Jetzt, da sich das Jahr 2015 dem Ende neigt, wird uns klar, dass im Bereich Elektro- und Dance-Musik doch wirklich einiges los war. Bei THUMP werfen wir bis zum Jahresende einen Blick zurück auf die Höhen und Tiefen und beginnen heute mit unseren Top-50-Tracks des Jahres. Die Vertreter der diesjährigen Liste charakterisieren nicht nur fantastische Produktion und Innovation, sondern auch, dass sie die Grenzen zwischen Genres und Szenen mehr verschwimmen haben lassen als jemals zuvor. Von den bunten Hochgefühlen des EDM bis zum tiefen Poltern von Dubstep: Diese Liste zeigt, dass es 2015 nicht wichtig war, wer die Musik gemacht hat—alles, was zählte, war, dass sie gut klang. Falls du alle Tracks am Stück hören willst, scroll ans Ende des Artikels zu unserer Apple Music Playlist.
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Zum Anhören der einzelnen Tracks klicke einfach auf die Titel.Mit seinem Strudel aus galaktischen Synthies und schreienden Delphinen war „First Mythz" eine Ansage. Es war Rusties Ansage, dass EVENIFUDONTBELIEVE eine Platte nach seinen eigenen Bedingungen werden würde. Bizarr, frenetisch, lustig, leidenschaftlich und vollständig seiner eigenen Vision verpflichtet, fasst der Track seine trotzige Vorstellung und seine besondere Fähigkeit, Euphorie auf die merkwürdigsten Arten, die du dir vorstellen kannst, zu kanalisieren, perfekt zusammen. Auch wenn andere Tracks des Albums wie „Big Catzz" und „Morning Starr" ähnliche Höhen maximalistischer Expression erreicht haben, nichts auf der LP hat diese aufgeladene Explosion aus zäher, greller Pracht wirklich toppen können. Es ist jedoch mehr als eine eigentümliche Überarbeitung von Happy Hardcore. Es ist eine der klarsten und stärksten Stimmen dieser Generation, die einmal mehr beweist, dass Arbeit, wenn sie auf Rusties Art produziert wird, richtig nach vorne geht.—Angus Harrison
50) Sudanim - Seydou
36) Kelela - Rewind
32) Sophie - MSMSMSM
30) Arca - Vanity
27) Kamixlo - Paleta
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14) Kode9 - Void
13) Bicep - Just
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[daily_motion src='//www.dailymotion.com/embed/video/x2td169' width='640' height='360']Mit „Ryderz" hat Hudmo wieder einmal bewiesen, dass er seltene Ausnahme unter den Produzenten bildet, die erfolgreich HipHop der frühen 2000er mit moderner elektronischer Dance-Musik vermischen. Die Drum- und Sample-Arbeit ruft wärmende Erinnerungen an alte, von Motown besessene Produktionen von Rockwilder, DJ Premier, Kanye West und Just Blaze hervor—an eine Zeit, in der Beanie und Jay noch cool waren und Funk Flexs „Heavy Hittas"-Show auf Hot 97 der Grund war, warum du früher von der Arbeit abgehauen bist. Verglichen mit der altbewährten Formel von Festival-Trap hat Hudmo etwas viel Feinfühligeres erschaffen, einen minutenlangen Singalong für das Ende der Nacht, der auch dann noch weiter lebt, wenn die Festivallichter erloschen sind.—Dylan Coburn
Obwohl er als Teil von Ratking bekannt geworden ist, waren Sporting Lifes Solo-Beiträge dieses Jahr eindeutig seine eigenen. Seine Debüt-Platte 55 5's war voller greller, verdrehter Tracks mit kräftiger und enormer Emotionalität. Über die viereinhalb Minuten Laufzeit schwingt sich „Badd" über hochgepitchte, dem frühen Kanye ähnliche Vocal-Loops und schmetternde Breakbeats wirklich in die Höhe. Natürlich hebt der Track sein Talent als Produzent hervor, vielmehr befreit er sich aber vom Ballast von Szenen, verwandten Acts, HipHop und Footwork, die einem vielleicht in den Sinn kommen, was es zu einer aufschlussreichen Wahrnehmung von kathartischer Bewegung in der Musik macht. Für einen Track, der auf so vielen Strängen des „Jetzt" aufbaut, hat „Badd" etwas sonderbar Zeitloses.—Angus Harrison
