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Der Mann hinter Clone Records hat noch lange nicht genug

Das niederländische Label und Vertrieb veröffentlicht seit einem Vierteljahrhundert erstklassige Platten – Zeit, mit Gründer Serge sowohl zurück als auch nach vorne zu schauen.
All photos by Boris Bunnik

Alle Fotos von Boris Bunnik. Dieser Artikel ist im Original bei THUMP Niederlande erschienen

Wenn du dich für elektronische Musik interessierst, wirst du Clone Records sehr wahrscheinlich kennen. Dieses Jahr feiert das Label aus Rotterdam sein 25-jähriges Bestehen. Im letzten Vierteljahrhundert hat das legendäre Imprint Platten von Dopplereffekt, Drexciya, Alden Tyrell, Legowelt und unzähligen weiteren veröffentlicht – die Liste ist endlos. Und dabei vergisst man beinahe ihren (Online-) Plattenladen und Vertrieb, beides weltweit geschätzte Quellen für House, Techno, Disco und alle möglichen anderen Genres.

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Der Mann, der all dies aufgebaut hat, heißt Serge Verschuur. Vor 25 Jahren beschloss er, seine eigenen Platten unabhängig zu veröffentlichen. "Ich wurde durch Armandos Warehouse Records, Underground Resistance und Bunker Records inspiriert und hatte eine Menge Respekt für Alleviated von Larry Heard", sagt er mir, während wir in seinem Laden die Plattenkisten durchforsten. "Aber ich habe auch auf kleinere Labels geschaut. Es gab damals eine riesige DIY-Kultur. Leute, die über ihre kleine Plattform etwas machten, das sie mochten." Clone wurde viel mehr als nur ein kleines Label, aber die Idee, revolutionäre Musik zu veröffentlichen, blieb.

Den 25-jährigen Geburtstag feiert Clone mit einer Tour namens Return of the Future. Der Name dieser Reihe klingt nicht nur cool – er steht auch für die Richtung, die das Label in den nächsten Jahren einschlagen wird. Wir haben mit Serge darüber gesprochen, wie man jung bleibt, Trends vermeidet und seinen eigenen Laden leerkauft.

THUMP: Clone gibt es mittlerweile seit 25 Jahren. Bei dir im Laden arbeiten Leute, die drei oder vier Jahre alt waren, als du angefangen hast. Wie fühlt sich das an?
Serge: Ich denke, das ist cool und sogar essentiell! Ich will nicht in Routinen stecken bleiben. Diese frische Perspektive, diese naive Herangehensweise, das mag ich wirklich. Das Interesse von jungen Leuten an Clone bestätigt, dass das, was wir die ganzen Jahre gemacht haben, nicht nur irgendein Trend war und dass wir die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Was wir machen hat Bestand. Und wir haben all das gemacht, indem wir unserem Bauchgefühl gefolgt sind. Ich sehe, dass Leute den Nachtzug nehmen, um zu unseren Partys zu kommen – das ist genau das, was ich in ihrem Alter auch getan habe.

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Haben sich deine Kunden auch verändert?
Nein, nicht wirklich. Die Leute, die in den Laden kommen, wollen neue Musik entdecken. Ich hatte nie ein bestimmtes Zielpublikum im Kopf, ich wollte einfach nur die Art von Platten verkaufen, die meine Freunde und ich mögen. Unsere Platten sind genauso unterschiedlich wie unsere Kunden.

Drogendealer sagen gerne: "Berausch dich nicht an deiner eigenen Ware". Stimmst du dem zu?
Nein, ich berausche mich gerne an meiner eigenen Ware! Ich höre mir jede Platte an, die wir verkaufen, und kaufe viele davon selbst. Ich schätze, ich bin der beste Kunde des Ladens.

Denkst du, dass heute mehr Leute elektronische Musik hören als vor 25 Jahren?
Nein, das denke ich nicht. Aber es gibt heutzutage eine Menge Hypes – Musik wird nicht mehr nur aufgrund ihrer Qualitäten bewertet sondern aufgrund des Images. Nimm zum Beispiel unsere Compilation Ten Men You'll Never See: Alles gesichtslose Künstler ohne Image. Heutzutage dreht sich alles um die Pressefotos und soziale Medien. Viele Musiker wären nicht bekannt, wenn wir sie nur nach ihrem musikalischen Output beurteilen würden. Das war in den 80ern und 90ern anders. Vielleicht ist heute alles viel oberflächlicher.

