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The Great House ‘n‘ Soul Swindle—Detroit Swindle im Interview

House, House, and more fucking House? Aber au con­t­raire! Auf ihrem Debütalbum ‚Boxed Out‘ arbeitet das niederländische Produzentenduo Detroit Swindle auch erfrischend mit Soul und HipHop.

House, House, and more fucking House? Aber au con­t­raire! Der frühere Booker Lars Dales und der ehemalige Werber Maarten Smeets haben seit der Veröffentlichung ihrer ersten EP Creep vor zwei Jahren eine mehr als steile Karriere hingelegt. Nach sieben weiteren Singles bzw. EPs folgte im Februar mit Huh, What! der erste Ausblick auf ihr Debütalbum Boxed Out, auf dem das in Amsterdam lebende Produzentenduo Detroit Swindle oberflächlich betrachtet besten Deep House serviert, aber auch jede Menge Verweise an Soul und HipHop zu bieten hat—sogar den Schmuserapper Mayer Hawthorne konnten Lars und Maarten von einen Gesangsfeature überzeugen.

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Boxed Out ist ihr viertes Release auf Dirt Crew Recordings, im Interview mit unserem niederländischen Korrespondenten Aron Friedman erklären sie, warum sie aber auch abseits von Dirt Crew veröffentlichen—und warum sie generell sehr wählerisch in Sachen Labels sind. „Wir werden immer am Ende der Detroit Swindle-Nahrungskette stehen", relativiert Lars den konstanten künstlerischen wie auch den zarten wirtschaftlichen Erfolg ihres Projektes. Wie sie überhaupt zur Musikproduktion kamen, warum Motor City Drum Ensemble ein Erweckungsmoment war, welche Rolle Detroit für sie musikalisch spielt und warum man sich nicht zu ernst nehmen sollte, erklären Detroit Swindle im Interview.

THUMP: Ihr seid beide bereits seit Jahren im Nachtleben von Amsterdam aktiv. Wie sah die Zeit vor eurer Zusammenarbeit aus?
Marteen: Während meines Business Management-Studiums an der Universität habe ich immer Partys geschmissen. Ich habe lange Zeit für eine bekannte niederländische Organisation mit dem Namen Electronation Events geplant und veranstaltet. Aber die Acts, die ich am liebsten gebucht habe, sind am wenigsten beim Publikum angekommen. Also hatte ich nach fünf Jahren die Schnauze voll davon, Veranstalter zu sein—und bin in der Werbung gelandet. Ich habe außerdem im Club More aufgelegt—zu der Zeit, als Lars die DJs dort buchte. Wir hatten ähnliche Vorlieben und Abneigungen. Die eigentliche Zusammenarbeit wurde durch eine Unterhaltung mit schlechten Nachrichten, die Lars mit mir führen musste, in Gang gesetzt. Er sagte mir, mein Stil sei zu deep für den Club. Er schmiss mich im Prinzip raus, obwohl er die Musik, die ich spielte, sehr mochte.
Lars: Das ist richtig. Ich habe als HipHop-DJ angefangen als ich zwölf Jahre alt war. Ein Freund fragte mich nach einer Schulparty, ob ich zu einer HQ-Clubnacht ins Melkweg gehen wolle—da war ich mittlerweile fünfzehn. Das war meine erste Cluberfahrung—und auch meine erste Drogenerfahrung. Ich fuhr total drauf ab. In den Jahren danach habe ich all die großen Festivals in Holland und im Ausland besucht: Dance Valley, Awakenings, Love Parade. Zu der Zeit habe ich harten House und Techno gespielt. Und dann fing ich an, das kommerzielle Programm beim Club More zu machen. Ich machte das sieben Jahre lang, bis ich wirklich die Schnauze voll davon hatte. Auf meiner eigenen Party spielte ich die neueste Jay-Z-Platte, aber sobald ich nach Hause kam, legte ich Isolée oder Paperclip People auf. Also entschied ich mich entgegen aller Ratschläge, die Brücken hinter mir abzubrechen: Ich schloss mich für ein Jahr im Studio ein und machteGelegenheitsjobs, reparierte was bei Leuten, um über die Runden zu kommen. Und das Gespräch mit Maarten war dann tatsächlich der Beginn unserer Zusammenarbeit.

