FYI.

This story is over 5 years old.

musikföderung

„Markus Söder? Der soll den bayrischen Studios bloß fernbleiben!”

Die Nummer zwei der CSU will nicht, dass noch mehr Musiker nach Berlin abwandern. Also haben wir die Szene aus Bayern befragt, was sie davon hält.
Alles unter Kontrolle? Markus Söder im Musikstudio. Screenshot von Facebook, Stand: 11. Mai, 14:01 Uhr.

„Wir dürfen die Szene nicht nur Berlin überlassen." So tönte Markus Söder, bayrischer Finanz- und Heimatminister und bei der CSU heißgehandelter Nachfolger von Chef Horst Seehofer, letzte Woche aus dem Studio von Leslie Mandoki. Mandoki, wenn nicht vom Geschmack, dann doch ein Mann vom Fach, der u.a. mit Phil Collins, Lionel Richie oder Sido zusammengearbeitete, hatte den Minister zuvor an seine heiligen Regler gelassen. Das gefühlvolle Pos(t)ing machte dann auch schnell die Runde durch die sozialen Medien. Doch was Markus Söder denn für den Musikstandort Bayern konkret tun möchte, fiel unter den Tisch.

Anzeige

Nun hat Söder eigentlich immer zu allem und zu jedem etwas zu sagen und ist auch sonst kein gewöhnlicher Politiker, aber für ein Interview mit THUMP über seine Positionen und Visionen für die lokale Musikszene hatte er keine Zeit. „Es tut mir leid, aber wir können Ihnen derzeit leider kein Interview mit Herrn Staatsminister anbieten", beschied uns sein Pressereferent. Auch auf Nachfrage wurden dafür keine Gründe genannt. Schade. War das Statement also doch nur ein kurzer Schnellschuss ohne Substanz, weil eben gerade ein Mischpult und eine Kamera in der Nähe waren, und der (mittelfristig) mögliche schwarze Kanzlerkandidat lieber weiter am Stuhl von Angela Merkel sägen wollte?

Wir haben also stattdessen diejenigen Menschen gefragt, die der Minister fördern und halten will: die Szene, also Musiker*innen, Produzent*innen, Labelbetreiber*innen und Clubs aus Bayern oder solche, die bereits in dem Freistaat gelebt und gearbeitet haben, bevor es sie außer Bundeslandes zog—von Gomma bis Harry Klein, von Schlachthofbronx bis Lali Puna.

„Was braucht die bayrische Musikszene an staatlicher Förderung? Und sollte sich Markus Söder da einmischen?"

Die Antworten folgten prompt.„Bayern wird weiter ein Standortnachteil sein", heißt es da etwa, oder: „Der Eindruck ist vielmehr, dass die Szene bewusst blockiert wird." Dabei stehen fast alle einer Musikförderung offen gegenüber.

Hier alle Statements. Lesen Sie das mal ruhig, Herr Minister Söder!

Anzeige

Mathias Modica, Gomma/Munk:

Söder, der alte Rechtsaußen, spielt ja seine Flanken immer nur dort, wo es ihm karrieremäßig am meisten nützt. Das kennt man ja. Deswegen kann man ihm diese gekünstelte Anbiederungsfanfare sowieso nicht abnehmen. Tatsache ist leider: Auch wenn die Stadt München 30 Jahre von Rot-Grün regiert wurde besteht hier das gleiche Problem wie in Söders CSU-Bayern: Die bizarre Mietpreisproblematik und die eher geringe Unterstützung für nicht etablierte Freiberufler, Künstler und sonstige Spinner macht das Leben und Arbeiten in München und Bayern eher unattraktiv. Entweder man hat reiche Eltern, oder das Glück einen netten Vermieter zu haben. Da das aber nur die wenigsten haben, ziehen die meisten Leute mit künstlerischem Potenzial oder solchen Ambitionen weg. Und es ziehen wiederum eher wenige hinzu.
Wenn Söder und seine Brüder also wirklich was tun wollen für die junge Kunst & Musikszene in Bayern, dann würden sie a) das Mietpreisproblem unter Kontrolle bringen, b) eine große Anzahl von kostengünstigen Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten in den bayrischen Städten entstehen lassen, und c) sich ein Vorbild an Ländern nehmen, die gecheckt haben, dass künstlerisches Potenzial auch ein großer Wirtschafts- und Tourismusfaktor sein kann. Länder, die gezielt ihren musikalischen Nachwuchs mit Schulen aber vor allem mit Fördermitteln unterstützen und damit nicht nur ihren Künstlern was Gutes tun, sondern das ganze Bruttoinlandsprodukt ihrer Länder vorangebracht haben. (Länder wie Schweden, Australien, Kanada, Dänemark.)
Aber Söder, der falsche Franke, weiß natürlich, dass Künstler tendenziell eher keine Rechtsaußenwähler sind—und er deswegen eher zum Islam konvertieren würde—als wirklich zu versuchen, diese Künstler in Bayern zu halten. Sollen die doch lieber in Berlin wählen gehen. Und deshalb hat er sich ja auch nicht im Gomma Studio fotografieren lassen, sondern bei Leslie Mandoki, dem ungarischen Schlagerkomponisten und Kumpel des ungarischen Ober-Rechtsaußen Viktor Orban. Ein Mann vor dem auch alle Künstler nur fliehen wollen. Wie in Bayern vor Söder.

