Menschen

Wie höre ich auf, jemanden zu lieben, der meine Gefühle nicht erwidert?

"Seit drei Jahren bin ich in jemanden verliebt, der mich nicht will. Wie komme ich da endlich raus?"
Vincenzo Ligresti
Milan, IT
Illustration einer Person vor einem Labyrinth in Form eines Herzens, in der Kolumne Frag VICE möchte eine Leserin wissen, wie sie aufhört, einen Freund zu lieben, der ihre Gefühle nicht erwidert.
Illustration: AdobeStock/Jorm S 

"Frag VICE" ist eine Artikelreihe, bei der uns Leserinnen und Leser bitten, ihnen bei verschiedenen Problemen zu helfen – egal, ob es sich um Beziehungsprobleme oder den Umgang mit nervigen Mitbewohnern handelt. Dieses Mal versuchen wir, einer Person zu helfen, die sich unglücklich in jemanden verliebt hat."

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Hey VICE,

seit drei Jahren bin ich von jemandem besessen, der meine Gefühle nicht erwidert. Rational gesehen weiß ich, dass ich damit aufhören sollte, aber jeder Funken Aufmerksamkeit, jede Nachricht und jede nette Geste von ihm schicken mich zurück in ein Muster, das ich mir nicht erklären kann.

A. ist einer meiner besten Freunde. Wir quatschen stundenlang am Telefon und gehen regelmäßig in größeren Gruppen aus. In der Regel steht er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Und er hat Probleme, Beziehungen länger als sechs Monate zu halten.


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Er weiß von meinen Gefühlen für ihn. Ich habe sie ihm einmal gebeichtet. Er sagte damals, dass es mit uns vielleicht anders gelaufen wäre, wenn er es früher gewusst hätte. Zu dem Zeitpunkt war er mit jemand anderem zusammen. Das ist jetzt drei Beziehungen her.

Ein paarmal haben wir uns nach ein paar Drinks sogar geküsst und wären beinahe im Bett gelandet. Andere Male ging er mir aktiv aus dem Weg und ich musste sein Social Media stummschalten und den Kontakt zu ihm meiden.

Viele unserer gemeinsamen Freunde sagten anfangs noch: "Zwischen euch ist definitiv etwas." Inzwischen heißt es nur noch: "Hör auf, seine Spielchen mitzuspielen." Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass ich mich früher oder später in jemand anderes verlieben und dann aufhören würde, an A. zu denken. Aber das ist nicht passiert.

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Das macht mich fertig und ich bin frustriert. Manchmal glaube ich, dass es eine persönliche Obsession ist, aber ich habe auch das Gefühl, dass A. mich ausnutzt. Wie komme ich endlich aus dieser Situation raus? Ich bin 25 und sollte alt genug sein, es zu akzeptieren, wenn mich jemand nicht will.

M.


Hey M.,

die Beziehungstherapeutinnen Apsicologa Frederica Micale und Giulia Amicone helfen dir gerne bei deinem Dilemma:

"Wenn wir uns eine Beziehung mit jemandem wünschen, der uns nicht will, aktiviert sich in unserem Gehirn ein Mechanismus", schreiben die Therapeutinnen in einer E-Mail, "der sogenannte Zeigarnik-Effekt" – benannt nach seiner Entdeckerin, der sowjetischen Psychologin Bljuma Wulfowna Zeigarnik. Dieser psychologische Effekt beschreibt, dass sich unser Gedächtnis besser an ungelöste und offene Aufgaben erinnert als an erledigte. "Es ist, als würden wir ständig eine Nachricht bekommen, die uns dazu drängt, abzuschließen, was wir angefangen haben. Deswegen bleiben wir in Beziehungen, die keine sind und uns nicht erfüllen."

In deinem Brief schreibst du, dass dich die Situation frustriert. Das ist nachvollziehbar, schließlich geht das schon eine ganze Weile so. "Wenn du dir das eingestehst, machst du dich angreifbar. Das passiert in der Regel dann, wenn die Verzweiflung groß ist", sagen die Expertinnen. Das bedeute auch: "Du hast erkannt, dass du dich in einer Situation befindest, von der du weißt, dass sie nicht gut für dich ist. Dennoch gibt dir diese Situation weiter Hoffnung."

