Ich war im ersten 3-D-Drucker-Restaurant der Welt

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Technologie

Ich war im ersten 3-D-Drucker-Restaurant der Welt

Im Londoner Restaurant FoodInk kommt alles—vom Essen über das Besteck bis hin zu den Möbeln—aus dem 3-D-Drucker. Doch liegt die Zukunft wirklich in Robotern, die mit Spritzen einen Zutatenbrei in 3-D-Formen auf einem Teller übereinanderschichten?

„Taylor Swift ist auch eine Form von Künstlicher Intelligenz."

Nein, das hier ist nicht der neueste Aktim Taylor-Kim-Kanye-Drama. Ich unterhalte mich gerade mit Antony Dobrzensky, einem der Gründer der jüngsten Londoner Restaurantneuheit in Shoreditch. In fünf Minuten wird eröffnet, vor der Tür hat sich bereits eine Schlange gebildet. Antony überlegt gerade mit einem Kollegen, ob er lieber eine Playlist auflegt oder einfach doch „Shake It Off" spielen soll.

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Bis jetzt klingt das alles nach einer typischen Restauranteröffnung in East London.

Aber bei FoodInk ist etwas anders: Alle Zutaten wurden zu einem Brei gemixt, bevor sie aus Spritzen auf die Teller gepresst werden. Hier kommt alles—auch das Besteck und die Möbel—aus dem 3-D-Drucker.

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Das FoodInk in London serviert auch „Fish and chips" aus dem 3-D-Drucker. Alle Fotos von der Autorin

Bei FoodInk werden niederländische byFlow-Drucker verwendet, die vollkommen offen sind und nicht, wie manchmal der Fall, von einer Box umgeben sind.

„Am besten lässt sich das mit dem Prinzip einer Spritztüte vergleichen, die ein Konditor für die Deko auf Torten nimmt: Breiförmige Zutaten werden herausgedrückt und werden dann mithilfe von digitalen Daten zu dreidimensionalen Formen übereinander geschichtet", erklärt Dobrzensky. „Die ,Spritztüte' wird hier durch den Roboterarm eines 3-D-Druckers gesteuert, der viel präziser arbeitet, als ein Mensch es könnte."

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Ich stehe vor einer Maschine, die „Kaviar" aus Oliven machen soll, Tröpfchen kommen aus einer Art Nadel raus und fallen in eine Lösung, die sie fest werden lässt. Nach ein paar Minuten werden die Kügelchen mit einem Löffel rausgefischt und kommen in eine Petrischale.

„Und vor allem: Er [der Druckprozess] kann automatisiert werden und für mehr Effizienz auf verschiedene Maschinen übertragen werden", fügt Dobrzensky noch hinzu.

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So drucken Köche Olivenkaviar

Genug der Theorie (und bevor ich nur noch an kunstvoll verzierte Torten denke), natürlich will ich von Antony auch wissen, ob das Essen bei FoodInk auch schmeckt. Aber noch bevor ich den Mund aufmachen kann, kommt er mir zuvor.

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„Ich beantworte gleich deine nächste Frage", sagt er. Ich konnte noch nicht mal Luft holen.

„Ich wusste sofort, dass viele Menschen, die Essen lieben, skeptisch sein würden", fährt er fort. „Ich wollte dieses Projekt nur machen, wenn das Essen auch herausragend sein kann. Ich will keine Köche ersetzen, sondern mit ihnen arbeiten, um so herauszufinden, wie wir mit der Technologie das Bestmögliche aus uns rausholen können."

Zu diesen Köchen gehören Joel Castanye und Mateu Blanch vom spanischen Restaurant La Boscana, das sich vor allem auf Molekularküche konzentriert. Joel Castanye hat außerdem früher beim elBulli gearbeitet. Dobrzensky hat seine Mitstreiter also weise ausgewählt.

„Anfangs hatten wir bei der Technik schon unsere Zweifel", gesteht Castanye. „Aber dann haben wir es ausprobiert und bewiesen, dass wir damit Großartiges kochen können. Seitdem lieben wir diese Technologie und benutzen sie sogar im Restaurant."

Eine Gruppe hat sich um den Drucker versammelt und probiert den Olivenkaviar. Ein bisschen komisch: Das Essen wird ihnen auf ihren Handrücken serviert. Höflich halte ich meine Hand hin—gehört schließlich alles zur Erfahrung dazu, oder?

Castanye erklärt weiter: „Wir benutzen dieselben Zutaten, nur werden sie anders angerichtet."

Die Kaviarbällchen zerplatzen in meinem Mund und, wie versprochen, schmecken sieziemlich salzig und nach Oliven.

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Der Olivenkaviar

Und damit komme ich zu meiner nächste Frage, die Dobrzensky mir wieder vorweggreift: die Zutaten.

