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Wie du Studium und Karriere vereinst—laut David August

Ein Interview mit dem Jungvirtuosen über seine Tonmeisterausbildung und den wachsenden Erfolg.

David August fotografiert von Linn Kuhlmann. Dieser Artikel ist ursprünglich bei THUMP UK erschienen.

David August und ich sind gleich alt. Wenn ich mir die Errungenschaften einer Person anschaue, die genau so lange auf diesem Planeten verweilt wie ich, aber in dieser Zeit ungleich mehr erreicht hat, dann frage ich mich normalerweise unweigerlich, was ich wohl falsch gemacht habe. Nach meiner Skype-Unterhaltung mit August ist mir allerdings klargeworden, dass es weniger damit zu tun hat, was ich falsch, sondern was er richtig gemacht hat.

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Die letzten zehn Jahre hat er damit verbracht, sich eine Reputation als penibler Tüftler zu erarbeiten. Egal, ob es seine frühen, tanzflächenfüllenden House-Tracks sind oder die schimmernden Texturen seiner Diynamic-Veröffentlichungen: Bei David August gibt es kaum eine verfehlte Note oder falsche Akzentuierung.

Da, wo sich andere Jungproduzenten von der Jagd nach Plays und Fans mitreißen lassen und einen Release nach dem anderen raushauen, hat August es geschafft, sich auf einen gelegentlichen Output zu beschränken, der dafür um so mehr gefeiert wird. Die Wurzel dieses beinahe akademischen Ansatzes könnte darin bestehen, dass er tatsächlich auch studiert. 2011, in dem gleichen Jahr, in dem er seine vielgepriesene Instant Harmony EP veröffentlicht hatte, war er für den Tonmeister-Studiengang an der UdK von Hamburg nach Berlin gezogen. Bedingt durch seine Auseinandersetzung mit der Musikproduktion war er gezwungen, sich auf eine bestimmte Auffassung seiner künstlerischen Fähigkeiten zu konzentrieren, was sich wiederum in der geduldigen Fluidität seiner Live-Sets und seinen zunehmend orchestralen Ambitionen widerspiegelt.

August hat gerade wieder eine neue EP veröffentlicht, dieses Mal auf dem Ninja Tune-Schwesterlabel Counter Records. Die zwei Tracks umfassende EP mit den Stücken „J.B.Y" und „Ouvert" ist wieder mal herausragend geworden—opulente und von einer gewissen Einsamkeit geprägte Songs, die es schaffen, dieses ganze „verschachtelte Tanzmusik"-Ding über die Bühne zu bringen, ohne jemals öde oder überkomponiert zu rüberzukommen. Jetzt, da sich sein Studium langsam dem Ende neigt und seine Musik mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als jemals zuvor, wird man das Gefühl nicht los, dass sich August auf der Schwelle zur nächsten Stufe seiner jungen, aber jetzt schon gefeierten Karriere befindet.

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THUMP: Fangen wir mit deinem Tonmeister-Studium an. Stehst du kurz vor dem Abschluss?
David August: Nein, ich studiere noch. Ich habe grade den ersten Teil meiner Abschlussprüfungen absolviert und sollte dann im Januar oder Februar nächsten Jahres fertig werden. Ich nehme mir auch ein bisschen Auszeit von der Uni, damit ich auf Tour gehen kann. Ich hätte dieses Semester schon fertig sein können, aber dann habe ich so lange für meine Prüfungen im Februar gearbeitet, dass ich danach nicht sofort wieder in die nächste Lernphase eintauchen wollte.

Ist es schwer gewesen, neben dem Studium auch noch eigene Musik zu machen?
Seit fünf Jahren etwa ist es das reinste Chaos. Touren, dieses Karriereding—das war früher alles nicht so präsent wie jetzt. Ich benutze ungern das Wort „Karriere", aber jetzt hat einfach alles eine höhere Intensität erreicht als früher. Es war am Anfang noch leichter, damit umzugehen. Mein Plan war damals, Tonmeister und Plattenproduzent zu werden. Mit der Zeit fing das aber alles an, sich zu ändern. Das Studium rückte an zweite Stelle, ohne dass ich das wirklich wollte. Dabei war es so ein Privileg gewesen, in diesen Studiengang zu kommen—viele Bewerber werden nicht zugelassen, weil die Zugangsprüfung so schwer ist, und die Zulassung war das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Aber als es schwieriger wurde, habe ich erkannt, dass ich nicht beides gleichzeitig auf diesem hohen Niveau machen kann. Und dann habe ich gemerkt, dass es mir gerade mehr Spaß macht, an meiner eigenen Musik zu arbeiten. Meine eigenen Sachen zu produzieren, ermöglicht mir das Maximum an kreativen Output—etwas, das mir in dem Studium wirklich fehlt.
Als Tonmeister wird dir quasi beigebracht, wie du Platten aufnimmst. Du kannst dann vielleicht beeinflussen, wie andere Künstler spielen, aber mir fehlte dabei meine eigene Kreativität. Mir fehlte meine eigene Musik, meine eigene Welt.

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Manchmal hörst du ältere Produzenten fragen, was man denn überhaupt über die Szene wissen kann, wenn man gerade mal 25 ist.

Hat dich das Studium denn dabei beeinflusst, wie du selber Musik machst?
Absolut. In einer Universität bist du von genialen Menschen umgeben—das gilt für Lehrkräfte und Studenten. Das war immer sehr inspirierend. Ich bewege mich dort unter Menschen, die ich wirklich bewundere. Was mir außerdem richtig geholfen hat, war der ständige Kontakt zur Musik. Ich habe mich durchgehend mit klassischen Theorien und Toningenieurwissen beschäftigt, was einen riesigen Einfluss auf mich hatte.

