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einfach königlich

Was du beim Euroleague Final Four in Madrid verpasst hast

Am Wochenende war mal wieder das Final Four der Euroleague und Real Madrid hat sich die Krone aufgesetzt. Alte Hüte? Vielleicht. Darum haben wir uns auch den spannenden Geschichten und Verflechtungen hinter den Spielen gewidmet.
Foto: Imago

Es war nur mehr als angebracht, dass der spanische König Felipe VI. am Spielfeldrand saß. Schließlich stand in Madrid das Finale beim Final-Four-Turnier der Euroleague auf dem Programm, und seine Majestät konnte mit eigenen Augen bewundern, wie sich die Königlichen von Real Madrid nach einem klaren 78:59-Sieg gegen Olympiakos Piräus die europäische Basketballkrone aufsetzten. Für Real Madrid Baloncesto war es schon der ingesamt neunte Titel im wichtigsten europäischen Wettbewerb und—was besonders wichtig war—der erste seit dem Jahr 1995 (als der Wettbewerb noch „FIBA European League" hieß). Als der König dem Kapitän von Real Madrid den Euroleague-Pokal überreichte, endete nicht nur eine 20-jährige Durststrecke—die längste der Vereinsgeschichte. Es wurden außerdem auch all jene Madridistas besänftigt, die in den letzten beiden Jahren zusehen mussten, wie ihre Spieler im Finale—erst gegen Olympiakos Piräus und dann gegen Maccabi Tel Aviv—jeweils den Kürzeren zogen.

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Manch einer wird behaupten, dass Madrid den Heimvorteil gebraucht hat, um endlich wieder den europäischen Basketballolymp besteigen zu können. Doch in Wahrheit können sich Real-Coach Pablo Laso und sein Team—nach einem Wochenende voller Spannung und Dramatik—völlig zurecht Euroleague-Sieger nennen.

Viele sprachen vor dem Wochenende von dem wohl besten Final Four in der Geschichte des Wettbewerbs. Schließlich war erneut Madrid vor der Partie, die nach 20 Jahren endlich wieder die beste Mannschaft des Kontinents stellen wollten. Zumal sie im Halbfinale auf Fenerbahçe Ülker treffen sollten, bei denen nicht nur der frisch gewählte Euroleague-MVP Nemanja Bjelica mitspielt, sondern die außerdem vom Meister seiner Zunft, Željko Obradović, trainiert werden. Der hat als Trainer schon achtmal die Euroleague (und seine Vorgängerwettbewerbe) gewinnen können, darunter 1995 mit keinem geringeren Team als Real Madrid. Und wer spielte natürlich auch mal unter Obradović im Dress der Königlichen? Ihr ahnt es schon: Pablo Laso.

Auch das zweite Halbfinale zwischen ZSKA Moskau und Olympiakos Piräus versprach mindestens genauso viel Spannung. Die letzten zwei Final-Four-Aufeinandertreffen beider Teams schienen, was Dramatik und Spannung betrifft, fast schon einem Drehbuch made in Hollywood zu folgen. Und nun sollte also im Herzen der spanischen Hauptstadt Akt III zwischen der besten Offensiv- (ZSKA) und der besten Defensivmannschaft (Olympiakos) der Euroleague stattfinden.

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ZSKA Moskau war mit einem neuen Trainer, dem aufstrebenden Dimitrios Itoudis, in die Saison gegangen. Der hatte lange Zeit bei Panathinaikos als Co-Trainer unter Željko Obradović gearbeitet und dort zusammen mit seinem Chef fünfmal die Euroleague gewinnen können. Die Russen hatten sich vor der Saison auch mit neuem Spielerpersonal verstärkt, damit es endlich mit dem ersten Titel seit 2008 klappen sollte. Doch in den Hinterköpfen der meisten neutralen Beobachter—und natürlich erst recht von den Fans und Spielern—spukten noch die Final-Four-Wochenenden aus den Jahren 2012 und 2013 herum.

