Michael Mayer: Der Kronprinz des traurigen und sanften Technos

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Michael Mayer: Der Kronprinz des traurigen und sanften Technos

Wir haben mit dem Kompakt-Boss über Auftritte an ungewöhnlichen Orten und Traurigkeit auf dem Dancefloor gesprochen.

Michael Mayer vom Label Kompakt ist ein integraler Bestandteil der zeitgenössischen Technoszene. Seit er sich 1998 mit Wolfgang Voigt und Jürgen Paape zusammengetan hat, um das einflussreiche Label in Köln zu gründen, ist Kompakt zu einem Schwergewicht der elektronischen Tanzmusik geworden. Zum Unternehmen gehören ein weitreichendes Vertriebsnetzwerk, Unmengen an Sublabels und ein Plattenladen. Aber vor allem steht der Name Kompakt für eine fragile, sanft traurige und melancholische Herangehensweise an Techno.

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Mayer selbst hat über die Jahre einige exzellente 12"es und ein paar Alben auf dem Label herausgebracht, hauptsächlich ist er aber als DJ bekannt. Sein fabric 13-Mix hat geholfen, den Microhouse-Sound der frühen 00er bekannt zu machen und die Immer-Mixe sind einige der besten, die jemals in einem Genre zusammengestellt wurden.

Albe wir Michael im Büro von Kompakt für das Interview anriefen, kam er gerade von einem der legendären gemeinschaftlichen Mittagessen des Labels. „Ich habe gerade die vielleicht besten Karotten meines Lebens gegessen", erzählte er mir. „Ein bodenständiges Essen, aber bemerkenswert umgesetzt."

THUMP: Kompakt hat in den Annalen des Technos mittlerweile so etwas wie Heiligenstatus. Bist du nach all den Jahren immer noch so enthusiastisch, was das Label betrifft?
Michael Mayer: Definitiv. Es wird nicht langweilig. Es passiert hier jeden Tag so viel und es fühlt sich an, als würden wir Dinge erreichen. Wir haben einen gewissen Status, aber wir ruhen uns nicht auf unseren Lorbeeren aus. Es ist immer noch ein sehr kreatives und herzliches Arbeitsumfeld. Ich bin so begeistert wie am ersten Tag.

Hast du jemals gedacht, dass es zu dem prägenden Label werden würde, das es heute ist?
Als wir angefangen haben, waren wir uns ziemlich sicher, dass zur House-Musik-Landschaft etwas Interessantes beitragen können, aber so etwas wie Kompakt kannst du nicht planen. Es war ein glücklicher Zufall, dass ich meine Partner [Wolfgang Voigt und Jürgen Pape] zum richtigen Zeitpunkt getroffen habe. Das war das größte Glück meines Lebens. Der Rest ist harte Arbeit und vernünftiges Verhalten—sowohl im ökonomischen als auch im persönlichen Sinn. Wir sind immer noch Freunde. Wir streiten uns, ja, aber nur wenn es um die Arbeit geht. Es ist eine sehr starke soziale Hygiene im Spiel, bei der wir uns alle unserer Verantwortung bewusst sind. Viele Leute sind von uns abhängig und davon abhängig, dass wir als Einheit funktionieren. Wenn wir das nicht tun würden, dann würde die Firma auseinanderfallen und das würde vielen Leuten schaden.

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Du spielst am Wochenende in einem ehemaligen Waisenhaus in Liverpool. Gehört das zu den merkwürdigsten Orten, für die du jemals gebucht wurdest?
Einer der merkwürdigsten war ein Nagelstudio in Minneapolis. Das Ganze fand im Hinterzimmer statt. Wir sind in das Studio und haben gesehen, wie eine Frau sich ihre Nägel hat machen lassen und im Hinterzimmer stieg eine Technoparty. Ich habe auch mal in Avignon auf der Pont D'Avignon gespielt. Ich bin zu der Zeit als SuperMayer aufgetreten und habe am Ende dieser halben Brücke gespielt und das Publikum stand auf der anderen Seite des Flusses.

