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Dieser linke Leipziger Club überdenkt offen seine Flüchtlingsprojekte—AfD & Co nutzen das aus

Dabei sind die Unterschiede zwischen beiden Positionen eindeutig.

"Leipziger Linksextremisten 'hetzen' gegen Flüchtlinge", "Linker Club spricht Klartext über Probleme mit Flüchtlingen", "Conne Island ist in der Realität angekommen". So titelten heute die AfD Sachsen, die Nachrichtenseite Tag24 und die Leipziger Volkszeitung. "Wir halten eine Thematisierung der Problematik innerhalb der Linken für längst überfällig", "Probleme und Fragen (…) benötigen einen ehrlichen und sachlichen Umgang!", "Ein mutiger Text des Conne Island-Plenum(s), der ganz gut die Situation beschreibt, in der sich wohl derzeit nicht wenige linke Räume wiederfinden." Das schrieben wiederum verschiedene Antifa-Gruppen und andere linke Verbindungen zum selben Sachverhalt.

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Was war passiert?

Das Conne Island im Leipziger Stadteil Connewitz ist ein beliebter, links organisierter Club und Veranstaltungsort, in dem neben Konzerten, Lesungen, Workshops und Diskussionen unter anderem auch die Clubnacht "Electric Island" mit zuletzt u.a. Dixon und Call Super stattfindet. Vor ein paar Tagen nun veröffentlichte der Verein hinter dem Club auf seiner Webseite und auf Facebook ein Statement, in dem sich das gemeinschaftliche Plenum unter anderem zum Umgang mit Sexisten jedweder Herkunft äußert—also auch mit einzelnen Geflüchteten.

Am Freitag veröffentlichte der Club ein Statement, das nun viral gegangen ist. Screenshot von Facebook.com/Conne Island

Im Conne Island sei es demnach zu mehreren sexuellen Übergriffen gekommen: "Die stark autoritär und patriarchal geprägte Sozialisation in einigen Herkunftsländern Geflüchteter und die Freizügigkeit der westlichen (Feier-)Kultur bilden auch bei uns mitunter eine explosive Mischung. Sexistische Anmachen und körperliche Übergriffe sind in diesem Zusammenhang im Conne Island und in anderen Clubs vermehrt aufgetreten —auch mit der Konsequenz, dass weibliche Gäste auf Besuche verzichten, um Übergriffen und Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen."

Die Übergriffe hätten dabei zum Teil eine neue Qualität gehabt. Der sogenannte "Refugee-Fuffziger", der Flüchtlingen erlaubte, für 50 Cent Eintritt zu den Veranstaltungen zu haben, sei von jungen Männern mit Migratonshintergrund gezielt genutzt worden, um Stress zu suchen. Entgegen der eigenen Prinzipien, habe man sogar bei einem Vorfall die Polizei hinzuziehen müssen, da die Situation nicht mehr durch das eigene Sicherheitspersonal zu kontrollieren gewesen sei.

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Davon ausgehend haben die Betreiber und Betreiberinnen überlegt, "ob wir uns als Plenum ausreichend solidarisch mit den Betroffenen gezeigt oder auf den antisexistischen Bemühungen der letzten Jahre ausgeruht haben." Mitunter sei das Einlasspersonal aus einem "vorauseilendem Antirassismus" heraus zurechtgewiesen worden, wenn sie Migranten einen Platzverweis gaben. Oder es wurden kulturalistische Erklärungsmuster angebracht, die sexistische Übergriffe verharmlosen, z.B.: "Woher soll er wissen, dass man hier mit Frauen so nicht umgeht?"

Das Problem im Umgang mit solchen Vorfällen sei mitunter auch die Angst, AfD, der Leipziger-Pegida-Ableger Legida und anderen Rechten in die Hände zu spielen. Doch nun sei man zu dem Schluss gekommen, diesen Gruppen nicht die Deutungshoheit in der Debatte zu überlassen. Eine "Thematisierung der Problematik innerhalb der Linken" sei "längst überfällig".

Bereits im Statement antizipierte das Plenum dabei die möglichen Reaktionen von Rechts, die jetzt auch wie bestellt eintrafen. Obwohl sich das Team explizit von allen Vereinnahmungen im Voraus abgegrenzt bzw. diese verweigert hatte. Hier ein Beispiel:

Doch das Conne Island hat aus den Erfahrungen zuvor auch praktische Konsequenzen gezogen. Im Frühjahr 2016 wurde das Sicherheitspersonal aufgestockt, primär bei Tanzveranstaltungen. Die Eintrittspreise mussten daher um durchschnittlich einen Euro erhöht werden. Die Regelung mit dem Refugee-Fuffziger wurde dahingehend geändert, dass Flüchtlinge nur noch mit vorheriger Anmeldung per E-Mail den vergünstigten Einlass erhalten. Zwar habe sich die Situation dadurch etwas entspannt, trotzdem seien weder das Conne Island noch die Gäste vollkommen zufrieden damit.

Bereits im Februar hatte es einen ähnlichen Fall im Freiburger Club White Rabbit gegeben. Auch dort ging es um sexuelle Übergriffe durch Refugees. Damals wie heute zeigt sich die Schwierigkeit, einen geeigneten Sprechort in der Debatte zu finden, der nicht in einer Romantisierung der Flüchtlinge mündet—und sich zugleich auch nicht mit Rassisten jedweder politischen Farbe gemein macht.

Das Conne Island schreibt abschließend ebenfalls davon, "wie schwierig es ist, offensiv solidarisch mit Geflüchteten zu sein, rechten Stimmungen entgegenzuwirken und gleichzeitig anzuerkennen, dass mit dem Tragen eines 'Refugees Welcome'-Beutels eben nicht automatisch alle Probleme und Konflikte gelöst sind." Fakt sei, dass sexistische Übergriffe, mackerhaftes Auftreten, antisemitisches, rassistisches und anderweitig diskriminierendes Verhalten nicht geduldet werden dürfen, egal woher die Täter stammen.

Vermutlich muss eine konsequente antirassistische und antifaschistische Flüchtlingsarbeit lernen, es auszuhalten, wenn Rechte sie oberflächlich vereinnahmen. Der Unterschied ist eigentlich offensichtlich. AfD und Co. nehmen nehmen jeden Bericht über Probleme mit Flüchtlingen als Bestätigung ihres rassistischen beziehungsweise kulturalistischen Weltbildes und fordern sogleich, die Grenzen dicht zu machen. Das Conne Island hingegen leugnet Probleme nicht, sucht aber nach Lösungsansätzen und sieht Refugees nicht als eine einheitliche unveränderliche Menschenmasse an.

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