Eine Liebeserklärung an die Pet Shop Boys, die beste britische Band aller Zeiten
Images from Pet Shop Boys' Facebook.

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Top of the Pops

Eine Liebeserklärung an die Pet Shop Boys, die beste britische Band aller Zeiten

Am Freitag erscheint ein neues Album von dem Duo, dass dir mehr Gründe gibt, es zu lieben, als jede andere Gruppe jemals.

Wenn dein Leben so trist wie meins ist, dann wirst du unweigerlich den einen oder anderen Dienstagabend in einem Pub (wir befinden uns in England) verbracht haben, dein zweites, abgestandenes Pint mit beiden Händen liebkosend und darauf wartend, dass eine Schüssel labbriger Mikrowellen-Pommes vor dir auf dem verklebten Tisch abgestellt wird. Und in einem Versuch, so etwas wie eine Unterhaltung anzustoßen, wirst du vielleicht folgende Frage in den Raum gestellt haben: „Welche ist die beste britische Band aller Zeiten?"

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Stille!

Dein Kumpel oder deine Kumpels tun so, als würden sie angestrengt nachdenken. Niemand sagt ein Wort, während mehrere Augenpaare die in Bierpfützen aufgeweichte Getränkekarte auf eurer Tischmitte anstarren. Keine Frage, es liegt an dir, eine halbwegs annehmbare Pub-Unterhaltung in Gang zu setzen.

Du schaust deinen Freunden tief in die Augen und du sagst: „Ich werde euch sagen, wer es ist. Ich werde euch sagen, wer die beste britische Band aller Zeiten ist. Die beste britische Band aller Zeiten sind die Pet Shop Boys!" Deine Freunde geben vereinzelt mürrische Laute von sich und du startest durch in einen abendfüllenden Monolog. Und du wirst recht haben. Es ist nämlich wahr. Die Pet Shop Boys sind in der Tat die beste britische Band aller Zeiten.

Ein Mann mittleren Alters im Pub hat meine Unterhaltung mitbekommen. Er sagt, ich würde unrecht haben. Er sagt, es seien The Clash, die die beste britische Band aller Zeiten sind. Er erzählt mir irgendetwas von der wichtigen Rolle des Punk im thatcherschen Großbritannien, während ihm Mayo das Kinn runterläuft. Jetzt schaltet sich ein etwas jüngerer Typ ein und er sagt, die beste Band Großbritanniens seien nicht The Clash und ganz bestimmt nicht die Pet Shop Boys, Oasis seien nämlich besser als beide zusammen. Just in diesem Moment schubst ihn sein bester Freund zur Seite und erklärt alle drei Vorschläge als reif für die Tonne und erklärt lauthals die Beatles zur besten britischen Band.

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Tja, die Sache ist nur die: Sie irren sich. Und wie sie sich irren! Klar, „And Your Bird Can Sing" ist ein annehmbarer Song und, ja, nach einem schönen Sechser kann ich auch „Cigarettes and Alcohol" etwas abgewinnen. OK, OK, OK ich mochte auch die Daria-Folge, die mit „Lost in the Supermarket" endete. Trotzdem irren sie sich alle so unglaublich. Und ich sage dir auch gleich schon warum.

Die Pet Shop Boys, Neil und Chris (niemals Chris und Neil!) haben sich am Donnerstag dem 5. Dezember 1985 in unser kollektives kulturelles Gedächtnis gepflanzt—und dreißig Jahre später sind sie immer noch da. Dieser Abend markierte den ersten von ihren insgesamt 58 Auftritten bei Top of the Pops und ihr Debüt feierten sie mit einer der besten Debütsingle aller Zeiten: „West End Girls". Um genau zu sein, war es nicht die Originalversion, die die britische Bevölkerung an diesem Abend zu Chips und Bier kredenzt bekam—diese Ehre ging an den Bobby O Remix—, die Originalversion wäre aber keineswegs schlechter angekommen. Eine durch und durch perfekte Single wurde mit einer durch und durch perfekten Performance gepaart: Eine Institution war geboren.

Die Pet Shop Boys klingen wie die beste Partynacht deines Lebens. Die Pet Shop Boys klingen wie die schlimmste Partynacht deines Lebens. Die Pet Shop Boys klingen wie ein unrealistisches Hollywood-Melodrama. Die Pet Shop Boys klingen wie ein Kammerspiel. Die Pet Shop Boys klingen wie Eskapismus in seiner reinsten Form. Die Pet Shop Boys klingen wie bis ans Ende seines Lebens in dem immer gleichen Kreislauf aus Scheiße steckenzubleiben.

