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Festivals

Diese nüchternen Raver sind der Beweis, dass du auch ohne Drogen Spaß haben kannst

Auf dem Shambala Festival gab es ein betreutes Camp für drogen- und alkoholfreies Feiern. Wir haben es besucht.

Fotos von Johnny Erwin, Oliver Pirquet und Adam Rabb

Nimmst du gerne Drogen auf einem Festival oder versuchst du lieber komplett nüchtern zu bleiben? Beim Shambhala Music Festival in der kanadischen Provinz British Columbia kümmert man sich in beiden Fällen ganz besonders um dich.

Die Veranstaltung feierte dieses Jahr seinen 19. Geburtstag. Und sie gehört zu den weltweit führenden Festivals im Hinblick auf Schadensminimierung beim Drogenkonsum—dank Pillen-Tests und sicheren Rückzugsorten für intensive Trips. Das Team umfasst jede Menge medizinisch Ausgebildete und Experten für Festival-Sicherheit, darunter die Nonprofit-Gruppe AIDS Network Kootenay Outreach and Support Society (ANKORS). Die Organisation erweitert ihre Dienste laufend, um auf neue Herausforderungen zu reagieren—wie etwa die Fentanyl-Epidemie, die zur Zeit im Westen Kanadas grassiert.

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Das sind zwar gute Neuigkeiten für alle, die gerne bewusstseinsverändernde Substanzen zu sich zu nehmen, doch das Festival ist wie gesagt auch für Leute, die ohne Alkohol und Drogen Spaß haben wollen. Darunter sind natürlich auch Menschen mit einer Suchtvergangenheit. 2013 hat das Shambhala das Camp Clean Beats (CCB) eingeführt. In diesem Camping-Bereich gibt es weder Drogen noch Alkohol, dafür aber viel gegenseitige Unterstützung und optionale Treffen für cleane und trockene Festivalbesucher. Das passt in eine Zeit, in der vermehrt Diskussionen stattfinden, wie Drogentote und andere Schäden auf Festivals vermieden werden können. Folgerichtig hatte das CCB 2016 mit mehr als 30 Teilnehmer, die bisher höchste Besucherzahl.

Wir haben eine Handvoll davon und die Mitgründerin der Initiative, Mandy Lawson, gefragt, wie es ist, ein Musikfestival in der Wildnis der Kootenay Mountains nüchtern zu erleben, und warum sichere Zonen wie diese so wichtig sind.

Mandy Lawson (Mitgründerin und Koordinatorin von Camp Clean Beats)

Heimatstadt: Nelson, British Columbia

Wie viele Jahre bereits auf dem Shambala gewesen: 10

Camp Clean Beats ist ein cleaner, trockener Campingplatz für Leute, die feiern wollen, aber dabei keine Drogen nehmen oder Alkohol trinken. Das bedeutet: auch kein Weed. Wir feiern trotzdem, nur eben nicht auf die Art. Jeden Tag bieten wir drei Treffen für Genesende, und dazu musst du auch nicht bei einem 12-Schritte-Programm dabei sein. Wir haben auch ein Begegnungszelt, wo Leute vorbeischauen können, die neugierig sind, was es bedeutet, nüchtern zu feiern. Wenn du nüchtern feiern willst, gibt es hier Unterstützung.

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Ich habe früher Drogen genommen, um dieses Gefühl von Verbundenheit zu kriegen. Dann ging ich aus und tanzte, das Gefühl blieb aus, ich nahm noch mehr Drogen, und immer noch hatte ich das Gefühl nicht wieder. Am nächsten Tag fühlte ich mich innerlich leer und habe alles bereut und mich geschämt. Heute kann ich auf den Dancefloor gehen und diese Verbundenheit spüren—mit meinen Freunden, mit meiner höheren Macht und, so abgedroschen das klingt, mit dem Bass.

Brett

*Heimatstadt:* Whistler, British Columbia

Wie viele Jahre bereits auf dem Shambala gewesen: 1

Es hat mich wirklich ermutigt, dass es hier Clean Beats gibt. Du musst auf dich selbst hören, und auch auf die Leute in deiner Umgebung, die weiser und schon länger clean sind als du. Diese Dynamik, dass es hier eine Community gibt, mit der du auch mal außerhalb deines eigenen Kopfes denken kannst, tut gut. Das hier ist eigentlich eine große Leidenschaft von mir. Ich liebe tanzen und ich liebe elektronische Musik. Für mich ist es eine große Sache, dass ich auf diese großen elektronischen Shows gehen kann und dabei weiß, dass ich nüchtern bleiben und eine gute Zeit haben werde. Nur weil du trocken und clean bist, muss das noch lange nicht heißen, dass du kein Leben mehr haben kannst. Mein Leben ist dadurch sogar viel besser geworden.

