FYI.

This story is over 5 years old.

Unglück

Für die Loveparade-Katastrophe wird vorerst niemand zur Rechenschaft gezogen

Das Landgericht Duisburg hat die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht zugelassen.
Angehörige Trauern an der Unglücksstelle vor sechs Jahren | Foto: imago/Revierfoto

Die Katastrophe auf der Love Parade 2010, bei der 21 Menschen starben und über 600 verletzt wurden, wird fürs Erste keinen juristischen Prozess nach sich ziehen. Einem Beschluss des Duisburger Landgerichtes zu Folge, berichtet Spiegel Online, gibt es keinen hinreichen Tatverdacht, der eine Hauptverhandlung rechtfertigt. Das Gericht hat die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen zehn mutmaßlich Verantwortliche nicht zugelassen.

Anzeige

In der Begründung der 5. Großen Strafkammer unter dem Vorsitz des Richters Joachim Schwartz, die satte 460 Seiten umfasst, wird vor allem der Bericht des britischen Panikforschers Keith Still angezweifelt. Diesen hatte die Staatsanwaltschaft Duisburg als zentrales Beweismittel in ihrer Anklageschrift angeführt. Der an der Buckinghamshire New University lehrende Professor für Massendynamik und Massenmanagement wurde im Mai 2011 beauftragt, ein Gutachten zur "Ursache der Menschenverdichtung" bei der Love Parade zu erstellen. Dieses wurde der Strafkammer bereits Ende 2011 vorgelegt.

Still kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Love Parade in einer Katastrophe enden musste. Sechs Angestellte der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter der durchführenden Veranstaltungsfirma wären demzufolge somit unter dringendem Tatverdacht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung. , Das Gericht monierte nun jedoch, dass das Gutachten bruchstückhaft und voller Tippfehler, also nicht belastbar sei, wie es im Jargon der Juristen heißt.Durch den fragmentarischen Charakter sei vieles in dem Bericht unverständlich und nicht eindeutig. Auch Nachfragen bei Still hätten nicht zur Beantwortung der Fragen beigetragen, ob die Love Parade hätte genehmigt werden dürfen und wie es zu dem Gedränge am Güterbahnhof kam.

Dass am Ende niemand eine Verantwortung haben soll, ist vor allem für die Angehörigen der Opfer schwer zu verstehen. Die Staatsanwaltschaft prüft nun weitere Schritte und könnte sechs Jahre nach dem Unglück vor das Düsseldorfer Oberlandesgericht ziehen. Dass die Aufarbeitung eines solchen Vorfalls bei einer Massenveranstaltung lange dauert, ist derweil nachvollziehbar. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft umfasst 556 Seiten, die Ermittlungsakten 37 000 Blatt Papier. Außerdem mussten ca. 1000 Stunden Videomaterial gesichtet werden. Hinter der Staatsanwaltschaft hatten sich noch mehr als 70 Nebenkläger zusammengefunden.

Die Frage, welche Rolle die Duisburger Polizei bei der Katastrophe spielte, ist übrigens nicht mehr von Bedeutung. Mögliche Vergehen ihrerseits sind seit letztem Sommer verjährt. Adolf Sauerland, der damalige Bürgermeister von Duisburg, musste 2012 nach einem Bürgerbegehren zurücktreten. McFit, die Fitnesskette von Rainer Schaller, dem Geschäftsführer der Agentur hinter der 2010er Loveparade, dürfte ihren Umsatz von 160 Mio. Euro aus dem Krisenjahr hingegen längst mehr als verdoppelt haben, bereits 2013 lag er bei 290 Mio.

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.