Der hellste aller Party-Sterne: die Discokugel im Spiegel der Zeit

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Der hellste aller Party-Sterne: die Discokugel im Spiegel der Zeit

Vom „Vielzahl-Reflektor" zur Grundausstattung eines jeden Dancefloors. Nicky Siano, Rob Da Bank und viele mehr über die rotierende Kugel des Lichts, die nie ausstirbt.

Die Discokugel ist das klassische Symbol für Party und Wahnsinn. Sie reflektiert Scheinwerferlicht auf die Tanzfläche, zieht unsere Aufmerksamkeit auf den wichtigsten Platz im Club und zeigt uns: Hier spielt die Musik. Es gibt keinen verlässlicheren Zeugen für die Höhen und Tiefen des Clublebens als die Diskokugel, sie ist omnipräsent und allwissend. Wie Tracey Thorn in „Mirrorball" singt: „The lovely mirrorball reflected back them all, every triumph, every fight under disco light."

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Trotzdem sind die Ursprünge der Discokugel unklar. Auch wenn die Discokugel in den 70ern als Teil der Disco-Ära ihre Berühmtheit erlangte, die Ursprünge des drehenden Reflektors findet man fast 100 Jahre vor Donna Summers Erfolgen in den Charts. Der erste dokumentierte Einsatz einer Discokugel reicht bis ins Jahr 1897 zurück, als in einer Ausgabe des Electrical Worker, der Publikation einer Elektriker-Gewerkschaft aus Charlestown, Massachusetts, die jährliche Feier der Gruppe und ihre bemerkenswertesten Dekorationen besprochen wurde. Die Initialen der Gruppe (N.B.E.W.) wurden durch „strahlende Lampen verschiedener Farben auf einem Drahtgeflecht über dem Ballsaal" erleuchtet, eine weitere Lampe hat eine „verspiegelte Kugel" angestrahlt.

Betrachtet man Archivbilder, waren Discokugeln nicht nur in Clubs zu Hause, sondern auch an anderen Treffpunkten. Fast 30 Jahre nachdem Elektriker die Spiegelkugel für ihre Party entworfen hatten, hat ein Erfinder namens Louis B. Woeste ein Patent für ein Objekt eingereicht, das er einen „Vielzahl-Reflektor" nannte. Das Patent-Archiv von 1924 beschreibt das Gerät als „Kugel, auch durch jede andere geometrische Form ersetzbar, die vorzugsweise hohl ist und deren Oberfläche mit einer Vielzahl an Spiegeln bedeckt ist."

Nach fast einem halben Jahrhundert in der Versenkung hat die Discokugel mit Beginn der Disco-Ära ihre große Rückkehr gefeiert. New Yorks Disco-König, der DJ Nicky Siano, hat das Revival miterlebt. „Es gab sie schon ewig, aber damals hieß sie nicht Discokugel", sagt er THUMP. „Es gab diesen Namen nicht. Als sie in der Szene auftauchte hieß sie verspiegelte Kugel, weil dieser Wandel noch nicht stattgefunden hatte; Billboard hatte noch nicht beschlossen, Milliarden durch eine Industrie zu verdienen, die wir erschaffen haben, und sie Disco zu nennen."

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Als junger New Yorker war Siano fasziniert von der aufblühenden Clubkultur der frühen 70er. Eine seiner ersten Begegnungen mit der Discokugel hatte er in David Mancusos berühmtem Disco-Heiligtum The Lost im East Village. „Ich war gerade 15 und es war so beeindruckend wie [die verspiegelte Kugel] eingesetzt wurde. Der Raum hatte kein anderes Licht und wenn [das Licht auf die Kugel] ausfiel, war es komplett dunkel."

Siano hat später seinen eigenen Club eröffnet, The Gallery, der natürlich seine eigene Discokugel benötigte, um mit Mancusos zu konkurrieren. „Ich glaube, die größte Spiegelkugel hatte zu dieser Zeit 60 Zentimeter, aber die wollten wir nicht, wir wollten eine mit 90 Zentimetern. Die mussten wir extra bestellen", sagt Siano. „Ich weiß nur, dass, nachdem wir sie im The Gallery aufgehangen hatten, die Leute angefangen haben, sie zu drehen und letztendlich mussten wir einen speziellen Motor besorgen, der nicht durcheinander kam, damit wir die Kugel außerhalb der Reichweite der Besucher aufhängen konnten. Die Leute sind trotzdem noch hochgesprungen und haben sie berührt."