Das Finale 2012 in Istanbul wurde zu einem der spannendsten Spiele in der Geschichte des europäischen Basketballs. Olympiakos gelang es, von einem 19-Punkte-Rückstand im dritten Viertel zurückzukommen, um am Ende noch mit 62:61 zu gewinnen—und das, wie es sich natürlich für einen echten Thriller gehört, in buchstäblich letzter Sekunde dank eines Buzzerbeater-Floaters von Georgios Printezis. Dabei galt ZSKA Moskau vor dem Duell als haushoher Favorit. Denn nicht nur, dass sie vom früheren Euroleague-Gewinner Jonas Kazlauskas—der zudem als Trainer der litauischen Nationalmannschaft Bronze bei Olympia holte—gecoacht wurden. Sie hatten außerdem Weltklassespieler wie Andrei Kirilenko, Ramūnas Šiškauskas, Miloš Teodosić, Nenad Krstić und Wiktor Chrjapa in ihren Reihen. Doch am Ende schaffte Olympiakos trotzdem die große Überraschung.

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Im folgenden Jahr trafen die beiden Teams beim Final Four in London erneut aufeinander, diesmal aber bereits im Halbfinale. Die meisten rechneten damit, dass sich Moskau nicht auch noch ein zweites Mal von Olympiakos düpieren lassen würde—und sollten damit komplett falsch liegen. Denn auch unter ihrem neuen, alten Trainer Ettore Messina, mit dem man zuletzt 2006 und 2008 die Euroleague gewinnen konnte, sollte es für ZSKA wieder nicht reichen. Dieses Mal setzte es gar eine 52:69-Klatsche gegen die Griechen, die im Endspiel tags darauf auch über Real Madrid mit 100:88 hinwegfegten.

Dieses Jahr sollte also ZSKA-Coach Itoudis seine Mannen endlich zum Euroleague-Titel verhelfen. Das Team ist gespickt mit Klassespielern wie dem ehemaligen NBA-Legionär und französischen Nationalspieler Nando De Colo sowie Rückkehrer Kirilenko. Darum müsste es doch dieses Mal gegen Olympiakos reichen, oder? Denn von der siegreichen Truppe aus dem Jahr 2013 waren nur noch wenige Spieler übrig, auch der Trainer war mittlerweile ein anderer. Was jedoch geblieben war, waren Printezis und Spanoulis. Und der Glaube, dass Letzterer—wie schon so oft in der Vergangenheit—für Olympiakos jederzeit die Kastanien aus dem Feuer holen könnte.

Eine Menge Glauben war auch nötig, denn die ersten elf Würfe von Spanoulis verfehlten allesamt ihr Ziel. Als nicht einmal mehr vier Minuten auf der Uhr waren, führte ZSKA Moskau mit neun Punkten. Doch dann kam doch noch der große Auftritt von dem, den sie bei Olympiakos nur liebevoll „Billy" nennen. In kurzer Zeit verwandelte er wichtige Dreier und sorgte so für eine 64:63-Führung seiner Mannschaft. Die ZSKA-Fans im Barclaycard Center waren fassungslos und von nur einem einzigen Gedanken getrieben: Würde ihre Mannschaft wirklich schon wieder verlieren?

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Die Antwort lautete ja, denn jetzt lief Spanoulis heiß. Beim nächsten Ballbesitz seiner Mannschaft traf er mit einem schwierigen Sprungwurf zur Dreipunkteführung, woraufhin die Fans von Olympiakos komplett ausgerastet sind. Zwar schaffte ZSKA Moskau noch einmal den Ausgleich, doch als noch rund 10 Sekunden zu spielen waren, fasste sich erneut Spanoulis ein Herz und setzte zum Dreier an, der über seinen Gegenspieler De Colo hinweg zur 69:66-Führung seiner Mannschaft im Korb landete. Spanoulis' Wurf war nicht nur spielentscheidend, sondern auch ein weiterer Grund dafür, warum die Olympiakos-Albträume in Moskau jetzt wohl nie mehr enden werden.

Doch zurück zu den Königlichen und ihrer Sehnsucht nach europäischem Ruhm. Nachdem man also schon 2013 gegen Olympiakos im Finale stand und verlor, sollte ihnen auch letztes Jahr gegen Maccabi Tel Aviv dasselbe Unglück ereilen. Und das, obwohl man im Viertelfinale erst Olympiakos und im Halbfinale dann auch noch den Erzrivalen aus Barcelona ausgeschaltet hatte.

Nach der Finalniederlage gegen die Israelis im letzten Jahr baute Trainer Laso seine Mannschaft um und holte mit Andrés Nocioni, Gustavo Ayón, Jonas Mačiulis und KC Rivers allesamt Spieler, die im diesjährigen Final Four eine entscheidende Rolle spielen sollten. Doch bevor man in Spanien vom „Finale dahoam" träumen konnte, musste Fenerbahçe aus dem Weg geräumt werden.