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Jamie xx' Debüt-LP In Colour, die Ende Mai erschien, war eine der meist erwarteten Veröffentlichungen des Jahres. Auch wenn die Bewertung der Kritiker gespalten ausfiel, konnte niemand bestreiten, dass „Good Times", mit Rapper Young Thug aus Atlanta und dem jamaikanischen Dancehall-Juwel Popcaan, einer der sonnigsten Hits des Sommers war. Der launische britische Produzent hat unsere Herzen mit herrlichem Sampling, lebendigen Steeldrums und genug überschwänglichen Reimen gewonnen und sogar seinen Kritikern ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert.—David Garber
DJ Koze ist der Clown-Prinz des europäischen House und Techno. Der Output des gebürtigen Hamburgers ist voller Kuriositäten der besten Sorte, begleitet wird sein unkonventioneller Humor jedoch immer von erlesenen Produktionsfähigkeiten, damit der Witz nie in die Albernheit abdriftet. Bei „XTC" geht er jedoch relativ gradlinig vor—für Koze-Standards zumindest. Helle Synthie-Flächen bewegen sich unter der Art von hastiger Percussion, die total angesagt war, als Kompakt der King war, außerdem gibt es eine höfliche Frau, die darüber über Ecstasy schwadroniert. Wir haben 2015 gelernt, dass jeder im Club Songs über eine Droge liebt, die wir alle schon im Club genommen haben.—Josh BainesSam Shepard hat vor einer Weile in einem Interview gesagt, er habe herausgefunden, dass er eine Vertrauensbasis zu seinen Fans aufbauen müsse, damit er sie behutsam an abseitigere Platten gewöhnen könne, die er in seine DJ-Sets einbauen will. Ich frage mich, ob all seine bisherigen Produktionen denselben Zweck hatten; ob jedes melodische 4/4-Meisterwerk diese Verbindung zum Hörer aufgebaut hat, während „Silhouettes I, II & III" mit seinen einlullenden Stimmen und den vorsichtig ineinandergreifenden Jazz-Phrasen bereits im Hinterkopf gereift ist. Vielleicht hat er es nur für den richtigen Moment aufgespart, als er das Gefühl hatte, den Leuten zeigen zu können, woraus er wirklich geschnitzt ist.—Joel Fowler
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Falls Vulnicura Björks großes Abschiedsalbum ist, dann hält „History of Touches" diesenen Moment des Abschieds fest. I wake you up, in the night feeling/ This is our last time together/ Therefore sensing all the moments/ We've been together. Verglichen mit den anderen Songs der ersten, streicherlastigen Hälfte des Albums ist er kurz und spärlich, als würde er die überwältigende, kühle Schnelligkeit betonen, mit der eine emotionale Verbindung zwischen zwei Leuten—selbst eine, die über Jahrzehnte der Ehe aufgebaut wurde—final und entschieden beendet werden kann. Flatternde elektronische Strukturen, die in Kollaboration mit Arca produziert wurden, erschaffen für Björks Stimme eine Art Wiege, in der sie sich ausruhen kann, während jede einzelne Berührung und jeder einzelne Fick, den sie und ihr Liebhaber hatten, der Reihe nach vor ihren Augen vorbeizieht. Und genau wie die Art von Liebe, die man sich vorstellt, nach der man strebt und in die man sich fallen lassen kann, fühlt sich auch „History of Touches" perfekt an—bis es aufhört.—Emilie Friedlander
Im Zusammenhang mit dieser Atmosphäre ist „Pandemic", der herausstechende Track von Rabits Debütalbum auf Tri Angle, nicht nur ein besonders brutales Stück industriellen Krachs—er ist ein politisches Statement. Er beginnt mit etwas, das klingt, als würde eine Müllpresse eine ganze Stadt zerstören—springendes Glas und Metall durch einen mechanischen Strudel gefiltert. Dann löst ein markerschütternder Schrei Explosionen aus und eine Kinderstimme heult wiederholt auf. Letztendlich übertönt ein ohrenbetäubender Maschinengewehrhagel alles, bevor er in ein gruseliges Klingeln übergeht. Es könnte der Soundtrack unseres Lieblingsvideospiels sein. Aber das ist wenig erleichternd, wenn der Schrecken auf dem Bildschirm und der da draußen ein und derselbe ist.—Michelle Lhooq
