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„Ich kann machen, was ich will“—Ein Interview mit Isis Salam

Eigentlich zog Isis Salam von Toronto nach Berlin, um sich nach dem Thunderheist-Split neu zu erfinden. Wir lassen die letzten drei Jahre Revue passieren.

Vor fast drei Jahren zog Isis Salam von Toronto nach Berlin—um sich neu zu erfinden, nachdem ihr Electro-Rap-Duo Thunderheist 2010 in die Brüche ging. Ihr Ex-Partner Graham Bertie hat mittlerweile als vorausdenkender Techno- und House-Produzent unter dem Namen Nautiluss Erfolg, während Salam in Berlin als Sängerin eine Nische für sich entdeckt hat. Sie hat auch angefangen, selbst Beats zu produzieren und vor kurzem das Video zu „Let Go" veröffentlicht, ihre neue Single mit Kruse und Nuernberg erscheint auf Exploited Records.

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THUMP: Du wolltest ursprünglich nur für einen Monat nach Berlin kommen, daraus wurden nun fast drei Jahre. Was ist passiert?
Isis: Als ich ankam war ein Teil von mir sehr erleichtert, ein anderer Teil sehr verängstigt. Obwohl ich nur zu Besuch nach Berlin wollte, habe ich all mein Zeug verkauft; Ich war gerade umgezogen und habe den Monat vor meiner Abreise bei einem Freund gewohnt. Ich war also in diesem komischen Zustand, keine Wohnung zu haben, in die ich zurück konnte. Das war eine gute Gelegenheit, um Berlin auszutesten.

Gleich nach meiner Ankunft hörten deine Kollegen von Noisey, dass ich in der Stadt bin und haben mich gleich zu einer Party eingeladen; also traf ich all die Leute wieder, die ich schon getroffen hatte, als ich zum ersten Mal mit Thunderheist in der Stadt war. Ich habe wohl echte Beziehungen zu manchen Menschen hier aufgebaut. Und das ist es wohl, was mir das Gefühl gab, einfach hier bleiben zu können: Zu wissen, dass ich Freunde in Berlin habe—Leute von denen ich sagen kann, dass sie mir nahe sind, das hat mir ein Gefühl von Sicherheit gegeben. Es war eine Erleichterung, weil ich wirklich aus Toronto raus musste. Ich war dort mein ganzes Leben lang und habe nie länger als ein paar Monate irgendwo anders als in Toronto gelebt.

Gab es denn Erwartungen, du würdest in Berlin einfach weiter Thunderheist-Songs spielen?
Ich denke, die Leute erwarten von dir—wie bei jedem Künstler, der durch eine bestimmte Sache bekannt wird—, dass du immer das Gleiche machst. Aber wenn du als Künstler wachsen willst, dann machst du nicht einfach mit der gleichen Sache weiter, sonst stagnierst du. So habe ich mich gefühlt; als wäre ich gefangen in einer Rolle eines Films, der mein Leben darstellt. Ich dachte, dass ein Umzug vielleicht helfen würde. Das tat es!

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Ich hatte aber nie das Gefühl, dass man von mir erwartet hätte, das Gleiche weiter zu machen. Ich spürte vielmehr, dass ich machen kann, was auch immer ich will, und dass ich mich neu erfinden kann, dass man an meiner Persönlichkeit interessiert ist. Wenn es eine Sprachbarriere gibt, wird bei Rapmusik Charisma und der Charakter viel wichtiger. So lange ich Isis blieb, war alles in Ordnung. Das hat mir erlaubt, mir Zeit zu nehmen und herauszufinden, was ich machen will.

Du hast versucht dich mehr aufs Singen als aufs Rappen zu konzentrieren, bevor du Toronto verlassen hast. Was ist passiert?
Zu der Zeit habe ich einfach rebelliert. Als Thunderheist Geschichte war, hatte ich das Gefühl einer Erwartungshaltung seitens der Leute in Toronto, dass ich einfach das Gleiche weiter mache—bloß ohne Graham. Das war aber nie meine Absicht. Was wir hatten war einzigartig, weil wir es zusammen gemacht haben. Was ich jetzt habe ist einzigartig für die Person, die ich heute bin. Dieser Druck gab mir das Gefühl, dass ich mich soweit wie möglich entfernen muss—nur um zu sehen, ob ich das kann und um neu anzufangen.

Ich glaube aber, dass die Leute heutzutage ein bisschen flexibler sind und von den Künstlern—anders als noch vor fünf oder zehn Jahren—erwarten, dass sie etwas variabler sind. Vielleicht schere mich aber genau darum nicht mehr. Ich werde weiter Musik machen, denn das habe ich immer gemacht. Das ist, was mir der Umzug nach Berlin vor Augen geführt hat: dass ich das trotz allem machen muss, ich kann einfach nicht anders.

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Hast du Graham in Berlin noch einmal spielen gesehen?
Ja, er hat mich daran erinnert, meine Steuererklärung zu machen. Graham ist ein guter Kerl, aber ich habe ihn nicht gesehen seit ich zurück in Toronto bin. Ich habe aber gehört, dass er ziemlich gute Sachen macht. Es scheint, als musste er sich selbst auch neu erfinden. Jeder macht das wohl, wenn man eine Band verlässt. Wenn du als Teil eines Duos oder einer Band Erfolg hast, dann ist damit etwas Bestimmtes verbunden. Du willst die Leute wissen lassen, dass das ein Teil von dir war, aber nur ein Teil.

Was kommt für dich als nächstes?
Ich habe gerade die Bestätigung bekommen, dass DJ Sneak den Remix für meine nächste Single „Nasty Girl" macht. Bei mir dreht sich vieles um Feminismus, also hoffe ich, dass die Leute verstehen werden, dass das ein Pro-Frauen-Song ist und sich davon nicht angegriffen fühlen. Aber wer hört überhaupt die Texte? Dass ich heute so bin, wie ich bin, hängt viel damit zusammen, dass ich mir meiner eigenen Sexualität bewusst war. Daher rührt auch dieser Song. Bei Frauen heißt es, sobald sie über sexuelle Dinge sprechen, oft: „Ist das alles, worum es bei dir geht?" Oder: „Benutzt du Sex, um mehr zu verkaufen?" Warum zur Hölle auch nicht? Ich bin heiß, warum nicht? Benutz das, was Gott dir gegeben hat.

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