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Thump-Interview

DJ Hvad trollt Dänemarks Migrationspolitik und Musikindustrie

In Zeiten eines politischen Rechtsrucks in Europa erinnert uns DJ Hvad daran, wie mächtig Musik sein kann—auch mit seinem „Hardwork Pandit“-Video.

DJ Hvads „Handwork Pandit", Regie: Casper Øbro

Dänemark gibt gerne mit seinem Ruf als ‚glücklichstes Land der Erde' an, aber einige Entwicklungen in der jüngeren Geschichte lassen diesen Status zweifelhaft erscheinen. Seit den 90ern steckt das Land in einer recht faszinierenden Identitätskrise.

Beschleunigt vom Aufstieg der Anti-Immigranten-Partei Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) in den späten 90ern, wird das Land durch eine zunehmend konservative Stimmung und einen aufkeimenden Widerstand gegen die Vorstellung einer multikulturellen Zukunft in Dänemark entzweit. Am Wochenende hat die dänische Volkspartei die Wahlen für das Europaparlament gewonnen, genau wie andere Anti-Einwanderer-Parteien vom rechten Rand in Frankreich und England.

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Diese turbulente politische Landschaft erklärt, warum die Musik von Hari Shankar Kishore (alias DJ Hvad, was dänisch für „was" ist) 2007 zum ersten Mal einen Nerv getroffen hat. Der Sohn einer dänischen Mutter und eines pandschabischen Vaters hatte gerade seine erste, bombastische Single „Klap Perker" veröffentlicht-klap kann man grob als „Bass Drop" übersetzen und perker ist eine andere Varianten des abschätzigen Beinamens „Paki".

„Klap Perker", aufgenommen unter seinem Spitznamen Kid Kishore, ist ein nüchterner Hardcore-Drumtrack, über den In-die-Fresse-Spoken-Word-Loops gelegt wurden, die durch den starken Slang seiner Jugend in Albertslund geprägt sind-einem Randbezirk von Kopenhagen, in dem hauptsächlich Einwanderer leben. Er hat den Song teilweise als Antwort auf die immer konservativer werdende Regierung in Dänemark aufgenommen, und als die sozialen Unruhen des Landes in der zweiten Hälfte der 2000er übergekochten, wurde sein Song zur Hymne der anti-autoritären Bewegung.

2006 hat die Stadtverwaltung von Kopenhagen versucht, das Ungdomshuset-ein alternatives Zentrum für linke politische und kulturelle Veranstaltungen-zu privatisieren. Nach fast einem Jahrzehnt des Streits über die Eigentümerschaft des Gebäudes, seiner Verwaltung und Instandhaltung, haben sich die Besetzer geweigert, vertrieben zu werden und aus ganz Dänemark Unterstützung erhalten, womit sie die erste Welle von kleinerer Aufständen in Gang gesetzt haben. Hari sagt, dass Leute „sich nicht unbedingt mit [Immigranten], die aus dem eigenen Land vertrieben werden, identifizieren konnten, die Aufstände den Leuten den breiteren Kontext jedoch näher gebracht haben." Das Ergebnis waren eine Menge wütender Protestpartys. „Klap Perker" wurde auf vielen von ihnen gespielt.

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In einer ironischen Wendung wurden seine Absichten-„Ghetto Kids" zu bestärken und aufzubauen, die den gleichen Slang wie er sprechen-allerdings für andere Programme genutzt. „Klap kann auch ‚Halt's Maul' bedeuten", erzählt er. „Eine Zeitung hat eine Titelstory gebracht, bei der ein Bild verwendet wurde, auf dem ‚Klap Perker' auf dem Haus des [dänischen Politikers] Naser Khader gesprüht stand." All das spiegelt das Chaos wieder, in das Kopenhagen versank. Hari hat sich schon bald als Lieferant eines Soundtracks für Aufstände wiedergefunden, bei denen Supermärkte überfallen und McDonalds-Filialen zerstört wurden.