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Es ist 2 Uhr morgens. Ich bin in Barcelona. Ich bin glücklicher, als ich jemals in meinem Leben gewesen bin. Meine Freunde und ich befinden uns nur wenige Besucherreihen von der Mainstage entfernt und immer wieder recke ich meinen Hals und schaue zurück auf die schier endlose Menschenmasse, die sich bis zum Horizont erstreckt. In der Ferne flackern die Lichter der Stadt und mein Kiefer schmerzt vom Grinsen. Ich schaue mir die Pet Shop Boys beim Primavera an. Ich bin glücklicher als ich je zuvor oder seitdem gewesen bin.

Perfektion heißt: „Love Comes Quickly", „What Have I Done to Deserve This", „Suburbia", „Domino Dancing", „I Want a Dog", „Heart", „Being Boring", „Left to my Own Devices", „Rent", „It's a Sin", „Always On My Mind", „Go West", „Did You See Me Coming?", „You Only Tell Me You Love Me When You're Drunk", „The Truck Driver and His Mate", „It's Alright".

Und was macht die Pet Shop Boys so großartig? Was haben sie nur an sich, dass wir auf ihr neues Album, Super, tatsächlich gespannt sind, anstatt innerlich zusammenzuzucken, wie uns das passiert, wenn wir beim Warten an der Bahnhaltestelle die neusten Musiknachrichten überfliegen und feststellen, dass die Rolling Stones oder Echo and the Bunnymen ein neues Album draußen haben? Warum lande ich einfach immer wieder bei Introspective oder Actually?

Deswegen:

Die Pet Shop Boys sind genau das, was eine Band—als Theorie; als ein Konzept, das wir in den 1950ern erfunden haben; als eine Idee, die für unsere Auffassung von Kultur so wichtig wurde wie Leinwand und Pinsel—sein sollte. Das heißt, Neil Tennant und Chris Lowe existieren etwas oberhalb der schnöden Realität. Ihre Welt ist eine der Kulissen und Kostümwechsel, ausgeklügelter Bühnenshows und Stadiontouren. Es ist eine Welt, in der man komplett ironiefrei wie Kaiser Augustus zu den Klängen von Coldplays „Viva La Vida" auf die Bühne schreiten kann; eine Welt, in der ein Teil deiner Karriere von vielen mit ernster Mine als „die imperiale Phase" bezeichnet wird. Die PSBs wollen nicht einfach wie „normale Typen" rüberkommen, sie sind nämlich auch keine „normalen Typen."

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Stattdessen verkörpern sie eine Erinnerung an eine Zeit, in der Bekanntheit, oder genauer gesagt: ein gewisser Prominentenstatus, mit einer gewissen Entrücktheit und Distanziertheit einherging. Bevor wir die Möglichkeit hatten, jeden noch so blöden und unwichtigen Gedanken aus unseren Köpfen direkt in die digitale Welt zu stellen, die niemals aufhört, sich vorwärts zu bewegen, waren Künstler noch etwas anderes—irgendwie ganz anders als der Rest von uns. Künstler kreierten und wir konsumierten ehrfürchtig. Die Pet Shop Boys haben sich bis heute diese Aura der Unnahbarkeit bewahrt—als würden sie von weit oben auf die kulturelle Landschaft hinabblicken, die sie mit erschaffen haben.

Im Laufe der letzten 30 Jahre haben sich die beiden Boys, die sich in einem Elektrogeschäft auf der Kings Road kennenlernten, durch eine unglaubliche Bandbreite klanglicher Erscheinungsbilder gearbeitet.

Da gibt es das Frühwerk mit Bobby O, das mit Hi-NRG Kitsch und Schwulenclub Bombast aufwartet, und die elektronische Überschwänglichkeit des von Stuart Price produzierten Albums Electric. Dann gibt es den radiofreundlichen Premium-Pop von Yes und die Synthpop-Sentimentalitäten von Release. Die Pet Shop Boys zu lieben, heißt Village People-esquen Krachern wie „New York City Boy" und Eurodisco Nummern wie „Red Letter Day" gleichermaßen etwas abgewinnen zu können. Nun, fast. Jede Band, die in ihrer Karriere zwölf Studioalben, sechs Best-Of-Compilations, vier Remix-Alben, drei Soundtracks, zwei B-Seiten-Sammlungen, zwei Live-Alben und 60 Singles rausgebracht hat, muss zwangsläufig auch ein paar Nieten in ihrem Backkatalog haben. Nichtsdestotrotz haben sie ein besseres Top-zu-Flop-Verhältnis als jede andere Band, die diese beschissene graue Insel jemals hervorgebracht hat. Ja, so ist es.