Findest du das aufregend? Aus dem Club-Umfeld auszubrechen? Gibt es da zusätzlichen Druck?
Ich mag richtige Clubs, da bin ich zuhause, aber ja, diese seltsamen Orte machen das Ganze ein bisschen spannender. Ich habe mir im Internet einige Sachen über das Waisenhaus und die ganzen Geisterjagden, die dort vonstatten gehen, durchgelesen, was meine Fantasie bezüglich meines Sets angeregt hat…

Können wir also ein paar Stunden geisterhaften, gespenstischen Techno erwarten?
Vielleicht. Ich glaube nicht an Geister, aber ich kann mir vorstellen, dass es wahrscheinlich so etwas ähnliches gibt. Du musst wirklich daran glauben, um es zu beobachten. Es ist ein ziemlich düsterer Ort, an dem über die Jahre eine Menge düsterer Sachen passiert sind, also wäre ein wenig Fröhlichkeit vielleicht ganz gut, um den Ort etwas aufzuhellen.

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Warum glaubst du nicht an Geister?
Ich habe einfach noch nie einen gesehen. Es würde mir nichts ausmachen, einen Geist zu sehen. Ich bin Agnostiker und ich glaube nicht an den Heiligen Geist oder andere Geister. Aber ich frage mich, über was man sich mit einem Geist unterhalten würde…

Du bist seit Jahrzehnten im Geschäft, wie halten DJs, die so lange dabei sind, die Spannung für die Auftritte aufrecht?
Ich glaube, der größte Feind eines erfahrenen DJs ist Bequemlichkeit. Wenn ich dasselbe Set zehn Mal hintereinander spielen würde, dann würde mich das unglaublich langweilen. So ein DJ bin ich nicht. Ich mag es, mich auf das Wochenende vorzubereiten, neue Sachen zu spielen, alte Sachen wiederzuentdecken, zu sehen, was in bestimmten Umgebungen funktioniert. Wenn du als DJ gelangweilt bist, dann solltest du dich nach einem anderen Job umsehen. Du bist dort, um die Leute zu unterhalten. Wenn du dich selbst nicht unterhalten kannst, wie willst du dann andere unterhalten?

Ich improvisiere immer. Ich spiele Vinyl und über USB und ich komme nicht mit einem geplanten Set. Das hält die Überraschung am Leben, bringt Schwung hinein. So habe ich das Auflegen gelernt. Es ging nicht darum, sein „perfektes" Set vorzubereiten, es ging darum, auf einen Raum zu reagieren. Wenn ich müde bin, dann spiele ich eher harte Platten, um mich selbst wieder reinzubringen. Wenn ich total drin bin, dann spiele ich eher sehr deepes Zeug. Das ist etwas, für das du immer offen sein solltest. Du musst flexibel sein.

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Die Leute charakterisieren den Kompakt-Sound oft als diese zerbrechliche und melancholische Sache. Ist das zutreffend?
Einige Kompakt-Sachen hatten immer eine melancholische Seite, aber das gilt nicht für alles. Ich erinnere mich daran, dass die ersten Superpitcher-Produktionen außergewöhnlich melancholisch waren und das fühlte sich neu an. Es war sehr ungewöhnlich, solche Musik in einem Club zu spielen. Es ging immer um diesen Hände-in-die-Luft-/In-die-Fresse-Techno. Diese melancholischen Klänge haben dann Kompakt repräsentiert.

Spricht dich Traurigkeit auf dem Dancefloor an?
Total. Manchmal sind die schönsten Momente die, wenn du mit geschlossenen Augen auf der Tanzfläche bist und ein Track es dir kalt über den Rücken laufen lässt. Deswegen mache ich das. Das spricht mich mehr an als ein massiver Drop oder eine euphorische Klavier-Hook. Ich würde mich selbst nicht als besonders traurigen Typen bezeichnen, aber Traurigkeit steckt in allen von uns. Es ist ein Teil unseres Lebens. Dafür gibt es auch im Club Platz.

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