Gabriel

*Heimatstadt:* Victoria, British Columbia

Wie viele Jahre bereits auf dem Shambala gewesen: 4

Bei meinem ersten Shambhala hatte Clean Beats in meiner Nähe seine Zelte aufgeschlagen, also bin ich auf dem Weg zu den Bühnen immer daran vorbeigekommen und habe gesehen, wie diese Leute es komplett clean durchziehen. Daher wusste ich, dass das Festival diese Seite hat. Aber ich selbst konnte nicht aufhören. Ich war einfach ein Süchtiger und wusste nicht, wie man nur ein bisschen von etwas nimmt. Schließlich ging ich auf Entzug und bekam eine solide Grundlage für meinen Genesungsprozess. Und dabei wusste ich, dass ich irgendwann auch wieder aufs Shambhala gehen kann, weil es dort Camp Clean Beats gibt.

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Ich sehe natürlich noch Leute, die Drogen nehmen, und dafür verurteile ich sie nicht. Ich blicke deswegen nicht auf sie herab und werde auch nicht missgünstig oder neidisch. Ich sehe das auf dieselbe Art, wie ich mir vorstelle, dass jemand mit einer Glutenunverträglichkeit eine leckere Pizza anschaut. Sie wissen, dass das nichts für sie ist, aber gleichzeitig sieht es trotzdem lecker aus!

Andrea Nelson (Helferin bei Camp Clean Beats)

*Heimatstadt:* Nelson, British Columbia

Wie viele Jahre bereits auf dem Shambala gewesen: 9

Ich bin seit 10 Jahren trocken, also seit ich 20 bin. All meine Freunde waren Raver und gingen auf Partys, also fing ich an, nüchtern aufs Shambhala zu gehen. Ich trank einfach jede Menge Red Bull und verputzte Mini-Donuts. Ich begegnete Mandy, und sie konnte nicht fassen, dass ich das alleine durchzog. Sie erzählte mir von Clean Beats, also bin ich letztes Jahr dorthin gegangen. Ich glaube, das war sieben Jahre, nachdem ich zum ersten Mal trocken hier war.

Es war wirklich ganz anders, in einer Gruppe von nüchternen Leuten zu sein. Viele von uns ziehen los und machen ihr eigenes Ding, wenn es um die Shows geht, aber es gibt uns viel Halt, zu diesem Basislager zurückkehren zu können. Es fühlt sich an wie ein Zuhause. Wir haben ein Wohnzimmer und wissen, wann die Treffen stattfinden. Wir bekommen das Gefühl, dass wir innerhalb des Festivals hier irgendwo hingehören. Letztes Jahr hat es mir sehr viel gebracht.

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Rachael

Heimatstadt: Salem, Oregon

Wie viele Jahre bereits auf dem Shambala gewesen: 1

Seit ich vor fast vier Jahren clean wurde, bin ich auf keine Musikfestivals und keine Raves mehr gegangen, weil ich mir in so einer Umgebung einfach nicht sicher sein konnte. Vor etwa 10 Jahren fing ich an, mich sehr für die Rave-Szene zu interessieren, und da war es für mich ein großer Teil der Kultur, meine Grenzen zu testen und so high wie möglich zu werden. Ich erinnere mich kaum an die Hälfte meiner Raves von damals. Das Shambhala hat einen unglaublich tollen Spirit und ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Für mich war es wirklich extrem wichtig, dass ich mich an einen Ort zurückziehen kann, wo es nüchterne Unterstützung gibt. Ich bin eine von den Personen, die nicht einmal hier wären, wenn es Camp Clean Beats nicht gäbe.

Ich kenne die Namen von allen, die hier campen. Wir können bei unseren Treffen total intime Dinge über uns selbst und unsere Erfahrungen teilen—nicht nur Erfahrungen von hier, sondern aus unserem Leben. Das verbindet uns alle miteinander. Ich finde, wenn man eine Sucht überwindet, dann gibt es da einen sehr intimen Aspekt; wir sehnen uns nach zwischenmenschlicher Kommunikation und Beziehungen. Und jetzt müssen wir nicht mehr auf einen so wichtigen Teil der Jugend und der Freizeit verzichten, nur weil wir uns entschlossen haben, keine Drogen zu nehmen und nicht mehr zu trinken.

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