Seither hat sich viel getan. Im Behindertenbereich fand ein Paradigmenwechsel statt, erklärt Stix. "Nicht der Behinderte ist ein Schaden, sondern die Gesellschaft ist einseitig konstruiert. Nicht der Behinderte ist Schuld, dass er nicht über die Stufen kann, sondern der Architekt hat das Gebäude falsch entworfen." Durch die UN-Behindertenrechtskonvention 2006 hat sich der Staat zu dieser neuen Ansicht verpflichtet. "Behinderte Menschen werden vom Versorgungsobjekt zu Subjekten, die an der Gesellschaft teilhaben und ihren Beitrag an der Entwicklung der Gesellschaft leisten. Behinderte müssen jetzt nicht mehr dankbar sein, dass sie etwas geschenkt bekommen, sondern sie haben ein Recht darauf", erklärt Stix das Modell von Inklusion und Selbstbestimmungsrecht."Das Geben von Almosen schafft Distanz."
"Heute, 30 Jahre später, ist die klischeehafte Mitleidsdarstellung zwar subtiler, in der Tendenz aber gleichgeblieben", bilanziert Huainigg, der dennoch die Maßnahmen des ORF im humanitären Bereich positiv hervorhebt. So moderieren bei "Licht ins Dunkel" teilweise Menschen mit Behinderungen und Untertitel und Gebärdensprache kommen verstärkt zum Einsatz."Sie sprachen von Politik, von Abrüsten und Weltfrieden. Er sprach von Stiegen, von zu engen Liften und Türen. Sie sprachen von Nächstenliebe, von Spenden für die Dritte Welt. Er sprach von Blicken, von Scheu, von Vorurteilen. Sie sprachen von Behinderten, von Mitgefühl und Bewunderung. Er, im Rollstuhl sitzend, verstummte. Und war glücklich, nicht so zu sein wie sie." ("Licht ins Dunkel", 1987)
Wenn es um zeitgemäße Projekte in diesem Bereich geht, verweisen im Gespräch mit VICE alle Kritiker von "Licht ins Dunkel" auf die 1964 vom ZDF initiierte "Aktion Mensch", die bis 1999 "Aktion Sorgenkind" hieß. Damals formierte sich in Deutschland ein Protestgemeinschaft im Behindertenbereich, die den Begriff "Sorgenkind" als diskriminierend empfand. Das ZDF und seine sechs Wohlfahrtsorganisationen entschieden sich für eine radikale Umstrukturierung. Nicht nur die 35 Jahre lang gewachsene Marke wurde umbenannt, sondern auch die Mentalität und Ziele der Organisation wurden neu definiert. "Aus Hilfe wird Partnerschaft", heißt die Presseaussendung dazu. Und: "Aus Rücksicht wird Respekt".Sascha Decker, Pressesprecher der "Aktion Mensch", hält die Kritik an "Licht ins Dunkel" für "durchaus vergleichbar" mit der damaligen Diskussion in Deutschland. Auch, wenn die Entscheidung, sich jahrzehntelange Fehler einzugestehen, natürlich schwierig gewesen sei, war es rückblickend "die einzig richtige Entscheidung", so Decker. "Es war uns wichtig, die Stärken von Menschen in den Mittelpunkt zu rücken. Das war nur durch die Umbenennung und Neustrukturierung möglich."Seitdem möchte die "Aktion Mensch" auch als Arbeitgeber beim Thema Inklusion vorangehen. Aktuell arbeiten rund 12 Prozent Menschen mit Behinderung bei der Soziallotterie. Außerdem wurde neben Lotterie und Förderung der Bereich "Aufklärung", der das Bild von behinderten Menschen in der Öffentlichkeit verändern soll, geschaffen. Und auch wirtschaftlich habe die Umbenennung nicht wie befürchtet geschadet. "Die Zahl der Lotterieteilnehmer und der Umsatz sind gestiegen", so Decker."Aus Hilfe wird Partnerschaft."