Der türkische Basketball befindet sich schon seit einiger Zeit im Aufwind. Die großen Teams investieren mittlerweile große Geldsummen in die Kaderplanung—so auch Fenerbahçe. Da passt es auch ins Bild, dass sie sogar einen Obradović nach Istanbul locken konnten.

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Für sein zweites Jahr am Bosporus hat der Großmeister ein tolles Team zusammengestellt, das Athletik mit spielerischer Klasse zu verbinden weiß. Neben dem extrem vielseitigen Euroleague-MVP Bjelica hat Obradović außerdem auf die Dienste von Bogdan Bogdanović, Emir Preldžić und Kenan Sipahi vertraut. Und dann wären da noch die großartigen Scorer Andrew Goudelock und Ricky Hickman. Darum waren die Experten auch nicht groß überrascht darüber, dass Obradović sein Team bis ins Final Four geführt hat (übrigens zum ersten Mal überhaupt in der Vereinsgeschichte und als erster türkischer Vereine seit Efes Pilsen im Jahr 2001).

Doch nicht einmal ein großer Kopf wie Obradović kann etwas gegen Real Madrid ausrichten, wenn die Königlichen in der Offense erstmal ins Rollen kommen. Und genau das war im zweiten Viertel des Halbfinales der Fall, als sie 11 von 12 Würfen versenkten—darunter auch sechs von außen—und sich so eine 21-Punkte-Führung herausspielen konnten. Der bereits genannte Rivers, der erst vor der Saison verpflichtet wurde, steuerte hierzu vier Dreier bei.

Fenerbahçe hat sich zwar im Laufe des Spiels wieder Stück für Stück herangekämpft und den Rückstand auf weniger als 10 Punkte drücken können, als noch mehr als zwei Minuten auf der Uhr waren. Doch am Ende war die Hypothek aus der ersten Hälfte einfach zu groß. Ayón steuerte übrigens 18 Punkte bei, während Nocioni vorne wie hinten zu finden war.

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Für die Türken ging auch das Spiel um Platz drei gegen ZSKA Moskau verloren (80:86), nachdem man erneut in der ersten Halbzeit einen zu großen Rückstand kassierte.

Was uns wiederum zum Endspiel bringt.

Hier standen sich Real Madrid und Olympiakos Piräus in einem Titelkampf gegenüber, der sich am Ende doch noch zu einem frühzeitigen K.O. entwickeln sollte. Lange Zeit konnten die Griechen mithalten und gingen nach der Pause sogar kurz in Führung. Bis sich Laso entschied, Jaycee Carroll von der Bank zu bringen und damit auch den Sieg einwechselte. Carroll gelangen innerhalb kürzester Zeit zwei unmögliche Dreier, wodurch er die spielentscheidende 38:18-Schlussserie der Königlichen befeuerte.

Während Madrids Vorsprung Punkt um Punkt größer wurde, schauten die Olympiakos-Fans immer verzweifelter Richtung Spanoulis. Wann würde er endlich die Trickkiste aufmachen? Immer mehr Punkte von den Königlichen—und weiterhin keine Antwort vom Leader der Griechen. Die sollte auch bis zum Schluss nicht mehr kommen. Spanoulis, der große Hoffnungsträger bei Piräus, nahm in den letzten drei Minuten nicht einen einzigen Wurf und kam am Ende auf gerade einmal drei mickrige Pünktchen.

Doch seine schwache Leistung soll keineswegs den königlichen Auftritt von Real Madrid schmälern. Nocioni bot mal wieder eine herausragende Leistung und machte seinem Namen als toller Allrounder alle Ehre, weswegen er nach dem Spiel auch völlig zurecht als MVP vom Final Four ausgezeichnet wurde. Und Laso hat jetzt einen Platz in den Real-Geschichtsbüchern sicher—und zwar als Trainer, der die Euroleague-Trophäe nach Madrid geholt hat, und eben nicht als der, dem die zweifelhafte Ehre zuteil geworden wäre, drei Finals hintereinander zu versieben.

Madrid hat es also endlich wieder auf den Thron des europäischen Basketballs geschafft—und das auch noch unter den Augen ihres Königs. Wir sagen: Ehre, wem Ehre gebührt.