Was meinst du damit?
Naja, der visuelle Aspekt ist heute so unglaublich wichtig. Unabhängige Musik sollte sich nicht darum drehen. Aber natürlich gibt es positive Seiten an Social Media – es bringt Leute zusammen und du kannst ohne die Hilfe alter Medien eine Menge qualitativer Musik dort finden. Aber es ist auch einfach zu manipulieren.

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"Die Sache, die ich an den letzten 25 Jahren am meisten mochte, war, wenn ich ein Demo aus der Post hörte und sofort dachte: Jawoll!"

Und dabei machst du nicht mit?
Nein, bei unserer Musik geht es um Ausdruck, Gefühl, Atmosphäre – du musst etwas spüren, während du sie hörst. Du musst deine eigene Frustration, Angst, Begierde, Fantasie und Energie darin erkennen. Ob sie schwule Afroamerikaner aus Chicago produzieren oder irgendein heterosexueller Surfertyp aus Neuseeland ist egal: Musik ist die Verbindung. Die ersten Raves waren sehr bunt gemischt, heutzutage gehen alle auf ihre eigene kleine Party. Aber vielleicht ist meine Reaktion zu heftig – es passieren trotzdem eine Menge guter Dinge.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wo siehst du Clone in den nächsten paar Jahren?
Ich weiß es wirklich nicht. House, Electro, Techno und Disco waren immer zukunftsgewandt und es drehte sich alles darum, Fortschritte zu machen. Elektronische Musik war mit den neuesten technischen Entwicklungen verbunden. Es war der Klang der Zukunft, aber in den letzten zehn oder zwölf Jahren haben wir hauptsächlich zurück geschaut. Elektronische Musik ist nicht erwachsen geworden. Jetzt ist es wieder Zeit, nach vorne zu schauen.

Wie soll das funktionieren mit Relikten wie Vinyl oder einer 808er oder 909er?
Es gibt eine Verbindung zwischen Tradition und Innovation. Kein Künstler mit einem Pinsel und ein wenig Ölfarbe wird denselben Einfluss haben wie Mondriaan mit seinen geraden Linien und farbigen Quadraten. Aber bei elektronischer Musik geht es um Gefühl, darum, auf bestehenden Prinzipien und Ideen aufzubauen. Klassische Musiker nutzen seit Ewigkeiten Geigen, aber Stravinsky hat trotzdem etwas anderes mit diesem Instrument gemacht als Wagner oder Mozart. Wie wird das 2030 sein? Oder 2100? Wird es wie Rockmusik sein, die jetzt seit Jahren stagniert? Oder werden wir nach vorne blicken und unsere Musik weiterentwickeln, wie wir es immer getan haben. Das ist auch das Konzept hinter dem Namen unserer Tour, Return of the Future.

Eine letzte Sache: Was ist deine schönste Erinnerung aus 25 Jahren Clone Records?
Es gibt tatsächlich eine Menge. Als ich das Radio anschaltete und das erste Mal meine Musik dort hörte. Bei den Acid-Planet-Partys im Blauwe Anslag zu spielen. Oder als ich auf Pommes wartete, die ich gerade bestellt hatte, und plötzlich einen Anruf von einem Künstler bekam, der am nächsten Tag nicht mehr unter uns weilen sollte. Das war hart. Oder mein erstes Mal in Detroit, als ich einen Künstler während seiner Schicht in einem Fast-Food-Restaurant besuchte, das mit kugelsicherem Glas und mehr Security als die Banken in den Niederlanden ausgestattet war. All die Freundschaften, die seit Jahrzehnten bestehen. Aber die Sache, die ich an den letzten 25 Jahren am meisten mochte, war, wenn ich ein Demo aus der Post hörte und sofort dachte: Jawoll!

Danke Serge!

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