Anzeige

Michael Reinboth, Geschäftsführer von Compost Records, A&R und Musikjournalist:

Ist ja schön, dass Herr Söder an die Musikszene denkt und diese fördern will, aber bitte nicht so Leute wie Leslie Mandoki. Also das Konzept möchte ich sehen?! Wenn so etwas wie die bundesweit bereits funktionierende Initiative Musik explizit für Bayern geschaffen wird, dann wäre das pfundig. Aber ich habe da schon jetzt meine Zweifel wie die Gremien/Jury in dem Fall besetzt sein werden.

Valerie Trebeljahr, Lali Puna (Foto: Gerald v. Foris):

Markus Söder und Leslie Mandoki als Retter der jungen bayerischen Musikszene. Das ist mal ein wirklich lustiger Witz. Man beachte auch, mit welchem Feingefühl Herr Söder seine Finger an den Reglern hat. Gestellte Politikerfotos können sooo schön sein!
Ich denke, eine junge bayerische Musikszene wird am besten gefördert, wenn es sich die dazu benötigten Musiker leisten können in Bayern zu wohnen. Das wird in so Orten wie München zunehmend schwieriger.
Die Frage ist natürlich, welche junge Musikszene Herr Söder fördern möchte: Wenn es bayerische Cowgirls a là Nicki sein sollen (davon gehe ich einfach mal aus), dann ist staatliche Subvention bestimmt nicht so falsch. Da wird ja dann auch das Weltbild von Söder und Co. weitergetragen. Wenn Herr Söder aber „die Szene nicht Berlin überlassen" will, dann sollte er sich eben nur so weit einmischen, dass er (oder auch Seehofer) für eine Infrastruktur sorgt, in der es Wohnraum, Clubs etc. gibt, was eine Szene eben ausmacht.
Ich halte Popförderung nicht per se für falsch, Theater werden ja auch unterstützt. Und die Trennung Subkultur und Hochkultur löst sich ja immer mehr auf. Zum Stichwort „bayerische Musikszene": Standortdiskussionen interessieren mich nicht. Und mal ehrlich, ob Berlin oder München, das interessiert Herr Söder doch auf einer ganz anderen Ebene. Das Mischpult hat sich halt einfach ganz gut gemacht auf dem Foto.

Anzeige

David Süß, Geschäftsführer des Clubs Harry Klein, München:

Es ist ein Jammer. Politik funktioniert gefühlt nur noch über Personen, deren Gesichter und den jeweiligen Namen, der wie ein Amt klingt. Dabei spielt es kaum eine Rolle, welche Politik tatsächlich vertreten wird.
Markus Söder hat sich mit der Aktion viele Lacher eingehandelt, aber dafür auch viel Aufmerksamkeit bekommen, die er nutzen wird. Inhaltlich vermuten wir hier eine reine Blubberblase. Es wird kein Programm für junge Musiker geben, um diese in Bayern zu unterstützen. Die leidenschaftlichen jungen Musiker werden ihre Musik auch ohne Unterstützung weiter machen und damit mehr oder weniger Erfolg haben. Kreativität und Qualität werden sich auch trotz fehlender Unterstützung durchsetzen.
Für unsere Szene, House und Techno, wird es weiterhin so sein, dass für einen Musiker, Produzenten, DJ der Umzug nach Berlin ein sehr wichtiger Schritt sein kann. Für die Spielstätten dieser Musik, für die Clubs und Open-Air-Flächen, wird Bayern weiter ein Standortnachteil sein. Hier gibt es keinerlei Unterstützung durch den Freistaat. Der Eindruck ist vielmehr, dass die Szene bewusst blockiert wird.
Die Sperrzeit zum Beispiel wurde in Bayern erst im Jahr 2005 auf eine Stunde verkürzt. In den vergangenen elf Jahren wurde diese aber in vielen Kommunen, darunter auch größeren Städten wie Bamberg, Regensburg, Erlangen, Neu-Ulm wieder eingeführt bzw. verlängert. Oft waren die Polizei und die CSU dafür der Motor—und Lärm und Sicherheitsbedenken wurden für ein „Verbot der Jungendkultur" als Gründe genannt. Weiter ist Bayern mit neun Stillen Tagen, an denen auch in geschlossenen Räumen ein Tanzverbot gilt, vorne dabei mit christlicher Intoleranz und dem Verhindern einer lebendigen Szene.
Es gäbe viel zu tun, viele Ideen, wie die Szene tatsächlich gefördert werden könnte. Aber es gibt kein Forum, keine Lobby, die in der Politik etwas erreichen könnte.

