Häuser in einer Wüstenlandshaft, das Geisterdorf Al Madam hat sich in Dubai zu einer Touristenattraktion entwickelt
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Versunken im Sand: Das Geisterdorf Al Madam

Niemand weiß genau, warum die Menschen Al Madam plötzlich verlassen haben. Einige geben bösen Geistern die Schuld.

"Ich habe den Ort im Internet entdeckt. Ich habe bei Google nach den besten Ausflugszielen in Dubai gesucht", sagt Jason, ein Brite, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebt. Kennengelernt habe ich ihn vergangenen November in einer der eindrucksvollsten Geisterstädte, die ich je gesehen habe. 

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Wir trafen uns in einer kleinen Siedlung des Dorfes Al Madam. Sie liegt etwa eine Autostunde von Dubai entfernt im Emirat Schardscha. Die Siedlung besteht aus zwölf Häusern und einer Moschee. Zehn Jahre nach ihrer Erbauung wurde die Siedlung plötzlich von ihren Bewohnern verlassen und die Gebäude der Wüste überlassen. 


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"Ich habe mit ein paar Freunden, die von hier stammen, über den Ort gesprochen, aber sie wollten ihn nicht besuchen. Sie glauben, dass hier Geister leben", sagt Jason. "Das hat mich nur neugieriger gemacht. Ich spüre hier manchmal die Gegenwart von etwas Fremden, aber das ist vielleicht auch nur in meinem Kopf." 

Nachdem die Einwohner weggezogen waren, dauerte es nicht lange, bis Gerüchte über paranormale Aktivitäten die Runde machten. Manche sagen, dass Dschinn die Bewohner vertrieben haben. Das sind Geister der arabischen Welt. Vor allem eine weibliche Dschinn mit Katzenaugen und Klingen als Händen wird für das Verlassen von Al Madam verantwortlich gemacht. Ihr Name: Umm Al Duwais. Sie spielt eine wichtige Rolle in der Sagenwelt der Emirate.

Zwei Häuser, die halb von Sanddünen verschlungen sind

2018 versuchte die Sharjah Art Foundation ein paar Geheimnisse rund das verlassene Geisterdorf zu lüften. Zwar wurden die Ergebnisse der Recherche nie direkt öffentlich gemacht, aber sie flossen in den 2019 erschienen Film The Landing ein.

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Leider konnten wir die früheren Bewohnerinnen und Bewohner der zwölf Häuser nicht ausfindig machen. Einheimische aus der Gegend sagen, dass die Siedlung auf einem ehemaligen Beduinen-Zeltplatz errichtet wurde mit dem Ziel, nomadische Gruppen sesshaft zu machen. Warum genau die damaligen Bewohner ihre Häuser verlassen haben, kann niemand mit Sicherheit sagen. Die meisten von ihnen sollen sich zwischen 1982 und 1985 in anderen Bezirken von Al Madam niedergelassen haben.

Die plausibelste Erklärung für den plötzlichen Wegzug der Einwohner sind die zahlreichen und besonders heftigen Sandstürme, die in der Region wüten. "Wenn es einen Sandsturm gibt, trifft er die Gegend extrem schwer", sagte ein Mann gegenüber der Sharjah Art Foundation 2018. Die Familie seiner Frau habe in dem heutigen Geisterdorf gelebt. "Als wir fortgingen, kamen Schrottsammler bei Nacht und klauten die Türen und alles Metall, das sie finden konnten. Sie haben sogar die Moschee ausgeschlachtet."

Ein Raum mit offenem Fenster, der mit Sand gefüllt ist

Und was ist mit der Dschinn-Theorie? "Keine Ahnung", sagte ein anderer Anwohner, der 2018 von der Sharjah Art Foundation gefragt wurde. "Leute machen Fotos und erfinden alle möglichen Geschichten. Natürlich haben ein paar angefangen zu erzählen, dass der Ort verflucht ist."

Noorhan betreibt eine Autowerkstatt in einem anderen Bezirk von Al Madam. Er sagt, der Tourismus habe erst vor fünf oder sechs Jahren in der Gegend so richtig angefangen. Zu der Zeit sei eine YouTuberin, an deren Namen er sich nicht mehr erinnern kann, hergekommen, um ein Video von der Geisterstadt zu machen. "Als sie ihr Zeug bei YouTube hochgeladen und Geistergeschichten erzählt hat, sind alle hergekommen, um sich den Ort anzuschauen", sagt Noorhan. "Vorher war hier niemand."

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Vor dem Internetruhm war Al Madam weitaus schlechter zu erreichen. Nur Einheimische kamen hin und wieder her, um den umwerfenden Anblick zu genießen. "Vor der Industrialisierung Dubais hatte das Dorf keine Straßenanbindung", sagt Noorhan. "Damals sind die Einheimischen hier vorbeigekommen und zwei oder drei Tage geblieben, in der Regel Freitag, Samstag und Sonntag. Sie haben in der Wüste ihr Lager aufgeschlagen und auf den Dächern der Ruinen geschlafen."

Laut Noorhan haben die Behörden versucht, den Zugang zum Geisterdorf zu blockieren, allerdings ohne Erfolg. "Es gab einfach zu viele Touristen, die hier gecampt haben – die meisten von ihnen aus Europa", sagt er. "Selbst jetzt sieht man täglich zehn Autos hierherkommen."

Zwei Männer in traditioneller arabischer Kleidung sitzen auf Plastikstühlen vor Werkzeugregalen

Noorhan (links) in seiner Werkstatt

Die regionalen Tourismusveranstalter sagen, dass die Touristen den Ort weiter besuchen können und sollen. "Es gibt momentan keine Pläne, Al Madam zu einer Touristenattraktion zu entwickeln", sagte ein Sprecher einer Tourismusorganisation 2020 gegenüber CNN.

Shahzai, Besitzer eines Touristikunternehmens in Al Madam, ist davon überzeugt, dass die Siedlung eine großartige Gelegenheit für Unternehmer der Region darstellt. Wenn es nach ihm ginge, sollte den Einwohnern selbst etwas daran liegen, die geheimnisvolle Aura des Ortes zu pflegen. "Es gibt überall Artikel über das Geisterdorf", sagt Shahzai. "Für uns ist das gut, weil wir Ausflüge organisieren können. Mit dem Auto ist es nur zehn Minuten von hier entfernt."

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Ein Mann mit Coronamaske sitzt auf einer Bank an einem Marktplatz

Shahzai

Shahzai sagt, er glaube definitiv an Dschinn. Er ermutigt Besucherinnen und Besucher, sich selbst ein Bild zu machen. "Sie tun einem nichts", sagt er. "Die halten sich von Menschen fern. Sie sind immer an Orten, an die Menschen nicht gehen."

Obwohl er seit 22 Jahren in der Gegend lebt, ist Shahzai in dem Dorf noch keinem Dschinn begegnet. "Ich habe in meinem Leben schon einiges gesehen", sagt er, "nur nicht in Al Madam – beziehungsweise noch nicht." Einen Rat hat er allerdings: "Die Geister werden dir nie sagen, wer sie sind oder wer sie geschickt hat. Die Geister sind Lügner."

Scroll runter für mehr Bilder von Al Madam.

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Ein Raum voller Sand
Häuser beim Sonnenuntergang, die von Sanddünen verschlungen werden
Ein Raum, in den eine Sanddüne vorgedrungen ist
Eine Moschee hinter Stacheldraht