Siano erinnert sich an ein Mal, bei dem die 1,20 Meter große Kugel des The Loft während einer Party auf den Kopf eines ahnungslosen Tänzers fiel (zum Glück war sie hohl). Er erinnert sich auch daran, dass die New Yorker House-Legende Larry Levan mitten in seinem Set Ausflüge auf die Tanzfläche machte, wo er dann auf eine Leiter kletterte und sorgfältig die Spiegelplatten poliert hat. Levan wollte Perfektion.

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The Loft. Foto von Jennifer Czyborra für das Huck Magazine

Als die Disco-Szene in Städten wie Philadelphia, Chicago, Montreal, San Francisco und Paris wuchs, begleitete die Discokugel sie. Es wäre schwer für eine Stadt, die Ursprünge der Discokugel für sich zu beanspruchen, aber so wie Siano, Levan und Mancuso ihre Discokugeln als Teil des Glücksgefühls der Disco-Szene und später der House-Szene genutzt haben, wurde sie ein integraler Bestandteil der prägenden Jahre des Clubbings.

Das Ende der Disco-Ära—mit einer Gegenreaktion, die von Chicagos Disco Demolition Night und letztendlich dem Niedergang durch AIDS verkörpert wurde—bedeutete auch das Ende des dekadenten Schicks der 70er. In den frühen 80ern war die Zeit von Disco im Rampenlicht des Mainstreams vorbei, aber die Discokugel selbst hatte überlebt. Obwohl sie immer noch ihren festen Platz über den Tanzflächen hatte, wurde sie in den 90ern auch von den Teilen abseits der Dance-Seite der Musik aufgenommen. Neil Young und Sarah McLachlan hatten beide jeweils Alben namens Mirrorball (1995 und 1999). Auf U2s berüchtigter PopMart-Tour von 1997 entstieg Bono einer riesigen, verspiegelten Zitrone (eine Frucht, die sowohl den Erfolg der Tour als auch des dazugehörigen Albums symbolisieren sollte).

U2, die aus ihrer Disco-Zitrone steigen

In den frühen 2000ern kehrten Discokugeln teilweise wieder in die Ikonographie des Nachtlebens zurück. So haben sie zum Beispiel im Video zu Sophie-Ellis Bextors Song „Murder On The Dance Floor" von 2001 Licht gespendet und wurden in Who Da Funks Track von 2002 „Shiny Disco Balls" exzessiv thematisiert. Auf ihrer Confessions-Tour 2006 hat Madonna die Bühne betreten, indem sie aus einer Discokugel stieg, die von der Decke herabschwebte, während sie ihren Song „Future Lovers" und ein Cover von „I Feel Love" von Discoqueen Donna Summer und Giorgio Moroder sang. Auch Kylie Minogue hat auf ihrer X2008-Tour auf einem verspiegelten Disco-Schädel die Bühne betreten, der von der Decke kam. Und abgesehen von Justin Timberlakes Zerstörung eines Exemplars auf dem Cover von FutureSex/LoveSounds von 2006 wurde die Discokugel in den letzten eineinhalb Jahrzehnten hauptsächlich positiv behandelt (manche würden sagen, JT mag sie in Wirklichkeit auch).

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Heutzutage kannst du in jedem Elektroladen oder Kaufhaus eine Discokugel kaufen, in der Disco-Ära waren sie jedoch schwerer zu finden. In dieser Zeit hat Omega National Products mehr Discokugeln hergestellt als irgendjemand sonst auf der Welt. Die Firma aus Louisville, Kentucky hat sogar bei der Herstellung der verspiegelten Platten, die eine Vielzahl von Objekten von Wänden bis hin zu Rolls Royces bedecken, Pionierarbeit geleistet.

