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Zehn Dokus über elektronische Musik, die du wahrscheinlich noch nie gesehen hast

Kuschelbedürftige Hooligans, drei-Tage-Wach-Sessions und ein verkaterter Luciano. Und welche sind deine Lieblings-Dokus?

Während das Angebot bei Watchever und Konsorten weiterhin viel zu wünschen übrig lässt und auch die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen nicht nur wegen ihrer zeitlichen Beschränkungen eher medioker ausfallen, hat sich YouTube inzwischen zur besten Quelle für abgefahrene Dokumentationen aus sämtlichen Jahrzehnten und Ländern gemausert.

Hier findest du eine Auswahl großartiger Musikdokumentationen—viele von ihnen aus der legendären Hochzeit elektronischer Musik, als man noch dachte, dass diese Musik die Welt retten würde (besser bekannt als die 1990er): Von kuschelbedürftigen Fußballhooligans, über drei-Tage-Wach-Sessions, bis zu einem verkaterten Luciano und Richie Hawtin als Teenager, findest du hier eine Auswahl von Dokus über die vielen kleinen—und alle auf ihre Art und Weise wundervollen—Nischen im großen Partykosmos.

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Anmerkung: Einige der Filme sind englischsprachig, aber mit der „Closed Captions"-Funktion von YouTube wirst du zumindest englische Untertitel einblenden können. Los geht's!

Gabber

Egal, wie sehr dieser eine Avicii-Track auch nach vorne geht, er wird niemals die Art von Härte erreichen, die du in der holländischen Gabberszene vorfinden konntest. Nie-mals! 1995 dokumentierte Lola de Musica die Rotterdamer Hardcore-Szene (das Fundament dessen, was heutzutage zu Hardstyle mutiert ist). Stimmig eingeleitet mit Bald Terrors „Rotterdam" findest du in diesem großartigen Film durchgeknallte Gabbers in grellen Tracksuits, die dir zeigen, wie du eine ordentlich Hakke auf das Parket legst. Dazu gibt es Interviews mit unglaublich verstrahlten Holländern und Szenelegenden wie Paul Elstak und DJ Ruffneck. Vor allem Letzterer sieht derartig blass und übernächtigt aus, dass du fast schon glaubst, du würdest dir hier die Gabberversion von Interview mit einem Vampir anschauen. Das ist definitiv lehhrreicher, als die Gabber-Festival-Doku, die neulich durch die Newsfeeds gereicht wurde.

Feiern (Don't Forget to Go Home)

Entgegen aller Vorurteile und Klischees gibt es nicht nur das Berlin der arbeitswütigen Start-Up Gründer und der gutbürgerlichen Biofanatiker. Nein, Berlin ist auch eine Stadt, in der es für die Einwohner total normal zu sein scheint, am Wochenende 72 Stunden durchzumachen, und sich in Läden wie dem Berghain (früher: Ostgut), dem Watergate, dem Club der Visionäre, der alten Bar 25 und so weiter zu verlieren … um dann Montags zurück zur Arbeit zu gehen, als ob nichts gewesen wäre—oder eben nicht, weil in Berlin eh fast alle arbeitslos sind („Tusch!"). Diese Dokumentation von 2006 erkundet die Auswirkungen des Technolifestyles auf den Alltag der einzelnen Personen—auf ihre Identität, ihre Beziehungen, ihre Gefühle und ihre Karriere—und zeigt die Hochs und Tiefs, die mit exzessiven Clubbesuchen einhergehen. Neben den ganzen Berlinern, die dort zu Wort kommen, zeigt der Film auch persönliche Seiten von Luciano, Ricardo Villalobos, Nick Höppner, Ewan Pearson und vielen anderen.

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Music is my Drug

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte und diese Doku über Psychedelic Trance beginnt mit der Aufnahme von einem nackten Mann, der neben einer Kuh einen Handstand macht. Was könnte den Zuschauer besser darauf vorbereiten, dass es in der nächsten knappen Stunde extrem abgespaced zugehen wird? Dieser Film hat aber auch einfach alles, was du dir wünschen kannst: von einer Tour durch die Fertigungshallen der Roland Synthesizer bis zu japanischen Psy-Trancern mit den großartigsten Klamotten; von israelischen Trance-‚Situationen', die dich zum Nachdenken anregen, über Rabbiner zu einem Haufen nackter Spinner in Goa—das alles musikalisch begleitet von diesen aufgedrehten Mortal Kombat-Sound namens Psy Trance. Ernsthaft, ein verdammt guter Film!