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Die ganze Sache ist wahrscheinlich sehr verwirrend für dich, insbesondere weil A. dir weiter gemischte Signale gibt: Zeit, Aufmerksamkeit und sogar die eine oder andere Knutsch-Session. Diese Dinge lösen in dir einen Adrenalinschub aus und ein Gefühlschaos. Auch wenn du es zeitweise hasst, ist dieses Wechselspiel zu einer Art Sicherheitsnetz für dich geworden.

Die Psychologinnen sind beide der Meinung, dass deine Frage, ob A. dich ausnutzt – egal, ob bewusst oder unbewusst –, ein Schritt in die richtige Richtung ist. Du solltest zum Beispiel darüber nachdenken, ob A. in der Vergangenheit von deiner Hilfe profitiert hat, dir aber nicht dieselbe Unterstützung angeboten hat, wenn du sie gebraucht hast. "Er bittet dich möglicherweise um größere Gefallen, aber gibt sie nicht so einfach zurück", schreiben die Expertinnen. "Möglicherweise verlässt er sich darauf, dass du spontan für ihn da bist und für ihn alles stehen und liegen lässt."

Außerdem könne es sein, dass A. eine finale Klärung eures Status meidet, weil "sein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit seinen Respekt für die andere Person übertrifft", schreiben die Expertinnen. Wie du selbst geschrieben hast, steht A. gerne im Mittelpunkt. Außerdem hast du ihm deine Gefühle klar geschildert, aber er weigert sich, dir eine eindeutige Antwort zu geben.

Weil du in diesen Menschen verliebt bist, sind diese Warnsignale für dich vielleicht nicht so eindeutig. Vielleicht klammerst du dich an kleine Dinge wie ein Like von ihm bei Instagram oder einen Anruf. Du versuchst, in diesen Handlungen eine tiefere Bedeutung zu finden. Möglicherweise sind diese Gesten für dich der Beweis dafür, dass da etwas ist, das Potenzial für die Beziehung, die du dir wünscht, die aber in Wahrheit nicht existiert.

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Versuch das nächste Mal, wenn das passiert, eine Außenperspektive einzunehmen. Erst dann wirst du erkennen, dass "du dich in einer gegenseitigen Abhängigkeit befindest und keine Vorteile daraus ziehst". Sobald du das akzeptiert hast, gib dir selbst etwas Zeit.. Du könntest zum Beispiel damit anfangen, nicht deine Pläne zu ändern, wenn er dich darum bittet. Du wirst dich wundern, was für einen Unterschied so eine kleine Änderung deiner Einstellung machen kann.

Was deine ausbleibenden Gefühle für andere angeht, kann es sein, dass du in der Zeit niemanden kennengelernt hast, der dir wirklich gefallen hat. Aber du solltest dir auch überlegen, ob du vergangenen Flirts überhaupt die Gelegenheit gegeben hast, sich zu entfalten. Wenn man so lange auf jemanden wartet, kann es nämlich sein, dass das eigene Selbstwertgefühl erheblich darunter leidet. "Wenn wir dann jemanden kennenlernen, der uns so mag, wie wir sind, beginnen wir vielleicht an uns zu zweifeln. Dann finden wir es einfacher, in unserer Komfortzone zu verweilen."

Die Expertinnen empfehlen hier ausdrücklich nicht, dass du dir einfach irgendwelche Trostpartner oder -partnerinnen suchst. Nimm dir lieber den Raum in deinem Leben, den du deiner idealisierten Liebe geschenkt hast, um konkrete Erfahrungen zu machen. Bis es so weit ist, "könnte es helfen, dich einfach auf deine Interessen zu konzentrieren und diese mit anderen Menschen aus deinem engen Umfeld zu teilen."

Um einen Rückfall zu vermeiden, solltest du an deinem Selbstwertgefühl arbeiten, vielleicht mit professioneller Hilfe. Wenn du dann das Gefühl hast, geheilt zu sein, kannst du dir überlegen, ob du die Sache mit A. klären willst. "Das kann manchmal sehr befreiend sein", schreiben Micale und Amicone. 

Auf gar keinen Fall solltest du dir Vorwürfe machen, dass du mit 25 in dieser Position bist. "Im Leben und in der Liebe gibt es kein Protokoll, dem man folgen kann", schreiben die Psychologinnen. "Es ist nicht dein Alter, das zählt, sondern deine emotionale Reife und die Phase, durch die du gehst. Wir alle machen unsere eigenen Erfahrungen und erkennen Dinge, wenn die Zeit dafür reif ist."

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