„Unsere Firma hat Mitte der 1940er als Möbelhersteller angefangen und wir haben hier in den 1950ern angefangen, Discokugeln zu machen", sagt die seit 20 Jahren bei der Firma beschäftigte Toni Lehring THUMP. „Wir haben zu der Zeit bereits Spiegel für Art-Deco-Möbel gemacht und dann entstand die Idee, diese flexiblen Spiegelplatten zu machen, mit denen man alles von Mülleimern bis zu Taschentuch-Boxen überziehen kann—selbst ein paar Flügel, die Liberace gehörten. Dann wurden wir gefragt, ob wir Discokugeln machen könnten."

In den Anfangsjahren der Firma, so Lehring, haben 20 bis 30 junge Frauen (besonders während des Zweiten Weltkriegs) die Herstellung der Spiegelkugeln geleitet, die einen Durchmesser von fünf Zentimetern bis 1,80 Meter hatten. Viele von ihnen entstanden auf Anfrage von Vergnügungsparks und für Jukeboxen, die die Kugeln als Teil ihrer Attraktionen haben wollten. „Die Tanzsäle, Rollschuhbahnen und Kneipen kamen danach und wir waren diejenigen, die sie gemacht haben", sagt Lehring. „Später, als der ausländische Markt viel abwarf, haben wir begonnen, ein paar der Formen für Discokugeln an andere Hersteller zu verkaufen."

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Eine Reihe von Discokugeln, die heute von Omega National Products verkauft werden

Zu ihrer besten Zeit, so Lehring, hat Omega 90% der Spiegelkugeln der Welt hergestellt. Damals hat ihre 1,20 Meter große Kugel fast 4.000 Dollar gekostet, ein stolzer Preis. „Den meisten Leuten aus Louisville war nicht bewusst, dass die meisten Discokugeln in ihrer Stadt hergestellt wurden", sagt Lehring. Obwohl die Firma nicht länger die einzige im Geschäft mit den Discokugeln ist, sind die Kugeln immer noch Teil ihrer Produktlinie (zusammen mit Weinregalen und dekorativem Schnickschnack). Omega hat noch ein paar Discokugeln im Fenster der Firma hängen, die meisten Archive und Fotos der etwas ausgefalleneren Kreationen der letzten 50 Jahren gingen jedoch bei einem Büroumzug verloren. Und falls du denkst, dass die Leute, die die Discokugeln herstellen, selbst Club-Kids sind, liegst du falsch. Lehring beschreibt ihre Kollegen als „normale Produktionsleute, die jeden Tag aufstehen und zur Arbeit gehen" und laut ihr in einem „sehr normalen" Büro arbeiten. „Niemand von uns hat gefärbte Haare oder verrückte Tattoos oder so", lacht sie

Bei Einzelanfertigungen, wie sie bei Dancing With the Stars, den Oscars oder auf Touren von Madonna zu sehen sind, benutzt Omega immer noch flexible Spiegelplatten. Zahlreiche Anfragen für Discokugel-Spezialanfertigungen werden aber abgelehnt. Vor Kurzem hat jemand nach einem mit Spiegeln überzogenen Basketball für eine Bar Mitzvah gefragt. Die Stadt Louisville hat die Firma sogar gebeten, den Rekord für die größte Discokugel der Welt zu brechen, der im Guinnes Buch zu finden ist. Das hätte Louisville, hauptsächlich für seine Baseballschläger bekannt, quasi zur Welthauptstadt der Discokugel machen können. Aus Gründen, die Lehring nicht näher erläutern will, hat Omega die Anfrage abgelehnt.

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Nile Rodgers und Rob da Bank beim Bestival. Foto von Victor Frankowski für Bestival.

Dies erwies sich als Vorteil für England, denn der Mann hinter der größten Discokugel der Welt ist der britische DJ, Radiomoderator und Bestival-Organisator Rob Da Bank. Rob hat sich 2014 mit der Disco-Legende Nile Rodgers zusammengetan, um die größte Discokugel aller Zeiten zu erschaffen. Bedeckt mit 2.500 einzelnen gespiegelten Platten und drei Stockwerke hoch, hat der Aufbau den vorherigen Rekord abgelöst, der 2012 bei einem Event in Russland mit Maya Jane Coles als DJ vorgestellt wurde.

