Der Polizei geht schnell einer ab, wenn sie bunte Pillen sieht

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Der Polizei geht schnell einer ab, wenn sie bunte Pillen sieht

In einer Verkehrskontrolle trafen ein paar Beamte bei ihrem Fund eine vorschnelle Entscheidung.

Fotos: Imago

Eine Verkehrskontrolle durch die Polizei läuft immer nach dem gleichen Schema ab. "Führerschein und Fahrzeugpapiere!", lautet in der Regel der erste Satz. Direkt gefolgt von: "Haben Sie Alkohol getrunken?" Gerne bitten dich die Beamten dann auch noch freundlich zum Aussteigen, um deine Motorik zu testen und dich in's Röhrchen pusten zu lassen. Selbst wenn du dabei nicht auffällig wirst, kontrollieren sie noch dein Auto. Finden sie dabei Gras oder andere Substanzen, sieht es schlecht aus. Für gewöhnlich werden die Substanzen dann in ein Labor geschickt und es kommt zu einem Verfahren, an dessen Ende du deinen Führerschein verlieren könntest.

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Diese Prozedur wird allerdings nicht immer eingehalten, wie ein Fall aus Baden-Württemberg aus dem September 2015 zeigt. Er wurde Ende Juli diesen Jahres vor dem Verwaltungsgericht Freiburg verhandelt.

Was war passiert?

Bei einer routinemäßigen Verkehrskontrolle fand die Polizei bei einem Mann 0,4 Gramm Hasch und eine zunächst nicht näher definierbare lilafarbene halbe Pille. Für die Beamten war aber sofort klar, dass es sich bei der halben Pille um Ecstasy handeln müsse. Vielleicht hatten sie schon davon gehört, dass erfahrenen Konsumenten geraten wird, immer mit einem halben Pille anzufangen. Der beschuldigte Fahrer hingegen sagte sofort aus, dass es sich bei dem Pillchen um eine Viagra-Tablette handeln solle. Er gab sogar die genau Produktbezeichnung an: "Fildena Generika 100 mg". Diese gibt es in der Tat und sie sind auch lila.

Für gewöhnlich hätte man die Pille nun lediglich in ein Labor schicken müssen, um zweifelsfrei zu klären, welche Art von Muntermacher der Beschuldigte nun dabei hatte.

Weit gefehlt. Es gab keinen Test. Stattdessen wurde gegen den Mann ein Verfahren eingeleitet, da man erheblichen Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hatte. Der Beschuldigte erhielt die Anordnung, ein Gutachten bei einem Neurologen einzuholen. Es sollte Auskunft zu seinen Konsumgewohnheiten im Hinblick auf Betäubungsmittel oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe geben. Darauf basierend sollte über den Entzug der Fahrerlaubnis entschieden werden.

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Dieser Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) kam der Beschuldigte nicht nach. Die Behörden werteten dieses Versäumnis großzügig als Schuldbekenntnis und entzogen ihm Anfang des Jahres die Fahrerlaubnis.

Dagegen legte der Delinquent nun Widerspruch vor dem Verwaltungsgericht Freiburg ein. Einer der beteiligten Polizeibeamten gab dabei an, noch nie eine Viagra-Pille gesehen zu haben. Trotzdem hätten sein Kollege und er aufgrund ihrer Berufserfahrung ein Auge für die Einstufung von Pillen. In ihrer Ermittlungsakte vermerkten sie auch ernsthaft, dass es Irrtümer nur "in 99 % der Fälle" gebe. Dann kann man sich ja immer 100 % sicher sein, oder?

Die Geschichte wird aber noch besser. Die halbe Pille war zum Zeitpunkt der Verhandlung nicht mehr auffindbar, sie sei zwischenzeitlich vernichtet worden. Daher konnte sie auch nicht mehr getestet werden.

Vielleicht hat sie auch jemand mitgehen lassen?

Stell dir mal folgendes Szenario vor: Ein paar Beamte finden eine halbe Pille, die sie für Ecstasy halten, in Wahrheit aber Viagra ist. Einer von ihnen oder jemand anders nimmt dann das halbe Teil. Statt dem erwarteten Effekt hat er aber einfach nur eine Erektion. Keine Liebe für die Menschen drumherum, sondern nur knallharte Geilheit. Oder sie glauben, Ecstasy würde einfach nur einen Ständer auslösen und verstehen diese Jugend mit ihrem XTC noch weniger. Klar, das ist spekulativ. Aber lustig ist die Vorstellung schon.

Ach ja, das Gericht hielt die "Argumentation" der Polizei-Beamten übrigens für Quatsch. Sie bezweifelten, dass es sich um Ecstasy gehandelt habe. Und auch die sichergestellte Menge Hasch reiche nicht aus, um von einem dauerhaften Konsum des Beschuldigten auszugehen. Daher gebe es keine Grundlage für einen Entzug der Fahrerlaubnis.

Die einzige offene Frage bleibt jetzt nur noch: Was wurde aus dieser halben Pille?

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