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„Mir war klar, dass die Menschen kritisch sein würden, sobald Essen aus einer Maschine kommt, aber egal für wie gesund man sich hält: Das meiste Essen kommt mittlerweile aus Maschinen—und wird mit chemischen Zusatzstoffen gemacht", meint er. „Dieses Essen ist vollkommen natürlich und gesünder und nahrhafter als das Essen in anderen Restaurants."

Ich bin ganz Ohr.

„Wir machen eine Paste aus eine Pflanzen, Blumen und Kräutern mit natürlicher Heilwirkung aus den Bergen in der Umgebung von Barcelona. Die kommt dann zu den anderen Zutaten in der Patrone", erklärt mir Dobrzensky. „Man kann so viele Vitamine hinzufügen, wie man will."

OK, also ist dieses 3-D-Essen quasi der grüne Smoothie der Clean-Eating-Fraktion auf Crack.

Dann werden noch weitere Zutaten hinzugefügt, damit das Essen fester wird.

„Für mehr Stabilität und Struktur nehmen wir Zutaten aus der Molekulargastronomie wie Alginat oder Agar-Agar", meint Dobrzensky.

Bis jetzt werden 3-D-Drucker vor allem in derEdelgastronomie verwendet (deshalb wahrscheinlich auch der ganze Fake-Kaviar). Antony Dobrzensky glaubt allerdings, dass in nur zwei Jahren jeder sich ganz selbstverständlich abendsSpaghetti Bolognese druckt.

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Einer der 3-D-Drucker

Wenn man bedenkt, dass feine Schäume und „kunstvoll" angerichtete Saucenspiegel es mittlerweile von den Michelin-Restaurants bis in die heimischen Küchen der durchschnittlichen Das Perfekte Dinner-Kandidaten geschafft haben, könnte er damit wohl Recht haben.

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„Man kauft die frischen Zutaten im Supermarkt—oder sogar ein vorbereitetes Paket von FoodInk—, lädt sich ein Rezept herunter und füttert damit den Drucker. Durch das Essen wird diese Technologie zum Mainstream", meint Dobrzensky mit einem breiten Lächeln.

Ich kann mir nicht helfen, aber in meinem Kopf höre ich nur noch „Soylent Grün ist Menschenfleisch!"

„Das ist generationenübergreifend", mein Dobrzensky. „3-D-Essen kann älteren Menschen helfen, die Schwierigkeiten beim Schlucken haben. Und wenn Kinder kein Gemüse mögen, kann man es einfach so ausdrucken, dass es wie ihr Lieblingslolli oder ihre Lieblingscomicfigur aussieht.

Ich bin irgendwie fasziniert, hört sich das doch ziemlich nach Willy-Wonka-Essen an. Gleichzeitig finde ich es irgendwie auch falsch, wenn ein Kind eine Karotte nicht als das was sie eigentlich ist, eine Karotte, wertschätzen lernt.

Was mich beim Druckerkaviar von FoodInk auch stört, sind Textur und Geruch. Dobrzensky redet zwar viel über die visuellen und geschmacklichen Aspekte des Essens, aber über diese zwei Eigenschaften hat er bisher kein Wort verloren.

Da gerät das ganze Konzept ein bisschen ins Wanken.

Uns ist es wichtig, dass man das hier mit allen Sinnen erfahren kann. Wir verwenden auch ätherische Öle wie Minze oder Rose", meint Dobrzensky. „Dann fügen wir noch Zutaten hinzu [wie Alginat], damit beim Druck eine feste Struktur entsteht. Um bei den Texturen einen kleinen Kontrast reinzubringen, verwenden wir im Restaurant auch nicht gedrucktes Essen."

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Die Köche fischen den gedruckten Kaviar aus der Lösung

Ich persönlich glaube nicht, dass ich mir so bald mein leckeres Vollkornbrot oder meine betörend nach Tomaten und Rotwein duftende Bolognese selbst drucken werden.

Während unseres Gesprächs schwärmt Antony Dobrzensky die ganze Zeit davon, dass die Nutzer durch das 3-D-Essen ganz neue Möglichkeiten bekommen: Sie können Rezepte downloaden, sie personalisieren und sich einfach an den Resten in ihrem Kühlschrank bedienen. („Was immer du im Kühlschrank hast, einfach alles kleinschneiden und der Drucker kreiert das Grundgerüst des Gerichts.")

Doch die Zusammenhänge zwischen einer gesunden Psyche und Kochen sind, das zeigen die verschiedensten Geschichten, da. Das würde mit dieser Maschine verloren gehen.

Während ich später am Abend in meiner Küche in meinem Risotto rühre, erinnere ich mich daran, wie Dobrzensky beschrieb, wie effizient diese automatisierten Drucker sind: „Der Koch muss sich nicht den Arm den ganzen Tag müde rühren."

Der 3-D-Druck ist eine aufregende Entwicklung für die Welt der Gastronomie und der Technologie—mit Potenzial. Aber ich werde meinen Kochlöffel wohl erst abgegeben, wenn ein 3-D-Drucker auch eine ordentliche Pizza schafft.