Und von deinem Studium mal abgesehen, beeinflussen Clubs noch immer deinen Sound?
Die waren definitiv am Anfang wichtig. Die Clubbesuche haben mich überhaupt erst dazu gebracht, dass ich diese Art von Musik produzieren wollte, die ich jetzt mache. Dieses Umfeld ist jetzt für die letzten paar Jahre Teil meines Lebens gewesen und ich kann ihm dementsprechend nicht seine Wichtigkeit absprechen. Mir ist in letzter Zeit aber aufgefallen, dass es ein sehr kräftezehrendes Umfeld ist. Es konsumiert einen. Einfach nur wegen der Umstände, in denen man sich dort befindest—laute Musik, in der Regel auch ein oder zwei Drinks. Es ist für diese Stunden eine Parallelwelt und am Morgen kehrst du dann wieder in die Normalität zurück. Ich kann nicht wirklich sagen, wie viel Inspiration ich heutzutage noch aus der Clubszene ziehe.

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Das ist interessant. Wir sind gleich alt, aber ich kann nicht gerade sagen, dass ich Clubs satt bin. Hat dich vielleicht der Umstand, dass du selber Clubmusik produzierst, so frühzeitig ermüden lassen?
Es macht definitiv einen Unterschied, wenn du sehr früh anfängst. Manchmal hörst du ältere Produzenten fragen, was man denn überhaupt über die Szene wissen kann, wenn man gerade mal 25 ist. Nun, ich bin vielleicht zehn Jahre jünger als du, aber ich mache das schon seit neun Jahren. Neun Jahre fühlen sich für mich wie eine unglaublich lange Zeit an.

Bist du mit klassischer Musik aufgewachsen?
Ja, diese Musik begleitet mich, schon immer. Sie ist Teil meiner Kindheit und meines Zuhauses gewesen. Mein Vater spielt Klavier und meine Mutter ist ebenfalls eine Musikliebhaberin. Mein Bruder ist auch Musiker und Toningenieur.

Gefällt ihnen deine Musik?
Am Anfang nicht wirklich. Als ich damit anfing, haben sie nicht so richtig verstanden, worum es dabei geht, aber vor ein paar Jahren sind sie dahinter gekommen. Ich habe mich weiterentwickelt und es dreht sich nicht mehr alles um Clubmusik. Meine Mutter und mein Bruder finden das, was ich tue, jetzt richtig gut.

Wie ist deine Kollaboration mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin zustande gekommen?
Ich habe plötzlich eine E-Mail von jemandem bekommen, den ich nicht kannte. Der hat mich gefragt, ob ich nicht was für das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin komponieren will. Ich meinte dazu: „Ja, natürlich, aber wer bist du?" Ich war verständlicherweise skeptisch. Er erklärte mir dann, dass er seit ein paar Jahren mit dem Orchester zusammenarbeitet und unbedingt elektronisch Künstler mit reinbringen will. Das war zu der Zeit, als mein Boiler Room-Set sehr gut lief und meine Veröffentlichung bei Innervisions gerade rausgekommen war. So war er auch auf mich aufmerksam geworden.

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Mein Klarinettenlehrer aus meiner Schulzeit war ebenfalls in dem Orchester. Wir hatten die Rollen getauscht, mein Lehrer spielte mein Stück. Es war mir peinlich.

Das war wahrscheinlich ein ganz anderes Gefühl, sich für so viele Musiker verantwortlich zu fühlen, oder?
Definitiv. Bei den ersten Proben kam ich mir unglaublich blöd vor. Ich hätte es fast abgebrochen. Du hast 50 Musiker vor dir, die deine Musik spielen. Ich dachte, dass die bestimmt von dem Stück gelangweilt sind, das ich geschrieben hatte. Mein Klarinettenlehrer aus meiner Schulzeit war ebenfalls in dem Orchester. Wir hatten die Rollen getauscht, mein Lehrer spielte mein Stück. Es war mir peinlich. Es hatte ein bisschen was von einer emotionalen Achterbahnfahrt.
Am Ende haben wir drei Konzerte gespielt—und mit jedem davon wurde ich entspannter. Ich glaube, dass wir am Ende schon ein paar sehr schöne Momenten hatten.

Reden wir über deine neue EP. Du meintest, dass „Ouvert" nach einem Kartenspiel benannt ist?
Ja, das ist ein Begriff aus dem Skat. Als ich den Track geschrieben habe, habe ich das viel mit meinem Mitbewohner und Freunden gespielt. Ich hatte dann das Gefühl, dass sich das irgendwie in meinen Track übertragen hat.

Veröffentlichst du jetzt lieber Musik?
Ich würde generell gerne mehr Musik veröffentlichen. Ich habe in letzter Zeit nicht gerade viel rausgebracht. Nicht weil ich Angst hatte, was die anderen Leute darüber denken, sondern weil ich Angst hatte, dass es mir nach zwei Wochen selbst nicht mehr gefällt. Der ganze Kram aus meinen Live-Sets wurde auch nie veröffentlicht, weil davon in meinen Augen nichts gut genug war. Das ist der Grund, warum ich nicht so viel veröffentlicht und bis jetzt nur Remixes gemacht habe. Ich glaube, dass ich mich daran gewöhnen muss, dass ein Track vielleicht nicht so gut ist, wie der, den ich davor herausgebracht habe. Ich würde lieber auf diese Art mehr Musik veröffentlichen als am Ende gar keine. Es geht darum, sich selbst mehr zu akzeptieren. Ich würde sagen, dass das sehr wichtig ist. Viellicht greifst du auch mal daneben, aber das ist OK.

J.B.Y./Ouvert von David August kannst du hier kaufen.

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