist der Spruch, mit dem Clarks langjähriges Label, Warp, dieses Album kurz und bündig bewirbt. Und es stimmt natürlich, Clarks rauer Techno passt vorzüglich zu kalten Betonwänden und nacktem Stahl, aber gleichzeitig schimmern in den vielschichtigen Texturen der einzelnen Tracks einfach zu viele Augenblicke makelloser Schönheit hindurch, als dass Clark lediglich als Untermalung hedonistischer Fantasien herhalten könnte. „More Headphones Than Heads Down" hätte es vielleicht auch getan.

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THUMP: Jetzt bist du bei deinem siebten Album angelangt und es trägt deinen eigenen Namen. Ist diese Veröffentlichung ein bestimmtes Statement? Hast du einen bestimmten Punkt erreicht?
Chris Clark: Ein Statement für das Erreichen eines bestimmten Punktes … bisher habe ich noch nicht so darüber gedacht, aber wenn es dir gefällt, ja, dann kannst du es gerne so sehen. Albentitel haben für mich aber eigentlich keine Bedeutung.

Ist das „Linn" in „Winter Linn" eine Anspielung auf die gleichnamige Firma für Audio Equipment? Kannst du mir mehr über den Track erzählen?
Ja, das ist es. Es ist aber auch eine Art Witz, weil die Linn Snare in dem Track sich überhaupt nicht wie eine Linn Snare anhört. Es ist alles total manipuliert und überarbeitet. Ich habe durchaus eine manipulative Persönlichkeit. Es ist aber vollkommen OK, Musik zu manipulieren. Deswegen braucht man kein schlechtes Gewissen zu haben. Bei Musik kommt man mit vielen Grausamkeiten durch. Man sagt im Englischen ja auch „XY killed it" und das ist dann ein Kompliment.

Das Promovideo für Clark sieht aus, als hätte man ein Gemälde von Magritte mit Strobo ausgeleuchtet—und vor allem das Ende ist wie ein Filmtrailer aufgezogen. Was für ein visuelles Konzept stand hinter diesem speziellen Ansatz? Kannst du etwas weiter ausführen, inwiefern das Album als „cineastisches, allumfassendes Ganzes" erfahren werden soll?
Mir gefällt die Idee, mit Musik Grenzen auszuloten. Es ist eigentlich immer ein gutes Gefühl, wenn du an deine Grenzen kommst—also im Leben—wenn du die wirklichen Grenzen von dem erreichst, was der menschliche Geist erfahren kann.

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In Musik kann ich mich verlieren, ich kann sie mit all ihrem spürbaren, physischen Gewicht wahrnehmen—so kann ich dieser Grenzerfahrung am nächsten kommen. Deshalb liebe ich es auch, Musik über Kopfhörer zu hören—dann steht nichts mehr zwischen dir und dem Werk. Das bringt mich auch dazu, darüber nachzudenken, dass die Leute mein Album vielleicht hören, wenn sie spazieren gehen oder was auch immer machen. Ich bin zwar ein absoluter Kontrollfreak, aber auch nur bis meine Arbeit fertig ist. Dann freue ich mich einfach nur noch darauf, loszulassen und die Musik ihr eigenes Leben in den Köpfen der Hörer entfalten zu lassen. Der Gedanke, dass meine Musik gepaart mit ihrer eigenen Vorstellungskraft ihr persönliches Universum zu neuen und umgewohnten Sprüngen stimulieren kann, ist für mich unglaublich aufregend. Der Punkt ist ja der, dass von da an alles eine Interpretationsfrage ist. Die subjektive Welt meiner Hörerschaft liefert dann den entsprechenden Kontext dafür.