Die Kritik bei "Licht ins Dunkel" beschränkt sich nämlich nicht nur auf Name und Inhalt der Sendungen. Volker Plass, Sprecher der Grünen Wirtschaft, wirft die Frage in den Raum, warum für hilfsbedürftige Menschen überhaupt gespendet werden muss. "Wäre dieses Geld nicht einfach da?", fragte er vergangenes Jahr auf Facebook und ergänzt gegenüber VICE: "Das, was kranke Kinder und Menschen mit Behinderung benötigen, sollte einfach bezahlt werden!". Spenden sammeln könne man für den Ski-Zirkus oder die nächste Autobahn-Auffahrt, aber nicht für etwas, dass für die Betroffenen elementar zum Überleben sei.Plass stört sich zudem an der "Verlogenheit vieler Politiker, die 'Licht ins Dunkel' als Plattform für Selbstdarstellung und Ablasshandel benutzen. Die wirklichen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung scheinen ihnen während des restlichen Jahres relativ egal zu sein."Gerade in diesen Tagen liefert die burgenländische Landesregierung ein gutes Anschauungsbeispiel dafür. Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ) sammelte als Verteidigungsminister (2007 - 2013) bei "Licht ins Dunkel" jahrelang Geld für behinderte Kinder. Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) lädt jährlich zu einer Spendengala für "Licht ins Dunkel". Und dennoch kündigten diese zwei Verantwortungsträger an, den Gratis-Schulbesuch für behinderte Kinder zu streichen. Aufgrund der Kritik wurde dieses Vorhaben in letzter Minute noch einmal zurückgezogen."Viele Politiker benutzen 'Licht ins Dunkel' als Plattform für Selbstdarstellung und Ablasshandel."
Soll dieses 3-jährige Kind wirklich auf das Mitgefühl der TV-Zuschauer angewiesen sein? Was ist, wenn irgendwann die Empathie für Menschen mit Behinderung—wie bei Flüchtlingen—plötzlich drastisch abnimmt? Ist es nicht unter der Würde eines so reichen und fortschrittlichen Landes, die Verantwortung des sozialen Netzes auf Privatpersonen abzuwälzen? "Immer mehr öffentliche Stellen sind der Meinung, etwas nicht fördern zu müssen, was behinderte Menschen brauchen. Die schicken die Leute gleich direkt zu dieser Spendenaktion. Der ORF und die Vertreter des Vereins geben das bei Sitzungen auch zu", so Ladstätter. Und wir, die Spender, beruhigen wir mit "Licht ins Dunkel" nicht alle ein bisschen unser Gewissen, fühlen uns als Retter und vergessen dabei den Blick auf das Wesentliche?Thomas Stix glaubt, es hat einen guten Grund, warum die Augenhöhe zwischen nichtbehinderten und behinderten Menschen fehlt. "Weil Augenhöhe Rechte bedeuten. Und Rechte kosten Geld." Zum Beispiel ein umfassendes Recht auf persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung—damit diese nicht mehr in Heimen wohnen oder bis ins hohe Erwachsenenalter von der Familie betreut werden müssen—würde dem Staat einige hundert Millionen Euro pro Jahr kosten.Aber: "Da redet man natürlich nicht gerne drüber. Da sagt man bei 'Licht ins Dunkel' lieber stolz, dass man 5000 Familien geholfen hat. Wenn man sich das aber genau ausrechnet, dann geht es da nur um ein paar Hundert Euro pro Familie. Das ist gar nichts. Und das führt keineswegs zu einer nachhaltigen und dauerhaften Verbesserung der Situation behinderter Menschen."Christoph auf Twitter: @Schattleitner"Kurz nach der Geburt bekam das Mädchen eine Gehirnblutung und ist seither in seiner Entwicklung geistig und körperlich stark beeinträchtigt. Zahlreiche Therapien sind notwendig, um Marie bestmöglich fördern zu können. Zur Stärkung der Rumpfmuskulatur des Kindes wird der Einsatz einer speziellen Vibrationsplatte empfohlen. Da durch den schweren Grad der Behinderung des Mädchens für die Eltern kontinuierlich sehr hohe Mehrkosten entstehen, hat 'Licht ins Dunkel' die Familie bei der Anschaffung dieser speziellen Therapieplatte unterstützt."