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"Auf Warp war alles etwas kryptischer und weirder"

Die Fotografin Katja Ruge begleitet Warp Records seit fast 30 Jahren. Wir haben mit ihr über ihre Beziehung zum Label und ihre Lieblingsanekdoten gesprochen.
Katja Ruge hat viele Warp-Künstler porträtiert. Foto: J. Konrad Schmidt

Es gibt gute Labels, es gibt erfolgreiche Labels und dann gibt es Labels, die stilbildend für alles sind, was danach passiert. In der elektronischen Musik fallen Underground Resistance und Trax in letztere Kategorie – oder eben Warp Records. Das 1989 in Sheffield gegründete Label kann sich auf die Fahne schreiben, einige der größten und progressivsten Klassiker der elektronischen Musik der 90er Jahre veröffentlicht zu haben. Allen voran natürlich LFO mit ihrem gleichnamigen Hit, der es sogar bis auf Platz zwölf der britischen Pop-Charts schaffte. Zuvor hatte bereits die Downbeatkombo Nightmares On Wax mit "Dextrous" einen kleinen Überraschungserfolg gelandet.

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Im Laufe der Jahre veröffentlichten Künstler wie Aphex Twin, Boards of Canada, Autechre oder Broadcast auf Warp. Der Fokus lag dabei allerdings nie auf clubtauglicher Musik. Es sei einfach nur darum gegangen, gute Musik auf das Label zu bringen, wie Warp-Mitgründer Steve Beckett dem Guardian vor ein paar Jahren erklärte.

Im Laufe der 28-jährigen Labelgeschichte hat Warp etliche Fans gewonnen. Die Fotografin Katja Ruge ist eine von ihnen. Sie hat das Label von Anfang an begleitet und etliche Warp-Künstler – von LFO über Aphex Twin bis hin zu Maximo Park – porträtiert. Kommenden Samstag eröffnet sie in Berlin ihre Ausstellung "Warp Records - A Label in Pictures". Zu diesem Anlass gibt es eine Eröffnungsparty, bei der neben Katja Ruge persönlich noch Ralf Köster vom Pudel und Heiko Hoffmann vom Groove Magazin auflegen werden. Zur Krönung des Ganzen gibt es noch eine Video-Premiere von Mira Calix. Voller Vorfreude auf diesen Abend sprach THUMP mit Katja Ruge über ihre persönliche Beziehung zu Warp und ihre Lieblingsanekdoten zum Label.


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THUMP: Katja, wie bist du zum ersten Mal mit Warp in Kontakt gekommen?
Katja Ruge: Ich habe Anfang der 90er in England gelebt, in Manchester. Kurz nach dem Second Summer Of Love. Dort habe ich für einen Fotografen gejobbt, der auch für die Hacienda die ganzen Fotos gemacht hat, Peter J. Walsh. Peter wurde damals für den NME beauftragt, Fotos von LFO zu machen. Ich bin dann nach Leeds mitgefahren. Wir sind in einen Hinterhof rein. Das ist bei mir immer noch sehr präsent, weil es mich damals soundmäßig so beeindruckt hat: Aus einer Scheune oder was auch immer das war, kam dieser krasse, tiefe Bass, den LFO so salonfähig gemacht haben. Das hat mich total umgehauen.

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Und die Musik blieb hängen?
Es war für mich eine ganz andere Art elektronischer Musik. Mit Detroit-Techno und Chicago-House war ich schon vertraut, aber das klang so außerirdisch.

Waren LFO auch der Beginn deiner Liebe zu Warp Records?
Definitiv. Wir sind damals auch nach Sheffield gefahren und haben in dem damaligen Hauptquartier von Warp Records Fotos gemacht.

Aphex Twin, porträtiert von Katja Ruge

Welche Geschichten verbindest du mit Warp und seinen Künstlern?
Eins der Fotos von LFO, das in dieser Zeit entstanden ist, wird auch in meiner Ausstellung zu sehen sein. Das Foto habe ich nicht selbst gemacht, nur assistiert. Aber ich finde es schön, auch so etwas in meiner Ausstellung zu haben und zu sagen: Ich habe damals die Buchstaben ausgeschnitten, die LFO auf dem Foto in der Hand halten.

Welche Künstler waren für dich noch wichtig in den folgenden Jahren?
Ich habe zu der Zeit für verschiedene Magazine gearbeitet und immer mal wieder Warp-Künstler fotografiert. Zu der Zeit – in den 90ern – sind viele tolle Sachen auf Warp Records erschienen. Bahnbrechende Alben von Autechre oder Plaid und natürlich auch Aphex Twin – den habe ich zweimal fotografiert.