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Dann kam die erste Veröffentlichung, „The Wrap Around", die sofort ein Hit wurde.
Ich hatte ein paar Tracks fertig und fragte Maarten, was er darüber denkt. Er hatte noch nicht viel Erfahrung als Produzent, aber er ein sehr gutes Gehör für Musik. Also stellten wir die ersten beiden EPs gemeinsam fertig. Ein Freund von uns hat eine der EPs dann Huxley geschickt, ohne dass wir etwas davon wussten. Huxley hat sofort gesagt: Ich brauche das auf meinem Label! Die zweite EP erschien dann auf Dirt Crew, ab da ging es los: Wir sind schneller in der internationalen Szene gelandet, als wir überhaupt begreifen konnten.

Maarten: Die erste EP kam im März, die zweite im Mai. Dann sagte Peter von Dirt Crew: „Jungs, eure Musik ist super. Arbeitet an einer Live-Show. Wir wollen, dass ihr auf der Release-Party live spielt." Wir hatten keinen blassen Schimmer, wo wir anfangen sollten. Das erste Loive-Set war ein totales Desaster: Der Computer ist aufgrund der Hitze abgestürzt,damit war die Show beendet. Ein paar Monate und ein paar erfolgreichere Shows später, haben wir dann in der Panorama Bar gespielt. Das war unser viertes Live-Set. Da waren wir also, nicht einmal ein halbes Jahr nachdem unsere erste EP rauskam, und haben in der Panorama Bar den Soundcheck gemacht und rumgescherzt: „Hey, meinst du wir dürfen jetzt Bilder hier drin machen?" Das war der Moment, an dem wir realisierten, dass die Dinge wirklich schnell gehen könnten. Seitdem ist es wie eine Achterbahn.

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Was hat dafür gesorgt, dass es zwischen euch ‚Klick' gemacht hat?
Lars: Das hatte nicht nur mit House-Musik zu tun, die war nur der Anfang. Es hat auch aufgrund unserer jeweiligen musikalischen Vergangenheit ‚Klick' gemacht. Ich bin hauptsächlich mit HipHop groß geworden, Maarten hat sich hauptsächlich für Soul, Funk und Breakbeat interessiert.
Maarten: Irgendwann haben wir uns unterhalten und gesagt: „Es muss doch mehr geben, als diese gleichförmigen Tech-House-Platten, die es wie Sand am Meer gibt und die die Charts überfluten."
Lars: Genau! Und dann haben wir „Raw Cuts" von Motor City Drum Ensemble gehört und wir gedacht: „Was zur Hölle?" Wir waren total von den Socken.

Der Name Detroit Swindle ist also eigentlich ein Seitenhieb auf MCDE?
Nicht wirklich, aber er hat uns einen Arschtritt versetzt und uns gezeigt, was möglich ist: Funk- und Soul-Einflüsse so mit House zu kombinieren, dass es immer noch Clubmusik ist.
Maarten: MCDE hat bewiesen, dass man einen Track selbst bei 118 BPM mit Energie füllen kann. Dass man kein hohes Tempo oder eine Bassdrum braucht, um einen stampfenden Song zu machen.
Lars: Wir haben intensiv über den Namen nachgedacht. Die meiste Musik, die uns gefällt und die uns verbindet, bezieht sich auf Detroit. Darauf wollten wir uns aber nicht nur beziehen, sondern uns auch ein wenig darüber lustig machen. Der Name musste außerdem gut klingen, deswegen Detroit Swindle. Wir waren uns immer ziemlich klar darüber, dass wir auch nur zwei Weißbrote aus Amsterdam sind. [lacht]
Maarten: Detroit war in den Sechzigern und Siebzigern das Epizentrum des Souls.
Lars: Und wenn es ein Album gibt, das ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde, dann wäre es Labcabincalifornia [von The Pharcyde], das hauptsächlich J Dilla produziert hat. Alles, was der Typ macht, trifft bei mir den richtigen Nerv.

