Mit ‚Body Complex‘ reflektiert Heathered Pearls die dunkelsten Stunden von Detroit
Photo by Chad Kamenshine

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Mit ‚Body Complex‘ reflektiert Heathered Pearls die dunkelsten Stunden von Detroit

Dieses audiovisuelle Projekt bietet dir mehr als nur ein bisschen Musik zum Tanzen.

„Auch wenn ich aus irgendeinem Grund mal mein Gehör verlieren sollte, das kann ich immer noch machen. Ich kann immer noch mit meiner kreativen Arbeit weitermachen", sagt Jakub Alexander, der Künstler, der bei Ghostly International sowohl arbeitet als auch veröffentlicht. Er hält während unseres Skype-Gesprächs eine Skulptur aus Zement in seine Webcam. Die fünf Pfund schwere, 18 Zentimeter hohe gegossene Figur ist die physische Verkörperung seiner Musik als Heathered Pearls. „Viele Leute packen einen Kreis oder ein Dreieck auf ihr Albumcover", sagt er, „das kann ich nicht. Ich will Arbeit da reinstecken."

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Das visuelle Element der ‚Body Complex'-LP von Heathered Pearls in Form einer Skulptur.

Für Alexander gehen Musik und visuelle Kunst Hand in Hand. Sie sprechen dieselbe Sprache, erzählen dieselbe Geschichte und haben die gleiche Vision. Die Skulptur, die er zeigt, ist das visuelle Gegenstück zu seiner nächsten Veröffentlichung Body Complex—einer LP voll repetitivem Ambient mit atmosphärischer Raffinesse, die am 7. August über Ghostly International erscheint. „Ich denke, ich hatte das schon immer in meinem Kopf", sagt der in Polen geborene und in Brooklyn lebende Künstler. „Ich bin seit mindestens 20 Jahren von Brutalismus und Architektur besessen. Ich wollte etwas machen, das über diese Platte hinaus geht, also dachte ich, wenn ich eine Skulptur mache, könnte es das erste Werk von vielen sein. Ich könnte einen riesigen Skulpturengarten anlegen und andere Werke hinzufügen, Werke, mit denen ich meine Musik visualisiere." Body Complex ist der erste Baustein in seinem Komplex aus Musik und künstlerischen Strukturen.

„Aber", merkt er an, „ich denke, Detroit hat vieles davon entfacht."

Als er in Michigan gelebt hat, konnte er sich der Anziehungskraft von Detroits Technoszene nicht entziehen. Mit 15 hat er häufig die Warehouse-Raves besucht, die heutzutage als Grundpfeiler des Erbes von Detroits Dance-Musik gelten und durch die die Karrieren von Kevin Saunderson und Terrence Dixon ihren Anfang genommen haben. „In der Highschool war es kein Problem, eine Mitfahrgelegenheit nach Detroit zu bekommen", sagt er. „Ich erinnere mich daran, als ich endlich mein eigenes Auto bekommen habe, damit ich selbst zu Raves fahren konnte. Das war eine große Sache. Ich hatte diesen kleinen Honda Civic. Der hat mich zu so vielen Shows gebracht." Seine Vorliebe für After Hours führte zu dutzenden langen Heimfahrten in der Detroiter Morgendämmerung, dem Moment, in dem die Musik am deepsten und die Stadt am leersten ist. Im Schatten von Detroits glanzvollem Renaissance Center—einem Wahrzeichen brutalistischer Architektur—entstand langsam Alexanders visuell inspirierte Art der Klangerschaffung.

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„Es findet sich ein bisschen Hamburg und ein bisschen Amsterdam darin, aber hauptsächlich ist es Detroit", sagt er über Body Complex. Er macht deutlich, dass die LP keinesfalls eine Neuinterpretation des Detroit Techno zu seiner Hochphase ist, sondern eine persönliche Reflexion der dunkelsten Stunden seiner ehemaligen Stadt. Body Complex bewegt sich am Rande des Dancefloors und lässt Nostalgie aufkommen, von der du nicht wusstest, dass du sie für einen Ort fühlst, an dem du noch nie warst. „Die Dance-Tracks konzentrieren sich auf die Anfänge dessen, was mich am Detroit Techno so angezogen hat—die Tiefe, die Melodien." Aus seiner Gefühligkeit etwas ausbrechend fügt er hinzu: „Aber ich habe nie gedacht, dass ich den Rest meines Lebens zu Raves gehen werde. Das ist sicher."

