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Fünf Jahre Brostep—eine Musik, die es nie hätte geben dürfen

Wer wartet heute noch auf den Drop?
This article originally appeared on THUMP UK.

Oh je, wo ist nur die Zeit hin? Ja, ganz im Ernst, wo ist sie hin? Wir werden alle älter, von Minute zu Minute. Ein Wimpernschlag und du bist ein gebrechlicher alter Sack, der auf ein vergeudetes Leben zurückblickt. Toll! Der Grund, warum ich mich so alt fühle, ist, dass es bereits fünf Jahre her ist, seit das ehemals wichtigste amerikanische Musikmagazin, Spin, einen aufsehenerregenden Artikel über ein Genre namens „Brostep" veröffentlichte.

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OK, der Begriff, dieser schreckliche Begriff, war bereits ein Jahr zuvor von der Produzentin Kozee geprägt worden, doch erst nach dem Spin-Artikel wurde er wirklich zu einer Sache. Skrillex war auf dem Vormarsch und Nordamerikaner sogen alle „Wubs" auf, die sie in die Finger bekommen konnten. Fünf Jahre danach ist es, abgesehen von einem Sub-Reddit, der behauptet, Musik „so dreckig wie möglich" zu mögen, und ein paar YouTube-Kanälen, die Kopfschüsse aus Call of Duty mit tiefem Gurgeln kombinieren, allerdings sehr still um Brostep geworden. Zum Glück. Trotzdem bot es sich nie mehr an als jetzt, auf den nervigen kleinen Bruder eines beliebten britischen Genres zurückzuschauen.

Jede Retrospektive auf das, was Brostep war, und die Gründe, warum es existierte, muss sich zunächst dem Namen selbst widmen. Es ist vielleicht der schlimmste Name, den es je für etwas gab. Sag ihn laut. Jetzt. „Brostep. Brostep. Bro. Step." Kotzreiz garantiert. Es wäre ja noch ein winziges bisschen zu entschuldigen, wäre dieser Name abschätzig gewählt worden. Doch die Bezeichnung hielt sich und Brostep-Jungs fuhren voll auf sie ab.

OK, versuchen wir, ein wenig fair zu sein: Nur wegen seines Namens kann man nicht über ein gesamtes Genre urteilen, oder? Schließlich war das, was wir (komischerweise) als „Future Garage" bezeichneten, großartig, der Name klang jedoch wie etwas, das dein Vater sich ausdenken würde. Woran man ein Genre allerdings beurteilen kann, ist anhand der Musik. Und was die Musik angeht, so war Brostep ungefähr so angenehm wie eine Mittelohrentzündung.

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Der zentrale Unterschied zwischen Brostep und seinem respektierten großen Bruder ist, dass es gewaltiger und aufdringlicher ist und sich auf scheppernde Mitten anstatt auf brodelnde Bässe konzentriert. Im Prinzip ist es die Fitnessstudio-Variante von Dubstep—aufgebauscht, extrem machomäßig und wahrscheinlich auf Steroiden. Die subtile Finsternis von bahnbrechenden Platten wie Kode9s „Samurai" oder „Night Vision" von Distance wurde durch ein beinahe parodistisches Verständnis von Wackeln und Wabern ersetzt.

Im Prinzip ist Brostep die Fitnessstudio-Variante von Dubstep—aufgebauscht, extrem machomäßig und wahrscheinlich auf Steroiden.

Oh, und dann gibt es noch den Drop. Brostep lebte für den Drop. Es war der Drop. Die dreckigsten, fiesesten und obszönsten Drops, die du dir vorstellen kannst. Für „Best of Brostep"-Compilations werden meistens Tracks ausgewählt, die nur dadurch charakterisiert sind, wie UNGLAUBLICH MASSIV der Drop ist.

Beinahe jeder Song des Genres basiert auf derselben Struktur: anschwellendes Intro, Stille und dann ein WUB-A-DUB-A-EHHHHH. So klingt es, wenn Amis versuchen, zu raven; der Klang von 13-Jährigen, die Minecraft-Videos machen. Das ist, was Michael Phelps hört, um sich auf Touren zu bringen. Und es ist so falsch. Die unaufdringliche Magie von Skreams Dub und Jungle beeinflusstem „Blue Eyez" oder die Garage-Beats von Burials „Raver", verwandelt in ein karikiertes, seelenloses Stück Mist.