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Weiter im Text:

Bevor ihr euch entschieden habt, euch komplett der Musik zu widmen, habt ihr beide andere Jobs gemacht. Wann fiel die Entscheidung für Detroit Swindle?
Ich habe mir ein Ultimatum gesetzt, nachdem ich all meine Brücken hinter mir abgebrochen hatte. Wenn ich es nicht schaffe, mich mehr oder weniger ausschließlich mit Musik über Wasser zu halten, suche ich mir was anderes. Es ist gut, solch eine Deadline zu haben, denn dann musst du wirklich alles dafür geben.
Maarten: Das war bei mir etwas anders. Als wir mit Detroit Swindle anfingen, dachten meine Frau und ich gerade darüber nach, ein Baby zu bekommen. Ich hatte einengutbezahlten Job, also gab es aus finanzieller Sicht wirklich keinen Grund, sich auf die Musik zu konzentrieren. Aber meine Frau hat mich sehr dabei unterstützt und gesehen, wie viel Freude es mir machte. Der erste Schritt war bei Detroit Swindle definitiv nicht, genug Geld zu machen, um mich und Lars finanziell zu unterstützen. Unser erster Schritt war einfach: Lass uns coole Musik machen und sehen, wohin uns das führt. Es sollte Spaß machen. In den ersten eineinhalb Jahren habe ich dann immer weniger gearbeitet.

Familienleben muss hart gewesen sein, mit den ganzen Reisen?!
Das war es definitiv, mit dem Job und dem Kind. Aber kurz vor unserer ersten Amerika-Tour habe ich der Werbeagentur gesagt: „Tschüss Leute." Ich mochte es wirklich, Werbespots zu machen, aber die kreative Freiheit, alles selbst bestimmen zu können, war einfach großartig. Detroit Swindle ist schließlich auch eine eigene Marke: Du musst darüber nachdenken, wie du dich selbst präsentierst, wie du Events machst, das Label … Jetzt bin ich wirklich zufrieden damit, mich komplett auf Detroit Swindle einzulassen.

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Ihr seid im Prinzip eure eigenen Manager?
Lars: Ja, das frisst eine Menge Zeit. Aber wenn du unter der Woche zusammen sitzen und auch unabhängig voneinander arbeiten kannst, schaffst du ziemlich viel und es beansprucht dich nicht zu sehr. Sobald du dich auf eine Sache komplett einlässt, wachsen die Ergebnisse exponentiell.
Maarten: Wir haben auch schon ein paar helfende Hände, aber es muss am Anfang immer noch alles über uns laufen. Bei manchen läuft es nicht so, aber bei uns schon. Und wir expandieren gerade wirklich. Wir legen nicht nur auf, wir spielen auch live. Wir werden nicht nur als Act gebucht, wir organisieren auch eine regelmäßige Veranstaltung im Studio 80 in Amsterdam, die wirklich ein Konzept hat. Wir betreiben [mit Heist Recordings] unser eigenes Label und wer weiß, was da noch so kommt.
Lars: Das alles sind Entscheidungen, die wir selbst treffen. Und das alles sind Sachen, die uns Spaß machen und die wir gerne machen. Aber wir müssen anfangen, unsere Zeit einzuteilen. Wir werden immer am Ende der Detroit Swindle-Nahrungskette stehen und eher jemanden haben, der uns Sachen zeigt und uns fragt. Wir haben beide jeweils ein Jahrzehnt Erfahrung hinter den Kulissen: du weißt, wie die Dinge laufen und du weißt, auf welchem Wege du wie wahrgenommen wirst. Denn wahrgenommen zu werden ist vielleicht das Wichtigste. Wir sind in den letzten zweieinhalb so schnell so groß geworden; wir müssen das jetzt über die nächsten zehn bis zwanzig Jahre aufrechterhalten. Wir sind sehr wählerisch, welche Partys wir spielen und bei welchen Labels wir veröffentlichen.

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Schränkt dieses strategische Denken nicht eure Kreativität ein?
Es mag berechnend klingen—was es auch ist, denke ich—aber es ist auch eine fünfzig-fünfzig Sache. Fünfzig Prozent sind Strategie. Doch die Leute nehmen uns auch als lustige und kreative Leute wahr. Ich denke, das sind wir auch. Wir haben offensichtlich eine linke und eine rechte Gehirnhälfte. Wenn wir ins Studio gehen, ist das alles egal. Dann sind wir nur mit Musik beschäftigt und nicht damit, welche Art von Tracks wir machen. Was auch immer rauskommt, kommt raus.