Kurz danach hat er sich im dänischen Fernsehen erklärt, sowohl in Musikvideos als auch in Interviews, und dabei ungefilterte Meinungen verbreitet, wobei er nicht nur mit den Mainstream-Medien, sondern auch der Musikindustrie gespielt hat. Bei einem Konzert, das von einem Freund in einem etwas vornehmeren Club veranstaltet wurde, „hat das Management mich gebeten, aufzuhören. Mein Set-ein Mashup aus Bhangra und Breakcore-würde ‚Ausländer anziehen'."

Verärgert aber inspiriert, beschloss Hari, ein soziales Experiment durchzuführen. Er änderte seinen Namen bei MySpace vorübergehend in ‚Trentemøller', den Namen des für den Grammy nominierten, dänischen (und weißen) Techno-DJs und -Produzenten. Kurz danach bekam er „Anfragen von Läden, in die ich sonst nicht einmal hätte reingehen dürfen". Als er dann bei den Konzerten aufschlug, bereit seine Form des Breakcores darzubieten, waren die Veranstalter und das Publikum, die unschuldige und entspannte Elektro-Musik erwartet haben, nicht sonderlich begeistert. „Bei einer Show wurde ich verhaftet", erzählt er. „Ich sagte der Polizei: ‚Ja, ich bin Trentemøller.' Ich wurde als dieser gebucht, also bin ich er. Ich meine, der Club hat meine Musik bei MySpace gehört, also kannten sie die Musik, die ich mache, richtig?!"

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Hvad ist nicht unbekannt für gewagte Statements: Er tritt in Polizeiuniform auf, seine LPs sind oft mit Swastikas verziert, einem alten Symbol, das sowohl in der südasiatischen Religion als auch im kollektiven europäischen Gedächtnis eine lange Geschichte hat. Er genießt die Komplexität der Bedeutung: „Manchmal provozieren Dinge und manchmal sind sie ‚hässlich'. Aber diese Hässlichkeit ist Schönheit, da sie immer auf einer Vielfalt an Anhaltspunkten basiert."

Hvads Musik wird über seinen eigenen Dubplate Service vertrieben, den er nutzt, um Platten für sich selbst und für Freunde zu schneiden-während er weiterhin Musik macht, „die noch nie zuvor gemacht wurde", wie er es formuliert. „Ich will mich nicht festlegen wie mein nächster Track werden könnte", fährt er fort, „aber er sollte sich immer noch wie Hvad anfühlen." Neben den Aufnahmen für eine Doppel-LP, die diesen Sommer rauskommen soll, haben sich seine Auftritte weiter entwickelt und beinhalten „Gongs, Taxitüren und anderes nachhallendes Metall". Seine Live-Shows ähneln dem Dirigieren eines Orchesters-was schwer zu erklären ist, aber wirklich Sinn macht, wenn du es erlebst.

Sein neues Video zu „Handwork Pandit"-eine Adaption seines Tracks „HVAD DEN ORIGINALE TRAN"-beginnt damit, dass man Hari mit einem Plastikkamm in der Hand in seinem Studio sieht. Es baut sich zu einem halluzinogenen Bild auf, in dem seine Gliedmaßen mehre Instrument gleichzeitig spielen, während er seine hektischen Percussion-Arrangements dirigiert.

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Das Konzept hat sich der Regisseur Casper Øbro ausgedacht, während er in einen von Hvads Auftritte vertieft war, und es ist ein erstaunlicher Begleiter für die Musik. Casper erinnert sich: „Ich habe nicht besonders viele Anweisungen gegeben; ich habe einfach den Rahmen definiert, das Konzept, und ich wollte, dass es wie ein einziger Take aussah." Hari war anfangs skeptisch, aber nach drei separaten Takes-jeweils einem für seine Hände, die Violine und den Gong-ist das dabei herausgekommen. Das Resultat ist eine rührende Erkundung dessen, wie das Persönliche und das Politische sich annähern.

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