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Theo Parrish erklärt dir, warum du House und Techno nie richtig verstanden hast

Der DJ und Produzent aus Chicago äußert sich mit bewegenden Worten.
Violette Esmeralda

Vor wenigen Stunden gab US-Präsident Barack Obama konsterniert zu: „Im Laufe meiner Präsidentschaft habe ich auf zu vielen Gedenkfeiern gesprochen." Dieses Mal sprach er in Dallas, wo den toten Polizisten gedacht wurde, die eine Heckenschütze vergangene Woche in der texanischen Landeshauptstadt tötete. Vorausgegangen waren dieser Tat wieder einmal Morde an schwarzen US-Amerikanern durch die Polizei. Die Debatte um institutionalisierten Rassismus ist seitdem wieder in vollem Gange. Auffällig still ist dabei die House- und Techno-Szene.

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Genau diesen Umstand hat Theo Parrish nun in einem Facebook-Beitrag angesprochen:

Parrish kritisiert insbesondere die weißen DJs und Raver dafür, dass sie die nicht wirklich (aus)leben und so ihre Entstehungsgeschichte und -Umstände nachvollziehen würden. Seine These:

Nur, wer voll und ganz in der Musik aufgeht, versteht, welche Motivation und Energie ihr zugrunde lagen.

Denn House und Techno waren nicht einfach nur platter Hedonismus, der dem Alltag entfliehen will. Beide Genres entstanden aus der schwarzen Community heraus und hatten, besonders in Detroit, immer eine dezidierte politische Haltung, die den alltäglichen und institutionalisierten Rassismus in den USA nicht nur kritisierte, sondern eben auch direkt aus dessen Erfahrung am eigenen Leib heraus entstanden war. Es war nicht einfach nur Musik, sondern ein Akt von Widerstand, eine Form von Identitätsbildung, und immer auch ein Angebot für und eine Aufforderung zur Solidarität. Für jeden, unabhängig von der Hautfarbe; für ein besseres Miteinander.

Fast 30 Jahre später ist davon nicht mehr viel übrig, wie Parrish schreibt. In den Clubs wird unbeirrt weitergetanzt, während zur gleichen Zeit in Atlanta ein schwarzer US-Amerikaner tot von einem Baum hing. Das traurige Bild erinnerte unweigerlich an die Zeiten der Lynchmorde im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. (In diesem Fall handelte es sich allerdings um einen Suizid.) Oder Polizisten töten schwarze Mitbürger, ohne ersichtliche Gefahr. So wie Trayvon Martin. So wie Eric Garner. So wie Michael Brown. So wie Freddie Gray. So wie Alton Sterling.

Die Zuspitzung der rassistischen Gewalt einerseits und der weißgewaschene Massenerfolg von EDM andererseits sind der Beweis dafür, dass die politische Implikationen von House und Techno nicht verstanden wurden. Weil du nicht richtig zugehört hast. Und weil auch Musikjournalisten, uns eingeschlossen, nicht richtig zugehört haben. Sonst wäre es nicht so weit gekommen, dass die gesamte Szene nahezu komplett schweigt, während Monat um Monat neue Opfer betrauert werden.

Es ist nun spätestens an der Zeit, sich Parrishs Worte zu Herzen zu nehmen und zuzuhören, zu reflektieren, aktiv zu werden; nicht weniger, sonder mehr zu tanzen.

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