Jetzt erscheint euer Debütalbum Boxed Out. Warum ein Album?
Alle EPs haben sich gut verkauft, es gab bis heute noch kein wirklich schlechtes Review. Mit dem Album wollen wir zeigen, dass wir mehr als straighten House können. Bei einem Album hast du Platz, dein Spektrum zu erweitern. Es gibt auf dem Album auch ein paar HipHop- und Disco-Tracks. Obwohl es natürlich keine Schande ist, für deine Clubtracks bekannt zu sein.
Maarten: Es gibt da draußen so viele EPs. Und wenn du es schaffst, ein gutes Album zusammenzustellen, dann bekommst du dadurch mehr Beachtung. Viele Leute haben nicht die Zeit oder die Fähigkeiten, ein ganzes Album zu machen. Wir wollten für uns selbst herausfinden, ob wir solch eine Geschichte schaffen können und denken dabei auch an uns als Live-Act; wie wir interessanter für die großen Festivals werden können. Ein Album öffnt viel mehr Türen. Wir wollen einfach Dinge erreichen, die wir vorher nicht erreicht haben und dorthin kommen, wo wir vorher noch nicht waren.

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Plant ihr noch mehr langsame Sachen? Ich fand die am überraschendsten.
Diese Tracks haben wir aus einem Grund gemacht. Wir wollten sehen, ob wir mehr von dem Soul, mit dem wir aufgewachsen sind, einbauen können. Wenn du am Ende einer großartigen Nacht, wenn der Dancefloor immer noch voll ist, einen Song wie „You, Me, Here, Now" spielst, stehen alle dort und sind total beseelt und kommen runter auf 100 BPM. Das passt sehr zur Erweiterung unseres Spektrums. Wir machen wirklich alles von Disco bis Acid, von Techno bis House. Lars: Wir haben es geschafft, unseren Sound zu erweitern ohne chaotisch zu werden. Tatsächlich erzählen wir jetzt eher eine Geschichte. Früher haben wir unseren House-Sound gepusht, heutzutage nehmen wir die Leute mit auf eine musikalische Reise. Außerdem produzieren wir viel breit gefächerter als früher. Das Album hat wirklich unseren Horizont erweitert.

Eure Tour durch Asien, Australien und Neuseeland war bis jetzt eure längste. Was waren da die Highlights?
Die absoluten Highlights waren Shanghai, Sydney und Auckland. Die Leute sind tatsächlich extra gekommen, um uns zu sehen. Das bringt dir schon mal einen Vorteil, wenn du hinter die Plattenteller gehst. Perth und Brisbane waren kleiner, haben aber auch Spaß gemacht. An solchen Orten musst du noch härter arbeiten um die Aufmerksamkeit der Leute zu gewinnen.
Lars: Die Rückmeldung von vielen Veranstaltern war, dass wir ziemlich Underground waren, gemessen an den Clubs, in denen wir spielten. Trotzdem haben wir es aufgrund unserer energetischen Sets geschafft, dort zu bestehen. Alle waren zufrieden mit uns, also planen wir schon die nächste Tour.

Wie kam eigentlich die Verbindung zu Mayer Hawthorne zustande?
In seiner Freizeit—die er wundersamer Weise immer noch hat—ist Mayer DJ und hat unseren Track „The Wrap Around" in seinem Mix benutzt. Wir haben ihm bei Facebook eine Nachricht geschickt, auf die er sofort antwortete. Er lud uns zu seiner Show in Amsterdam ein und wir sagten ihm, dass wir einen Song haben, zu dem seine Stimme perfekt passen würde. Am nächsten Tag hatte er den Text fertig. Es hat allerdings ein paar Monate gedauert, bis er uns auf einmal anrief und sagte, dass er für das Amsterdam Dance Event in der Stadt sei. Wir haben dann mitten in der Nacht seinen Gesang aufgenommen.
Maarten: Und sein Management war wirklich entspannt deswegen. Wir durften seinen Gesang verwenden, wenn wir versprechen, einen seiner Tracks zu remixen. Wir haben diesen Remix gerade fertiggestellt; er wird bald auf Universal rauskommen. Es ist ziemlich bizarr, diese Sachen zugeschickt zu bekommen, die von Pharrell gemacht wurden. Viele bizarre Dinge sind in den letzten paar Jahren passiert.

Detroit Swindle, Boxed Out, 24. März 2014, Dirt Crew Recordings, Vinyl / CD / MP3

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