Doch das Schicksal bahnt sich manchmal verrückte Wege. Als Alexander Partys geschmissen und unter dem Namen Atmosphere Musik zusammengestellt hat—und sich nebenbei als DJ versucht hat—traf er Matthew Dear und Sam Valenti IV vom einflussreichen Dance-Label Ghostly International. Seit 2002 ist Alexander im Geschäft tätig. „Ich bin seit 13 Jahren bei Ghostly", sagt er und bezieht sich damit auf seine Anfänge als Praktikant bei Ghostly. „Als Matthew [Dear] beschlossen hat, Vollzeit-DJ zu werden, habe ich seine Aufgaben übernommen und angefangen, den Verkauf und Vertrieb zu übernehmen und die letzten paar Jahre war ich A&R."

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Ghostly International ist ein Independent-Label, Kunstverlag und technologischer Schrittmacher aus Michigan. Es ist Heimat von Künstlern wie Matthew Dear, Shigeto (mit dem Alexander aufgewachsen ist) und Tycho (den Alexander früher gemanagt hat), Ghostly verknüpft Musik und Kunst zu einem makellosen Output. Der Shop der Webseite ist voller T-Shirts mit Detroit-Thema, Kaffeebechern mit dem Symbol eines Geists darauf und selbst Alexanders Body Complex-Skulpturen lassen sich dort für 130 Dollar erwerben.

Foto von Chad Kamenshine.

Bei Ghostly, vielleicht nur bei Ghostly kann sich so etwas wie Alexanders Body Complex und seine Debüt-LP Loyal entwickeln und entfalten. „Es ist wirklich wie ein Kunstverlag. Du hast ein wenig Extra-Budget, um zusätzliche Kunst zu machen. Du sitzt nicht dort und wählst Grafikdesigner und Fotografen aus, du hast über beides die Kontrolle", sagt Alexander.

„Ich wollte, dass Body Complex eine doppelte Bedeutung hat. Ich wollte, dass es ein menschliches Element hat—jeder hat seine oder ihre eigene Komplexität. Aber Komplex steht auch für Orte—zum Beispiel Wohnungskomplexe, Suiten, Eigentumswohnungen und das Verlassene", erklärt er. Tracktitel wie „Sunken Living Area" und „Interior Architecture Software" repräsentieren Orte, an denen die Songs leben. Trotz der Konzeptionalität ist das flackernde Ambiente eines jeden Tracks dazu gedacht, deine Imagination mit Bildern einer strukturellen Kulisse anzuregen. „Manche Leute sagen: ‚Oh, das ist zu deep, das ergibt keinen Sinn', aber Ghostly versteht es."

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Davon abgesehen hat Alexander auch bemerkt, dass manchmal selbst ein Label, das so offen ist wie Ghostly, für einen neuen Künstler nicht passend ist. 2004 hat Alexander sein eigenes Label gegründet, Moodgadget, um dem gerecht zu werden. „Als ich Ghostly getroffen habe, habe ich diese Compilation-CDs ausgeteilt. Sie waren voller Künstler, die nie einen Vertrag bei Ghostly bekommen hätten, weil sie ein oder zwei Songs hatten und kein Bestreben nach einer Karriere im Geschäft", sagt er. „Von Ghostly zu lernen, hat mir geholfen, diesen Künstlern zu erklären, was sie tun müssen, wenn sie es wirklich wollen. Vielen von ihnen ist das egal. Sie haben fünf Tracks, aber wissen nicht, was sie damit tun sollen. Moodgate wird zu ihrer Heimat. Es ist wie ein Nährboden für Leute, die auf Ghostly sein wollen, aber irgendwie auch nicht."

Body Complex ist nur der Anfang von Alexanders Suche nach der Großartigkeit der Stadt aus Zement. Die Vereinigung von Vision und Klang nimmt, obwohl sie im Dance-Musik-Geschäft nichts Neues ist, in Alexanders Händen ihre eigene, unkonventionelle Form an. Jedenfalls, wenn er jemals den Rest der Welt dazu bringen kann, es wirklich zu verstehen. „Wann immer ich genug Zeit habe, es richtig zu erklären, erscheint es nicht so träumerisch und überkandidelt…", sagt er leise. „Überkandidelt. Überkandidelt? Wie alt bin ich? 80?

‚Body Complex' erscheint am 7. August über Ghostly International, du kannst sie hier vorbestellen.

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Rachael gibt gerade all ihr Geld im Ghostly Store aus und ist bei Twitter.

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