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Die Ästhetik der Pet Shop Boys bewegt sich dabei irgendwo zwischen dem Plastik-Hedonismus des Italo-Disco, dem Hochglanz-Kitsch des Broadway und der deprimierenden Resignation von Coronation Street. Nicht ganz unerheblich ist dafür die wundersam perfekte, perfekt wundersame Beziehung zwischen den beiden Jungs.

Abgesehen von der einen oder anderen Anomalität—„Paninaro" zum Beispiel"—kümmert sich Neil um den Gesang und Chris macht das, was auch immer Chris so macht: Keyboard spielen, bescheuerte Hüte tragen—solche Sachen halt. Die mit voller Absicht erschaffene Trennung zwischen beiden, die sich Abend für Abend auf ihren gigantischen Welttournee entfaltet, ist auch dreißig Jahre später noch immer aufregend und verleiht auch ihren Platten eine spannende Dynamik. Nichtsdestotrotz sind sie immer von einer spürbaren Traurigkeit umgeben.

Es ist diese Traurigkeit, diese entfernt wahrnehmbare Wolke des Scheiterns, die sie wie Issey Miyake Aftershave zu ihren Ozwald Boetang-Anzügen tragen, die mich und unzählige andere an ihre Musik heran führte. Songs wie ihr absolut phänomenales Cover von „Always on my Mind", ein Lied das klingt wie eine Ehrenrunde durch den Himmel, oder die Over-The-Top Ode an das Verhältnis zwischen Homosexualität und einer katholischen Erziehung „It's a Sin"—für sich ein wahrer Pedro Almodovar-Film, der in einem Studentenwohnheim spielt, falls es je so einen gegeben hat—klingen beide siegreich und geschlagen zugleich. Ihr Oeuvre trieft auf eine positive Art vom Gefühl des Scheiterns. Bei all dem Pomp und den mitreißenden Bass-Lines umgibt sie ständig ein gewisses Gefühl der Melancholie, vor dem es kein Entkommen gibt. Es ist, als würde man im Auto an der Küste sitzen, auf das graue Meer blicken und schlechtes Fastfood essen, oder den Lieblings-DJ im Lieblings-Club alleine anschauen.

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Die Boys haben aber auch eine liebenswürdige geschmacklose Seite. Sie bewegen sich in einer sonderbaren Blase, in der sich alles anfühlt wie die 90er der Zukunft—wie sie sich die Designer der 80er vorgestellt haben. Sie zu hören und sie zu sehen hat eine ähnlich beruhigende Wirkung, wie durch alte Kindercomics zu blättern oder Werbung für eine nicht mehr erhältliche Würstchenmarke anzuschauen. Dieses Geschmacklose hat irgendwie auch etwas sehr, sehr Britisches an sich.

Es ist diese potente Kombination aus Geschmacklosigkeit, Traurigkeit und Galmour, die die Boys so großartig und so britisch macht. An anderer Stelle habe ich bereits darauf hingewiesen, dass Großbritannien eine Nation von verklemmten Romantikern ist, die jedes Begehren, jedes Verlangen in einen grauen Sumpf des Nichts sublimieren. Wir wollen nicht als irgendetwas gesehen werden, das wir nicht sind. Wir weigern uns, uns in eine Position zu bringen, in der uns jemand anschauen und abfällig denken könnte: „Das ist ein Mensch mit Ideen weit über seinen Möglichkeiten."

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Neil und Chris haben solche Ideen. Der Glamour, der Exotismus und ihre Entertainerqualitäten, die es so aufregend und so unfassbar großartig macht, sie live zu sehen, ist durchsetzt von dem nicht abzuschüttelnden Gefühl, dass alles nur Show ist. Und natürlich ist es eine Show, aber es ist nicht „einfach nur" ein theatralisches Schauspiel, das zur Bespaßung der Ticketkäufer auf die Beine gestellt wird. Ihr Konzept reicht tiefer als das. Es sind zwei Männer, die in einem Land geboren und aufgewachsen sind, in dem man solche Dinge nicht tut, und trotzdem versuchen diese Dinge zu tun.

Sie sind unerschrockene Romantiker, schamlose Ästheten und der perfekte Beweis dafür, dass britische Musik nicht in der profanen Welt des Kitchen Sink Realism verhaftet bleiben muss. Auch 30 Jahre später scheinen sie immer noch Club-Musik als das wunderbare Ventil zu sehen, das sie zu ihren Anfangstagen schon war. Neil und Chris sind Träumer und ein Land, das sich dermaßen stur in einer Teebeutel-braunen Realität suhlt, braucht sie heute mehr denn je.

Und deswegen, liebe Leserinnen und Leser, sind die Pet Shop Boys die beste britische Band aller Zeiten.

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