Small Town Ecstasy (Oder: Was wäre gewesen, wenn du mit deinem Vater Ecstasy genommen hättest)

OK, diese hier wird dich fertig machen. Small Town Ecstasy ist eine 90-minütige Dokumentation über eine Familie in Nordkalifornien, deren Vater mitten in einer Midlife-Crisis steckt und extrem viel Gefallen daran findet, auf Raves zu gehen und sich XTC einzuwerfen … mit seinen Kindern. Sein Haus verwandelt sich in eine abgefuckte Partyhöhle, seine Ex-Frau rastet aus und er überzeugt sogar seinen 13-jährigen Sohn, der aussieht, als ob er gerade erst den Babyschnuller abgegeben hat, bei den Großen mitzumachen. Die Doku ist nicht gerade das, was ich unter lustiger Unterhaltung verstehen würde … sie gleicht vielmehr einem Horrorfilm.

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E is for Ecstasy

Wie du an diesem Film sehen kannst, war MDMA höchster Reinheit einmal der einzige Bestandteil von Ecstasy. Obwohl diese BBC-Dokumentation den Stil eines biederen Aufklärungs- und Abschreckungsfilms hat, werden hier die psychologischen und kulturellen Vorteile der kleinen magischen Pillen ungemein hoch gehalten. Das ist an sich schon sehr nett und unterhaltsam anzuschauen—was diese Dokumentation aber wirklich sehenswert macht, sind die Klamotten, Frisuren, Eindrücke und Tanzstile der frühen 90er, die du hier zu sehen bekommst. In so ernsten und abgeklärten Zeiten wie heute kommt einem die Szene von damals einfach süß und ehrlich vor. Wenn dir Trainspotting gefallen hat, wirst du das hier lieben.

20 Years of Jungle Mania

In vielen Dokumentationen über Drum & Bass wirst du nur Produzenten zu Gesicht bekommen, die sich selber damit beweihräuchern, wie musikalisch anspruchsvoll und progressiv das Genre doch ist. Nicht hier! Diese Doku feiert das 20-jährige Jubiläum der britischen Partyreihe Jungle Mania und wurde höchstpersönlich von DJ/Producer/Labelinhaber/Szeneinstanz Teebone gedreht. Es tauchen auf: Jumpin' Jack Frost, MC Navigator, GQ und viele mehr. Wenn du es schaffst, dir die kompletten 90 Minuten anzuschauen, kannst du dich gut und gerne Hardcore nennen. Reeeeeewind.

Summer of Rave

Lass dich nicht von dem blöden Titel abhalten, diese wirklich gut recherchierte BBC-Dokumentation über Acid-House in Großbritannien anzuschauen, in der du Leuten beim Feiern zuschauen kannst, die alt genug sind, als dass sie deine Eltern sein könnten. Der Film ist voll mit interessanten Fakten, wie zum Beispiel dem, dass die Fußballhooligans Londons durch Raves anfingen, sich zu lieben, statt sich zu massakrieren.

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Sub Berlin - The Story of Tresor

Der Tresor ist ein stickiger, dunkler Bunker mit hartem, hämmerndem Techno—also genau der Ort, vor dem dich deine Eltern immer gewarnt hatten. Diese Doku erzählt die Geschichte einer Berliner Institution, die kurz nach dem Fall der Berliner Mauer auf der Bildfläche erschien und bis heute existiert. Die lokalen Szenehelden erzählen hier die Story aus ihrer Sicht und ganz nebenbei lernst du auch noch eine Menge über die Politik, die bei der ganzen Geschichte nicht unerheblich war. Techno war der neue Punk!

Pioneers of Electronic Music: Richie Hawtin

Du brauchst gar nicht anzufangen, mir zu erzählen, was für ein großer Fan von Richie Hawtin du bist, bis du nicht alle 70 Minuten dieser Doku gesehen hast. Hier gibt es Interviews mit Derrick May, Magda, Vater und Mutter Hawtin und natürlich Richie persönlich—inklusive peinlicher Fotos aus seiner Kindheit. Hier wird sogar der superwichtige Vorfall behandelt, bei dem Hawtin mit Sven Väth rumgeknutscht hat. Finanziert hat diesen Streifen Electronic Beats von der Telekom. Prädikat: Essentiell.

23 Minute Warning: Spiral Tribe

1990, ungefähr zur selben Zeit als sich in Berlin die Love Parade formierte, begann das Spiral Tribe-Soundsystem in Großbritannien, Rave zu revolutionieren und setzte die Free Tekno-Szene in die Welt, die bis heute existiert. Falls dir Free Tekno kein Begriff ist, kannst du dir das wie eine Technoversion von Crass vorstellen, bei der eine Horde von Dance-Punks riesige Soundsysteme durch ganz Großbritannien fährt, um überall gigantische und kostenlose Partys zu schmeißen. Free Tekno zeigt, dass Raven sehr wohl politisch und transformativ zugleich sein kann und streckt der Regierung einen gigantischen Mittelfinger entgegen. Diese Doku lässt die Leute der Bewegung zu Wort kommen und zeigt, was sie antreibt. Dazu gibt es abgefahrene 90er Visuals. Inspirierend!

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