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Ich hatte dieses Jahr das Glück, vielen Künstlern dabei zuzusehen, wie sie ihre größten Hymnen von 2015 live spielen. Von Diplo, der „Where Are Ü Know" raushaut, während Skrillex mit einem Segway um ihn herum fährt, bis zu Jamie xx, der das Persuasions-Sample in „I Know There's Gonna Be (Good Times)" herauskitzelt.Das mit Abstand Beste war jedoch, Skepta dabei zuzusehen, wie er im Sommer durch „Shut Down" geprescht ist—zwei Mal. Nur ein paar Stunden nachdem er seinen Auftritt mit Drake beim OVO Fest abgeliefert hat—der dem Song sein unwiderstehlich trotteliges Intro verpasst hat—hat Skepta es in einem vollen Club wieder getan, in dem der Schweiß praktisch von den Wänden tropfte. Während Musikmedien weiterhin über die Wiederkehr von Grime in nordamerikanischen Clubs streiten, hat Skepta bewiesen, dass die einzige Zustimmung, die er braucht, die seiner Fans ist.—Max MertensDer größte Techno-Kracher des Jahres wurde in einem Anfall von Kummer innerhalb von 40 Minuten von einem obskuren isländischen Produzenten gemacht. „Ich war nach Island zurückgekehrt und hatte einen beschissenen Job", so Bjarki gegenüber dem Rolling Stone. „Ich bin zu einer [Mistress Barbara]-Show gegangen—habe mich reingeschlichen—und da war diese Attitüde, diese Wut in der Musik. Ich habe mir gedacht: ‚Ich will auch so etwas machen.'" Bjarki hat DJ Deeons „2 Be Free" (Dance Mania, 1996) gesampelt und aus dem Ghettohouse-Gesang ein tiefes, roboterhaftes Knurren gemacht, das gefährlich über eine schroffe Landschaft aus dumpfen Bass-Beats und brüchigen Claps brodelt. Wenn der Aufbau seine Ladung letztendlich rausschießt, injiziert eine Andeutung von Melodie einen Schub nervöser Energie.
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„I Wanna Go Bang" wurde zu einem Peaktime-Dauergast—YouTube ist voll mit Videos der Techno-Illuminati (Dettman, Rodhad, Klock, Capriati etc.), die den Track vor enthusiastischem Peaktime-Publikum spielen. Er hat Bjarki zum Durchbruch verholfen und ihn zum Star gemacht und ist der Top-Hit auf dem Label трип seiner Mentorin Nina Kraviz. In einer Welt voller Überreizung und unnötig prätentiösem Mist ist es erfrischend, etwas zu hören, das diesen ganzen Bullshit beiseite lässt und direkt auf den Punkt kommt: I wanna go bang. Denn ist das nicht der Grund, warum wir morgens aufstehen und überhaupt irgendwas machen?—Michelle LhooqSongs, die Momente der Zeit definieren, wurden selten dafür gemacht. Niemand hätte voraussagen können, dass Justin Bieber die Geheimwaffe hinter dem größten Dance-Track des Jahres und dem größten Charterfolg für Skrillex und Diplo wird. Trotzdem ist genau das passiert. „Where Are Ü Now" hat den Moment gekennzeichnet, in dem die verbliebenen Grenzen zwischen EDM- und Pop-Hits offiziell eingerissen wurden. Doch was diesen Track wirklich außergewöhnlich macht, ist seine Fähigkeit, sowohl eigensinnig als auch kommerziell ansprechend zu sein; er weigert sich, Kompromisse bezüglich seiner Eigentümlichkeit einzugehen und sorgt gleichzeitig für einen direkten, präzisen Rausch.„Where are u now?" Diese einfache Frage wurde ein schmerzhaftes, überschwängliches Leitbild—ein Klagelied, das einen ganzen heißen Sommer von den Kindern einer post-kriegerischen, post-ironischen, Post-Internet-Welt herausgeschrien wurde. Und in einer Antwort, die sich im perfekten Einklang mit der Krankheit unseres digitalen Zeitalters befand, wurde die Frage von einem Delphin beantwortet, der im Weltall Flöte spielt.—Angus Harrison
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