Fußballhooligans ohne Hemd schreien ausgelassen
Fotos: Pavel Volkov
Menschen

Fotos: Russische Hooligans in der Blüte ihres Lebens

"So schön wie damals, als 100 Typen sich die Seele aus dem Leib geprügelt haben, wird es nicht mehr." – Pavel Volkov

"Hooliganismus" kann auf viele Arten beschrieben werden, aber vor allem eine Art fällt auf: Fangruppen tun sich zusammen, besaufen sich, gehen ins Stadion, und schlagen sich dort, davor oder danach mit gegnerischen Hooligans. Es ist ein Hobby, das auf Adrenalin, Tribalismus und Gewalt beruht. Wenige Fußballfans leben Hooliganismus wie die Russen. 

Das Phänomen wurde während der 1970er–Jahre in Großbritannien geboren. Von dort aus verbreitete sich Hooliganismus zu anderen fußballvernarrten Nationen wie etwa Deutschland, bevor er in den 90ern auch in Russland ankam. Zur Jahrhundertwende hatten sich russische Hooligans einen Namen gemacht, weil sie sich in Boxclubs treffen oder im Schnee ohne Hemd kämpfen. In den letzten Jahren sind Spannungen zwischen englischen und russischen Hooligans eskaliert, wie vor allem die Massenprügelei während der Europameisterschaft 2016 in Marseille belegt.

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Aus Sorge vor schlechter Presse fing die russische Polizei vor der Fußballweltmeisterschaft 2018 an, hart gegen Hooligans durchzugreifen. Seitdem wurde selbst das Zünden von Feuerwerkskörpern angezeigt, was die Szene verständlicherweise etwas ruhigstellte. Bei der Weltmeisterschaft kam es nur zu vereinzelten Schlägereien. 

Der russische Fotograf Pavel Volkov schaffte es, die Szene während ihrer Blütezeit in den 2000ern zu infiltrieren. Er ist einer der wenigen Fotografen, der eine Hooligan–Gruppe als Insider fotografiert und noch alle seine Zähne hat. VICE sprach mit ihm über über Vergangenheit und  Zukunft dieser archaischen Gemeinschaften. 

Klatschende Fußballfans im Stadion

VICE: Pavel, du hast dieses Projekt vor sieben Jahren gestartet. Was war zu der Zeit in der russischen Hooligan–Szene los? 
Pavel Volkov: Um 2012 waren russische Fußballhooligans sehr viel gewalttätiger als jetzt. Sie kämpften die ganze Zeit gegeneinander, und viele dieser Schlägereien wurden ins Internet gestellt. Manche meiner Freunde waren dabei, deswegen kannte ich viele Leute, die in die Szene involviert waren. Es war ein großer Teil der russischen Fußballkultur. 

Hooligan mit Zigarette in Hand, ohne Hemd aber mit Fanschal

Wie bist du da reingerutscht? 
Über Freunde, aber einfach war es nicht. Ich musste beweisen, dass ich nicht zur Polizei gehen würde. Am Anfang bin ich mit ihnen zu Fußballspielen gegangen. Dann bin ich selbst in eine Schlägerei geraten und habe davon Fotos gemacht, die jeder gesehen hat. Als die Zeit verging und sie anfingen, mir zu vertrauen, verstanden sie, dass ich ihrer Gemeinschaft nicht schaden würde. Ich lernte den Anführer kennen. Er war der Einzige, der entscheiden konnte, ob ich bleiben durfte oder nicht. Und er ließ mich rein. 

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Wie waren diese Typen so drauf? 
Interessant ist, dass nicht alle von ihnen aus der Unterschicht kamen. Viele waren Gutverdiener, die in spezialisierten Jobs arbeiten und ihre Hobbys separat davon leben. Insbesondere ein Foto überrascht Menschen immer wieder: Darauf kann man einen Mann in seinem Büro mit einer Fußballflagge sehen. Nachdem ich das Foto geschossen hatte, sind wir mit seinem teuren Auto ins Stadion gefahren.

Gruppenschlägerei, bei dem ein junger Mann auf eine am Boden liegende Person tritt

Gab es Momente, in denen du Angst hattest? 
Das kann ich so nicht sagen. Natürlich war mir klar, dass wir Ärger bekommen könnten – wir könnten verprügelt oder verhaftet werden. Aber ich kannte die Risiken und fühlte mich darauf vorbereitet. Du darfst nicht vergessen, dass es unglaublich viel Spaß macht, mit diesen Typen abzuhängen. Wir haben richtige Abenteuer erlebt. Als ich die Prügeleien fotografiert habe, fing ich an, richtig mit den Hooligans mitzufühlen. Wenn sie verletzt waren, war ich traurig. Wenn ihre Mannschaft ein Spiel verloren hatte, war ich traurig. Wir sind Freunde geworden. Selbst heute bin ich noch mit manchen von ihnen in Kontakt. 

Junger Mann mit geschwollenem Auge

Was ist deine liebste Erinnerung an diese Zeit? 
Einmal sind wir in diese kleine russische Stadt gefahren, um ein Spiel zu sehen. Es war früh am Morgen und das Stadtzentrum war leer. Also entschieden sich die Männer dazu, im Springbrunnen zu schwimmen. Viele der Spaziergänger waren nicht so erfreut darüber, aber niemand hat uns aufgehalten. Sogar die Polizei wurde gerufen, aber sie hat nichts unternommen. Sie sagten uns nur, dass wir uns benehmen sollten. 

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Hooligans schwimmen im Springbrunnen

Was war der größte Kampf, den du mitbekommen hast? 
Den größten Kampf habe ich gar nicht miterlebt. Nur Fotos davon habe ich gesehen: eine Schlägerei mit unzähligen Menschen in der Mitte einer großen russischen Stadt. Viele wurden schwer verletzt und alle über Nacht festgehalten. Den Anwälten zufolge haben die Verletzten nicht verraten, wer sie geschlagen hat. Sie verpetzen ihre Gegner nicht. Es war definitiv einer der besten Tage ihres Lebens. 

Ein Hooligan wird von der Polizei festgenommen und liegt am Boden

Die russische Hooliganszene hat sich sehr verändert. Weshalb? 
Ich glaube, heutzutage möchten Leute lieber die Fußballspiele genießen, als sich zu schlagen. Jetzt kannst du die Hooligans von den normalen Fans unterscheiden, früher waren das die gleichen Leute. Die Subkultur von vor sieben oder acht Jahren gibt es einfach nicht mehr. Das liegt an der Polizei. Die Weltmeisterschaft in Russland zeigt den Effekt, den die Polizei gewollt hat. Es gab während der gesamten Veranstaltung keine heftigen Zusammenstöße mit den russischen Hooligans.

Schlagen sich Menschen heute an anderen Orten als bei Fußballspielen? 
Nein, mittlerweile ist es fast unmöglich, eine Schlägerei im Stadtzentrum zu sehen. Die meisten Hooligans wollen nicht ins Gefängnis gehen. So schön wie damals, als 100 Typen sich die Seele aus dem Leib kloppten, wird es nicht mehr. Die Zeit ist vorbei. Vielleicht ist das auch besser so. 

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