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Und wer ist schuld an dem Ganzen? Skrillex. Natürlich ist es Skrillex.

OK, Skrillex scheint ein wirklich netter Kerl zu sein und er scheint auch einen ganz anständigen Musikgeschmack zu haben. Aber—und das ist ein großes Aber, ein riesiges Aber—er war der Vorreiter der ganzen Sache, ob uns das gefällt oder nicht. Er war der Kronprinz des Brostep. 2011 war eine merkwürdige Zeit.

Etwa zu dieser Zeit wurde es für Popstars Mode, sich am Dubstep zu versuchen und so den Underground-Status des Genres weiter zu zerstören. Britney Spears war mit „Hold It Against Me" die Erste. Der Song hatte in der Mitte eine von Brostep beeinflusste Bridge, die einfach so aus dem verdammten Nichts kam. Wenn die Aneignung von Genres existiert, dann ist sie es hier in Reinform. Skrillex sagte in einem Q&A mit MTV über den Song, dass er „Leute inspirieren wird." Da hatte man ihn gerade gefragt, ob „Spears das Schicksal von Dubstep besiegelt habe". Anscheinend war ihnen nicht klar, dass sie bereits mit dem Totengräber selbst sprachen.

Und das bringt uns zu einem schmerzhaften Punkt. Es gibt das draußen Leute—reale Leute mit Haaren und Genitalien, Bankkonten und Zeitschriftenabos—die Brostep und Dubstep gerne zusammenfassen. Es gibt eine Art historischer Umdeutung, die Erschaffung einer neuen Erzählung, in der Dubstep zu einer amerikanischen Erfindung wird. Das mussten wir Anfang des Jahres erfahren, als wir Beatports (mittlerweile gelöschtes Video) über die Geschichte von Dubstep analysierten. Darin wird behauptet, dass Benga, Burial und Co eigentlich „düsteren, instrumentalen Two Step" machen und Brostep das wahre Dubstep sei.

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Großbritannien im Zusammenhang mit Dubstep außen vor zu lassen, ist, als würde man behaupten, Fish and Chips wären von Australiern erfunden worden. Das geht einfach nicht. Dubstep ist tief in der musikalischen Geschichte Großbritanniens verwurzelt. Es war Garage, es war Jungle, es war Grime, es war Dub, die in perfekter Harmonie zusammenwirkten. Dadurch, dass „reines" Dubstep immer seltener wurde, Brostep allerdings immer noch so aktiv wie ein Dreijähriger mit Zuckerschock war, könnte diese Geschichtsschreibung tatsächlich umgestaltet werden. Eine furchteinflößende Aussicht.

Wir haben Glück, dass die Brostep-Welle mittlerweile, zumindest in Großbritannien, größtenteils abgeebbt ist. Wenn es auf dieser Seite des großen Teichs irgendjemanden gibt, der nach all den Jahren noch als Vertreter dieser ganzen Sache angesehen werden kann, dann ist es Rusko, der Kopf hinter „Spongebob", dem Ur-Brostep-Track. Aber selbst der schämt sich deshalb ein wenig:

„Brostep ist in gewisser Weise mein Fehler, mittlerweile hasse ich es aber auf eine Art … Es ist, als würde dir jemand eine Stunde lang ins Gesicht schreien", sagte er MistaJam auf Radio 1. Es zeigt, dass Brostep so fürchterlich ist, das selbst der Erschaffer sich davon abgewandt hat, wie ein EDM-Frankenstein, der das Monster, das er erschaffen hat, wieder vernichten will.

Hoffentlich wird das Genre in fünf Jahren vergessen sein oder zumindest als der zwielichtige kleine Bruder angesehen, der es ist. Wir können nur abwarten, was die Zukunft bringt—während die, die ihre „I Heart Bass"-Tanktops noch tragen, immer und immer wieder auf den Drop warten.

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