„More Berghain than Guggenheim" ist die Tagline zu deinem Album. Sie hat sich wirklich eingebrannt und beeinflusst auch die Art, wie die Leute über Clark reden. Ist es wichtig für dich, eine klare Trennung zwischen Dancefloor und Museum/Kulturinstitution zu schaffen?
Nicht wirklich. Meine Tracks haben im Anfangsstadium meistens keinen Beat—ich habe dabei nur das Ticken eines Metronoms im Hinterkopf. Nach und nach erodiert der Track dann noch, bis mir ein reiner Drone bleibt. In meinen Augen bieten Soundsysteme fantastische Gelegenheiten, um beatloses Experimentieren weiter zu vertiefen.

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Du warst vor Kurzem erst Vorgruppe für Massive Attack. Wie hast du dein Set für diese Show speziell aufgebaut und was ist dir von diesem Abend besonders in Erinnerung geblieben?
Ich habe in gewisser Weise das Gegenteil von dem gemacht, was ich sonst mache. Ich habe die Intensität eher niedrig gehalten. Ich wollte, dass meine Musik mehr im Hintergrund schimmert und die Leute dann langsam in ihren Bann gezogen werden. Es war schon etwas ungewohnt, weil ich für 30 Minuten keinen einzigen Beat spielte, und als ich dann einen extrem langsamen in das Set einbaute, hörte sich das unglaublich heavy an—das war dem langen Aufbau davor zu verdanken.

Wenn du Teil so einer Max Martin-Boyband aus den 90er sein könntest, wer wäre sonst noch dabei?
Ich wäre unglaublich gerne in einer Band mit Lars von Trier, Michel Houllebec, Scott Walker, Pusher T und Phil Spector.

Wenn du den Soundtrack für einen Film von einem Regisseur— egal ob tot oder lebendig—schreiben könntest, welchen würdest du wählen?
Derek Cianfrance, David Lynch, Gaspar Noe, Nicolas Refn und Sofia Coppola

Du hast letztens in einem Interview gesagt, dass du manchmal den Typen ausspionierst, der mit dem Begriff „IDM" um die Ecke kam. Wen würdest du denn sonst noch im Verborgenen beobachten, wenn du die Möglichkeit hättest?
Es ist schon schwierig genug, meinen eigenen Bullshit im Auge zu behalten. Ich versuche gerade, ein Anti-Arschloch-Gerät zu entwickeln. Es soll eine Art psychologischer Werkzeugkoffer für unterwegs werden, den du bei Krisen zur Hilfe nehmen kannst—wenn du dich mal wieder wie ein gigantisches Arschloch verhältst, aber nichts dagegen tun kannst. Das ist aber gar nicht so einfach.

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In Bezug auf andere Menschen: Hmmm. Ich hätte gerne die Option, da etwas Spielraum zu haben. Das würde eigentlich auf jeden zutreffen, der nach vorne hin total virtuos/unfehlbar wirkt. Bei jedem Vorne gibt es auch ein Hinten und so. Überwachungsdronen werden bestimmt auch hier bald im großen Stil eingesetzt werden, oder nicht?

Die transzendentalste, bizarrste oder eindringlichste Rave-Erfahrung, die du jemals hattest?
Das müsste wohl das Tribal Gathering 1995 gewesen sein—das eine, bei dem Orbital und The Prodigy gespielt haben. Das lag aber größtenteils an meiner jugendlichen Ignoranz gegenüber Musik, die es mir erlaubte, dort unglaublich viel Spaß zu haben. Ich war erst 15 Jahre alt und manchmal kann Ignoranz ein Segen sein. Damals gab es auch eine ganze Reihe toller Free Partys—das waren aber größtenteils Gabba-Veranstaltungen. Heute ist mir das zu anstrengend. Das runtergepitchte Gabbading, das Soulwax vor Kurzem rausgebracht haben, fand ich aber großartig.

Gerade war Halloween, was ist der furchteinflößendste Sound, den du dir vorstellen kannst?
Die Geräusche, die aus Deadmau5's Mund kommen, während er einen Threebie [Blowjob, Blunt, Breakfast] filmt. Das wird nie schön anzuhören sein.

Clark ist am 3. November 2014 bei Warp erschienen.

Folgt Michelle Lhooq bei Twitter—@Michelle Lhooq

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