„Wir wollten eine riesige Party für das gewaltige Finale des Festivals am Sonntag erschaffen, bei dem Nile Headliner war und dachten: ‚Wie können wir es noch spezieller machen?'", sagt Rob da Bank. „Wir haben diese Leute gefunden, die sich auf große Shows für Festivals spezialisiert haben—Sachen wie hunderte farbige Ballons—und sie haben mit dem Design begonnen." Die Rekordkugel vom Bestival stellte sich letztendlich als aufblasbar heraus, was sie innerhalb von ein paar Stunden sogar zu einem vier Stockwerke hohen Monstrum werden ließ.

Die Rekord-Kugel beim Bestival. Foto von Victor Frankowski für Bestival.

Schauen wir wieder zurück auf die USA, wo die Discokugel im bekannten New Yorker Club Verboten ein zentrales Element bleibt. Sie hat sogar einen Namen: Jessica. „Meine Partnerin Jen und ich sind durch Dance-Locations wie Twilo, Limelight und Sound Factory zur elektronischen Tanzmusik gekommen—alles Orte mit einzigartigen Discokugeln", sagt Verboten-Miteigentümer John Perez. „Wenn der DJ einen ‚unserer' Songs gespielt hat, haben wir uns direkt unter der Discokugel gefunden, um zusammen zu tanzen. Um den Dude zu zitieren: Sie machen den Raum erst richtig gemütlich."

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Für Verboten-Lichtregisseur Gary Hunt ist die Discokugel weiterhin ein zentraler Aspekt seiner Arbeit, auch wenn er viel fortschrittlichere Technik zur Verfügung hat. „Sie hat viel mehr Persönlichkeit als ein Laser oder ein LED-Aufbau, was auch der Grund ist, warum ich ihr einen Namen gegeben habe", sagt Hunt über Jessica. „Es ist außerdem auch einer der sichersten halluzinogenen Effekte, die es gibt—was wahrscheinlich auch der Grund ist, warum es sie so lange gibt. Jessica ist wie eine große Stimme über den Köpfen, die den Leuten sagt, sie sollen tanzen und ihre Probleme vergessen."

Im Verboten hängen einige Miniatur-Discokugeln in der großen Halle als Hommage an Jeffrey Gamblero, auch bekannt als der berühmte New Yorker Graffiti-Künstler Korn, der zum engsten Kreis des Clubs gehörte und leider letztes Jahr gestorben ist.

Discokugel „Jessica" im Verboten. Foto: Verboten.

„Ich habe das Disco Ball Universe Project erschaffen, bei dem ich sechs kleinere Discokugeln im Raum verteilt habe, von denen jede mit einem eigenen Licht angestrahlt wird", sagt Hunt. „Wenn der Raum mit einer ordentlichen Menge Nebel gefüllt ist, erzeugt das ein Gefühl, als wärst du im Weltraum und würdest in Musik schweben. Das ist wirklich ein besonderes Schauspiel."

Im Verlauf der Jahrzehnte sind neue Musik-Trends gekommen und gegangen, neue Technologien haben die Art, mit der Licht im Club genutzt wird, verändert, aber die Technik der Discokugel ist nahezu die gleiche geblieben. Wie konnte etwas wie die Discokugel in einer Kultur, die sich so schnell verändert, so unberührt bleiben?

Für fast jeden scheint die Antwort auf Nostalgie zurückzuführen zu sein. Discokugeln erinnern jeden in der Clublandschaft an einfachere Zeiten, als die Musik rein und die Gefühle gut waren. Wir fühlen die Magie, wenn die schimmernden Platten einer Discokugel unsere Räume mit gerade so viel Licht füllen, um dazu tanzen zu können. Es ist fast, als würde man sich ein schönes Wahrzeichen in einer sich schnell verändernden Umgebung ansehen—egal was drumherum entsteht (von Techno bis EDM), du weißt, dass die Discokugel immer für dich da sein wird.

Deshalb, schenk uns weiter dein Licht, beste Discokugel, hör niemals auf, für uns zu scheinen!

David Garber ist bei Twitter.

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