Anzeige

Mira Mann, candelilla:

Nur kurz: Söder soll bloß fernbleiben von den bayrischen Tonstudios. Da schwant mir nichts Gutes. Was wir hier in München unbedingt brauchen ist Platz: Die Glockenbachwerkstatt musste ihre Bandräume ebenso schließen, wie das Kreativquatier auf dem Schwere-Reiter-Gelände. Wir von candelilla stehen gerade wie viele andere Bands aus der Szene auf der Straße, proben übergangsweise mal hier, mal da, jetzt sogar abends in einem Büro. Gib uns unsere Kellerräume zurück, Söder, mehr gibts für dich hier nicht zu tun!

Rhode & Brown:

Grundsätzlich fänden wir ein gewisses Startkapital für Projekte junger kreativer Menschen aus dem Musikbereich toll. Wir wissen nicht inwieweit es so etwas vielleicht schon gibt, haben bisher aber von nichts dergleichen mitbekommen. Höchstens dieses Programm zur Förderung der Selbstständigkeit vom Arbeitsamt kommt dem nahe. Dafür muss man jedoch einmal gearbeitet bzw. fest angestellt gewesen sein und dann wieder in die Arbeitslosigkeit zurückfallen, um den Anspruch auf diese Förderung zu bekommen. Das ist also nicht ganz das, was wir uns vorstellen würden, wenn es um die Gründung eines Labels oder anderen etwas kostspieligeren Projekten geht.
Des Weiteren wäre es großartig mehr Studioräumlichkeiten zu erschwinglicheren Mietpreisen zur Verfügung zu haben. Wir haben das Glück, in einem günstigen Studio Musik machen zu dürfen, andere haben damit aber denke ich Probleme.
Zuletzt natürlich das ewige Thema der Clubs. Wenn anstatt dem ein oder anderen hochmodernen Glaskomplex-Neubau in der Innenstadt die Möglichkeit gegeben wäre, die Locations für mehr als nur eine Zwischennutzung für interessante Clubs freizuhalten, dann wäre das toll.
Ob für all das Herr Söder der richtige Ansprechpartner ist, wagen wir vorsichtig zu bezweifeln. Vielleicht sollte er sich kompetente Unterstützung suchen, die näher am jungen Musiker ist als er selbst da im Studio mit dem alten Knacker Leslie Mandoki.

Anzeige

Schlachthofbronx (Foto: David Rasche):

Die generelle Frage von staatlicher Förderung ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits schaut man manchmal neidisch auf die staatlich subventionierten Tourbusse, Studios und Clubs von Kollegen zum Beispiel in Skandinavien oder Holland. Andererseits hat der Staat an sich sich bisher noch selten als musikalisch besonders stilsichere Institution hervorgetan, und auch der Gedanke einer möglichst staatsfernen Subkultur macht ja durchaus einigen Sinn.
Im konkreten Fall erübrigt sich aber aufgrund des Akteurs eine ernsthafte Diskussion.

Frittenbude (Foto: Paul Aidan Perry):

Söder? Wir kennen den nicht. Sven kennt den auch nicht. Der war nie in Berlin, den kennen wir nicht.

COEO:

Das klingt im Kontext ziemlich schräg für uns und wir glauben nicht, dass Söders Posieren vor einem Studiomixer mehr als eine PR-Aktion war.
Leider können wir es kaum beurteilen, wie sich die Förderung in anderen Bundesländern abspielt, aber in Gesprächen mit befreundeten Musikern wird dann doch deutlich, was für den Freistaat Priorität hat: Musik mit einer Repräsentationsfunktion nach außen und somit einem Gegenwert für die Politik. Es ist nicht verwunderlich, dass der Großteil der Fördergelder in die Klassik fließt und Großprojekte wie ein neuer Konzertsaal für das Symphonieorchester oben auf der Liste stehen. Kreative werden selten konsequent unterstützt und die Förderung orientiert sich wenig am künstlerischen Alltag von jungen Musikern.
Probe-, Studioräume oder Ateliers sind sowieso rar in München und am Ende auch kaum bezahlbar. Herr Söder wird oder kann angesichts des angespannten Wohnungsmarktes nicht viel daran ändern, auch wenn es wünschenswert wäre, wenn die Politik jungen Künstlern (mehr) unter die Arme greifen würde.

Barbara Preisinger:

Ich wohne und arbeite seit 1998 in Berlin und habe nicht mehr allzu viele Verbindungen zur bayerischen Musikszene. Daher kann ich hierzu schlecht eine treffende Aussage machen.

DJ Hell, Michaela Melián und Acid Pauli konnten oder wollten unsere Anfrage bislang leider nicht beantworten.

**

Folge THUMP auf Twitter und Facebook.