Wie ist Aphex Twin als Fotomodell?
Ganz großartig. Das eine Mal bin ich mit ihm über den Hamburger Kiez gelaufen und das andere Mal hab ich ihn auf einem Bootssteg an der Alster fotografiert. Ralf Köster vom Pudel Club hat damals ein Interview mit ihm gemacht. Ralf und ich sind sozusagen auch eine alte Warp-Verbandelung.

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Jimi Tenor im Porträt von Katja Ruge

Könnte man sagen, dass Warp deinen Blick auf elektronische Musik nachhaltig geändert hat?
Mit Sicherheit. Ich bin dadurch offener für andere Sounds geworden, weil auf Warp alles etwas kryptischer und weirder war. Es hat mich einfach mitgenommen. Wenn ich heute eine schöne Platte von Plaid oder Broadcast höre, merke ich, dass die zeitlos sind. Man kann die sicherlich noch in 100 Jahren hören.

Welche Anekdoten fallen dir noch zu Warp ein?
Ich hab einmal ein Fotoshooting mit Autechre gemacht. Auch auf dem Hamburger Kiez in einer Seitenstraße bei einer Baustelle. Ich wollte die beiden etwas unnahbarer haben – dass sie zum Beispiel nicht direkt in die Kamera gucken. Da habe ich dann aber erst mal eine Standpauke bekommen. Nach dem Motto: Das sind wir nicht, das wollen wir nicht. Das Shooting wurde dann aber doch sehr gut. Ich habe mit den Warp-Künstlern viel gelernt. Das Label beinhaltet für mich viele eigensinnige Künstler im positiven Sinne.

Noch eine Anekdote?
Ralf hat vor drei Jahren Forgemasters ausfindig gemacht. Die haben 1989 die allererste Veröffentlichung von Warp produziert. Sie haben dann live im Pudel gespielt und das war für mich ganz besonders. Umso großartiger war, dass sie von uns aus dem Synthesizerstudio Hamburg, wo ich mitwirke, die Maschinen gestellt bekommen haben. Ich gucke heute noch unseren Korg MS-20 an und denke: Forgemasters haben ihn gespielt, wie toll!

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Forgemasters mit Ralf Köster (vorne). Foto mit freundlicher Genehmigung von Katja Ruge

Wie hat sich die Labellandschaft seit den Anfangstagen von Warp verändert?
Ich glaube, es ist schwieriger geworden, sich von den 100.000 anderen Labels abzusetzen. Man braucht einen sehr aussagekräftigen Namen, ein eigenes Logo. Der visuelle Faktor ist viel wichtiger geworden. Das merke ich auch bei meiner eigenen Partyreihe "Kann denn Liebe Synthie sein?". Der Name und das Artwork sprechen die Leute an und bleiben im Langzeitgedächtnis hängen. Wie zum Beispiel auch das Lila von Warp Records. Das sieht man schon von Weitem.

Wie siehst du das Label heute?
Warp Records ist immer noch toll. In den 90er Jahren war das natürlich wahnsinnig innovativ. Die haben einen ganz eigenen Sound geschaffen. Die Cover, das Logo; das war alles so spannend und neu. Das hat mich damals auch visuell ziemlich angemacht. Ich fand es aber auch cool, als sich das Label Ende der 90er für andere Acts geöffnet hat wie Battles, Broadcast oder Maximo Park.

Du machst auch die Ausstellung "Ladyflash", die das Bewusstsein für weibliche Künstler in der elektronischen Musik fördern will. Wie sieht es mit weiblichen Künstlern auf Warp aus?
Es gibt Frauen auf dem Label. Zum Beispiel Mira Calix, die zu meiner Ausstellung auch ein neues Video schickt, das wir zeigen werden. Dann gibt es noch Lonelady. In den Anfangszeiten war es allerdings sehr männerlastig, wie jedes andere Label seinerzeit. Aber es gab damals generell noch nicht so viele Frauen wie heute,. Es gab die Sängerinnen bei diversen Rave-Acts, aber keine Produzentinnen wie heute mit Helena Hauff, Nina Kravitz oder Sonae, um nur einige zu nennen.

Gab es damals eigentlich vergleichbare Labels?
Das hab ich mich auch schon gefragt. Ich bin nicht so labelaffin. Warp Records habe ich vor allem deshalb verfolgt, weil sie regelmäßig Output hatten, der ganz unterschiedlich war. Das fand ich immer so toll. Klar hat man sich auch auf die nächste Aphex Twin gefreut, aber dann gab es zwischendurch immer wieder total obskure Sachen und tolle Compilations.

Katja Ruges Ausstellung "Warp Records - A Label in Pictures" kannst du vom 24. Juni bis zum 22. Juli bei Echo Bücher in der Grüntaler Straße 9 in Berlin besuchen. Die Vernissage ist am 24. Juni um 19 Uhr. Hier geht es zum Event. Mehr zu Katja Ruge findest du hier.

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